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Tuesday, January 22, 2013

Netanyahu erklärt sich der Gewinner

Der Verluste ist dramatisch: Bei der Parlamentswahl in Israel verlor das Regierungsbündnis von Ministerpräsident Netanjahu ein Viertel der Mandate. Für die Überraschung des Abends sorgte ein Anderer

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Mehrmals rief er seine Anhänger dazu auf, ihre Stimme abzugeben. "Lasst alles stehen und liegen und geht wählen!", war auf seiner Facebook-Seite schon am Dienstagnachmittag zu lesen. Als um 22.00 Uhr die Wahllokale schlossen und die drei Fernsehsender ihrer Wählerbefragungen veröffentlichten, wurden seine Befürchtungen bestätigt: Die gemeinsame Liste des Likud und der rechtsnationalen Partei "Unser Haus Israel" hat wohl dramatische Verluste hinzunehmen und kommt den Prognosen zufolge auf nur noch 31 Sitze.

Bisher stellten die beiden Parteien gemeinsam 42 Abgeordnete. Die Überraschung des Abends aber war die Zukunftspartei des ehemaligen Fernsehmoderators Jair Lapid: Mit 18 bis 19 Sitzen wird "Es gibt eine Zukunft" die zweitstärkste Kraft im Parlament.

Teilt man die zersplitterte israelische Parteienlandschaft in ein rechtes und ein linkes Lager ergibt sich nach den Prognosen fast ein Patt: Likud-Beitenu, die orthodoxen Parteien und die rechtsnationale Partei "Das jüdische Haus" hätten mit 61 Stimmen zwar eine Mehrheit in der 120 Abgeordneten zählenden Knesset, Netanjahu wäre aber von jeder der Koalitionsparteien erpressbar. Eine stabile Koalition sieht anders aus. Der vorhergesagte Rechtsruck ist aber ausgeblieben, tatsächlich wurde bei den Wahlen das Zentrumslager gestärkt.

Netanjahus Fortsetzung wahrscheinlichste Variante

Eine Regierungsbildung ohne Jair Lapids "Zukunftspartei" ist deshalb kaum denkbar. Der führend Likud-Politiker und Bildungsminister Gideon Saar geht davon aus, dass Netanjahu auch die nächste Regierung bilden werde und rief noch in der Wahlnacht "alle zionistischen Parteien" auf, sich einer solchen Regierung anzuschließen.

Tatsächlich ist eine Fortsetzung der Regierung Netanjahu wohl immer noch das wahrscheinlichste Szenario. Auch der Regierungschef selbst geht davon aus: Auf Facebook schrieb er wenige Minuten nach Bekanntgabe der ersten Prognosen, das Ergebnis zeige den Wunsch des israelischen Volkes nach einer Fortsetzung seiner Regierung. Er werde versuchen eine möglichst breite Koalition zu bilden. Gemeinsam könne man "große Dinge für Israel tun", rief er Jair Lapid zu.

Ohne politische Zugeständnisse aber wird die Regierungsbeteiligung der "Zukunftspartei" nicht zu haben sein. In den Koalitionsverhandlungen wird Lapid nun jene klaren politischen Prinzipien präsentieren müssen, vor denen er sich im Wahlkampf immer gedrückt hat.

Es wird auch von Lapid abhängen, ob die rechtsnationale Partei "Das jüdische Haus" ebenfalls auf die Regierungsbänke gelangt oder ob Netanjahu um Tzipi Livni und zumindest eine der beiden orthodoxen Parteien werben muss. Der erste Anruf Lapids nach Bekanntgabe der Prognosen soll Schelly Jechimowitsch gegolten haben: Er wollte sie zum Beitritt in Netanjahus Koalition überreden.

Zentrum-Links-Regierung nicht unmöglich

Es ist dann auch kaum mehr als eine theoretische Möglichkeit, dass der Sohn des verstorbenen ehemaligen Justizminister Tommy Lapid das Amt des Ministerpräsidenten selbst anstrebt. Itzchak Herzog von der Arbeitspartei wies am Wahlabend auf die guten Beziehungen seiner Partei mit Lapid hin und sagte, gemeinsam sei eine Zentrum-Links-Regierung nicht unmöglich.

Im günstigsten Fall müsste man dazu nicht nur Tzipi Livnis Bewegung mit ins Boot holen, die mit sieben Mandaten die Erwartungen nicht übertroffen hatte und wäre auf die Beteiligung der sieben Abgeordneten der linksliberalen Meretz-Partei angewiesen - Lapid müsste zudem um die sozialistische jüdisch-arabische Chadasch-Partei und die beiden arabischen Parteien werben.

Nur Itzchak Rabin hat bisher eine Regierung mit den Stimmen der arabischen Abgeordneten gebildet - zum Koalitionsbeitritt kam es auch damals nicht. Lapid hat die Idee selbst schon für "lächerlich" erklärt, zudem gibt es in Israel die ungeschriebene und nicht besonders demokratische Regel, dass wichtige Entscheidungen mit einer "jüdischen Mehrheit" getroffen werden muss - also ohne von den arabischen Stimmen abhängig zu sein.

Jair Lapid als Juniorpartner?

Auch der Koalitionsbeitritt der sefardisch-orthodoxen Schas-Partei könnte dem Vorsitzenden der Zukunftspartei eine Mehrheit verschafften: Der entschieden säkulare Lapid würde mit den unvermeidlichen Zugeständnissen an die Orthodoxen jedoch einen nicht unerheblichen Teil seiner Wähler verärgern.

Wenn alle Stimmen ausgezählt sind, ist es an Präsident Schimon Peres, nach Konsultationen mit allen Parteivorsitzenden zu entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Es spricht viel dafür, dass der nächste Ministerpräsident Israels wieder Benjamin Netanjahu heißen wird.

Jair Lapid könnte in der Regierung jene Rolle als Juniorpartner spielen, die bisher Außenminister Awigdor Liebermann zukam. Ob es der Zukunftspartei mit ihren fast 20 Mandaten gelingen wird, der Regierung ihren Stempel aufzudrücken und als Netanjahus mäßigendes Korrektiv zu wirken, wird dann der Lackmustest für den charmanten Medienmann.

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