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Thursday, January 3, 2013

Warum hast du nicht kommentieren RBB

Adieu, RBB! Seit Jahren stehe ich jeden Freitag früh auf, um auf Radio 1 Themen zu kommentieren. Dieses Mal wollte der Sender wegen Jakob Augstein darauf verzichten. Das ist schlicht illoyal

Obwohl meine Religion es mir verbietet, vor zehn Uhr morgens aufzustehen, zwinge ich mich seit gefühlten 20 Jahren jeden Freitag, den der Herr werden lässt, dazu, gegen halb acht aufzuwachen, um mich auf meinen wöchentlichen Kommentar um 8 Uhr 8 bei Radio 1 des RBB vorzubereiten.
Meistens geht es um deutsche Themen, bin ich grade im Ausland – Bayern, Island, Israel oder die USA – um die Lage in diesen Ländern. Am Donnerstag vor dem Freitag ruft mich die Redaktion an, um ein Thema zu vereinbaren. Der Rest ist Routine und
Improvisation.
So sollte es auch an diesem Donnerstag sein. Um halb vier nachmittags rief mich ein Redakteur des "Schönen Morgen" an. "Wir müssen uns mal unterhalten", sagte er. "Gerne", sagte ich. Es gehe, sagte der Redakteur, um die Sache mit Jakob Augstein, die ziehe immer weitere Kreise.

"Augstein will nicht"

Man habe in der Redaktion beraten, wie man sich dazu verhalten sollte. Man wollte mich und Jakob Augstein zu einem Gespräch einladen. "Gute Idee", sagte ich, "ich mache mit". – "Geht nicht", sagte der Redakteur, "Augstein will nicht". "Schade", sagte ich, "wäre doch lustig gewesen". – "Ja", sagte der Redakteur und machte eine Pause.
Da Augstein nicht wolle, fuhr er fort, und da man an der Sache nicht vorbeikomme, habe man beschlossen, "ein Gespräch mit einem Antisemitismus-Experten zu führen, Prof. Schöps oder so" und dafür meinen Kommentar ausfallen zu lassen.
Das sei keine gute Idee, sagte ich, wenn der Kommentar ausfällt, würden die Zuhörer das als eine Distanzierung des Senders von mir verstehen. Davon könne keine Rede sein, sagte der Redakteur, man könne nur "an so einem Tag nicht über ein x-beliebiges Thema" mit mir reden, da würden sich die Zuhörer fragen, "warum sagt er nichts über Augstein?" – "Weil ich mich in dem Freitag-Kommentar noch nie zu einer Sache geäußert habe, in die ich selber verwickelt war", sagte ich. Der Redakteur machte wieder eine Pause. Das Argument schien ihm einzuleuchten. "Wir bereden das noch mal in der Redaktion und ich melde mich wieder bei Ihnen."

Redaktionsleiter ruft an

Eine Stunde später rief mich der Redaktionsleiter an, ein netter Mann mit schwäbischem Migrationshintergrund.
"Also, Herr Broder", sagte er, "wir haben beschlossen, dass es dabei bleibt". – "Wobei?", fragte ich. "Wir lassen den Kommentar mit Ihnen ausfallen und reden statt dessen mit einem Antisemitismusexperten. Und nächste Woche unterhalten wir uns dann in aller Ruhe, wie es weitergeht." – "Wenn Sie das machen", sagte ich, "gibt es nichts, worüber wir uns nächste Woche unterhalten könnten. Ihr Verhalten ist illoyal mir gegenüber und sachlich durch nichts zu rechtfertigen." – "Jetzt setzen Sie mich doch nicht so unter Druck", sagte der Redaktionsleiter, "wir haben uns doch immer gut verstanden".
So ging es noch eine Weile hin- und her, bis wir beide beschlossen, dass es nichts mehr zu besprechen gibt und einander einen schönen Abend wünschten.
Einen Vorteil hat die Sache immerhin. Ich kann jetzt auch am Freitag ausschlafen.


 

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