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Thursday, January 17, 2013

Berliner Modell, alle Schattierungen von grau!





Endlich steht fest, wie es um das noch zu rekonstruierende Berliner Stadtschloss herum aussehen soll: puristisch, einfallslos, ohne einprägsame Akzente. Und leider ohne zwei historische Wahrzeichen

In Berlin ist man ja schon froh, wenn nicht alles schief geht. Insofern hört man sie förmlich, die Stoßseufzer der Erleichterung, die dem geplagten Hauptstädter entfahren, nachdem nun bekannt wurde, wie die Umgebung des rekonstruierten Berlins Stadtschlosses aussehen wird: Es hätte nämlich schlimmer kommen können.

Was der jetzt preisgekrönte Entwurf des schweizerischen Architekturbüros für die Umgebung des beharrlich "Humboldtforum" genannten Bauprojektes vorsieht, schaut auf den ersten Blick wenigstes nicht nach einer urbanen Katastrophe aus: Graues Dolomitgestein wird die einstige Residenz der Preußenherrscher weiträumig umgeben und sie, wenn man es denn so sehen will, würdig umrahmen.

Ein bisschen Grün ist nur zum Lustgarten hin vorgesehen sowie am Spreeufer. Dort soll eine Baumgruppe aus Trauerweiden die Umrisse des ehemaligen "Apothekerflügels" andeuten, der als mittelalterliches Anhängsel den prächtigen Schlüter-Bau an die bescheidenen Anfänge des Hauses bis zur Zerstörung erinnert hat. Auf solcherart Kuriosa verzichtet man natürlich im Zeitalter des stilistischen Purismus bei einem repräsentativen Wiederaufbau, vielleicht zurecht.

Doch apropos Purismus: Wenn dieser Entwurf so, wie er eingereicht wurde, realisiert wird, dann wird man jetzt schon sagen dürfen: Distanzierter kann man sich gegenüber einem architektonischen Komplex, der ja nichts Geringeres leisten soll als die urbane Mitte der deutschen Hauptstadt endlich, endlich wieder herzustellen, nicht verhalten.

"Offen" für Diskussionen

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat zwar bei der Präsentation des Timo-Hermann-Entwurfs hervorgehoben, dieser zeichne sich auch dadurch aus, dass er so "offen" für weitere Diskussionen sein. Damit wollte sie wahrscheinlich Enttäuschungen vorbeugen, nach dem Motto: Keine Sorge, da kommt noch was, wir hübschen nach. Aber es steht zu vermuten, dass es sich dabei um wenig wirksame Beruhigungstropfen handelt.

Es war schließlich Madame Lüscher selbst, die schon vor Monaten Tatsachen der künftigen Schlossplatz-Gestaltung schuf, indem sie dort, wo die Breite Straße auf den Schlossplatz trifft, das Areal verkleinerte, auf dem einst der berühmte Neptunbrunnen von Reinhold Begas prangte, den sich die sogenannten Traditionalisten so sehnlich an die alte Stelle zurückwünschen.

Und das ist denn auch für den mit der Diskussion vertrauten Hauptstädter das eigentliche Signal, das von der Entscheidung der Preisjury ausgeht: Kein Begas, kein Brunnen, mithin kein opulenter Historismus um das Schloss herum, um Gottes Willen nein, das könnte ja ganz einfach toll aussehen.

Dabei will man doch sein "kritisches", um nicht zu sagen "gebrochenes" Verhältnis zur preußischen "Zwingburg" von einst dokumentieren. Nur ja keine Identifikation aufkommen lassen. Hat schließlich alles irgendwie mit Auschwitz zu tun. Der Neptuns-Trumm bleibt schön, was er nun schon so lange war: ein Fremdkörper in der Wüstenei des Alexanderplatzes.

Freut euch, Schöneberger!

Auch die Rossebändiger finden offenbar keine Gnade vor den Augen der Juroren. Dabei sind sie dezenter und auch älter (von 1847 nämlich) und schmückten einst ebenfalls die Schauseite des Schlosses. Aber auch dieser skulpturale Schmuck verstößt offenbar noch immer gegen jene ästhetische Korrektheit, der sich das Gremium aus Politikern und Architekten verpflichtet fühlt, die nun für eine denkbar kalte und emotionslose Variante stimmten, um die einstige Hohenzollern-Residenz in den Stadtraum von heute einzugliedern.

Das wird zumindest die Schöneberger unter den Berlinern freuen. Sie können demnach wahrscheinlich weiterhin den Anblick jener beiden Bildwerke in ihrem Kleistpark genießen. Bildwerke, die einst der russische Zar seinem Thron-Kollegen Friedrich Wilhelm IV. schenkte, weshalb die beiden kraftvollen männlichen Nuditäten, die so elegant wie energisch ihre Pferde führen, auch für die früher so engen dynastischen Verbindungen Preußens und Russlands stehen.

Der Eklektizismus wird damit Markenzeichen Berlins bleiben, denn am selben Ort, an den die Rossebändiger zogen, wurden ja auch die Kolonnaden von Gontard versetzt. Heute meist als "Kleist-Kolonnaden" bezeichnet, sind sie eines der ganz wenigen baulichen Elemente, die sich aus dem friderizianischen Berlin des 18. Jahrhunderts erhalten haben, wo sie die Stadt zum Norden hin mit einem markanten Schlusspunkt versahen. Damals war Schöneberg ein von viel Heidekraut umgebenes Dorf im Süden der Metropole. Das Versetzte, Verkehrte, Verlorene: das bleibt also typisch für Berlin.

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