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Saturday, January 12, 2013

Assault on Business Lizenzgebühren

Seit Januar zahlen Firmen Tausende Euro mehr für TV und Radio. Nun wollen sie dagegen vorgehen, die Drogeriekette Rossmann sogar bis vors Verfassungsgericht. Besonders eine Klage hat gute Chancen.

Dieser Aufschrei war zu erwarten: Seit dem Jahreswechsel gilt die Neuregelung des Rundfunkbeitrags – und jetzt protestieren Unternehmen und Verbände gegen die Mehrbelastungen von teilweise Hunderttausenden Euro pro Firma.

Dabei wurde der zugehörige Staatsvertrag schon im Dezember 2010 unterzeichnet. In Dutzenden Beiträgen hatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den vergangenen Monaten versucht, die neue Abgabe gegenüber ihren Hörern und Zuschauern zu rechtfertigen.

Wie gründlich dieses Informationsvorhaben sein Ziel verfehlte, wird jetzt deutlich: Die Anstalten geraten angesichts lauter öffentlicher Kritik insbesondere gegenüber der Generation Internet in die Defensive.

Für die meisten ändert sich nichts

Dabei dürfte sich für die überwiegende Mehrzahl der Haushalte in Deutschland nichts ändern: Der Beitrag von 17,98 Euro, der bisher für einen Fernseher fällig war, ist nun pro Wohnung zahlbar, unabhängig von tatsächlich vorhandenen Geräten.

Mit dieser Regelung wollen sich die Sender ihre Einnahmen vor dem Trend retten, dass speziell junge Singles häufig keine Fernseher mehr nutzen, sondern nur noch Videos auf ihren Laptops und Smartphones ansehen.

Doch genau diese Generation will nun nicht länger hinnehmen, dass sie für einen überbordenden öffentlich-rechtlichen Apparat mit Dutzenden Regionalprogrammen und Spartensendern zahlen soll. Dieser Apparat passt nicht zu ihrer Lebensrealität, Programme international via Online-Stream anzusehen, ganz ohne ARD.

Die Neuregelung, die aus Sicht der Sender dieses Dilemma ausräumen sollte, könnte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun zur fatalen Systemfrage geraten. Denn angesichts der aktuellen Diskussionen wird vielen Bürgern erneut gewahr, wie viel sie jeden Monat für die Sender zahlen müssen – selbst wenn sie deren Angebot nicht nutzen.

Unternehmen springen auf

Auch Unternehmen, die ab 2013 deutlich mehr für die Rundfunkfinanzierung zahlen müssen, nutzen den Stimmungsumschwung: "Erst wenn die Neuregelung auf dem Konto spürbar wird, werden alle wach", sagt Jürgen Benad, Geschäftsführer des Verbandes der Hotels und Gaststätten in Deutschland (DEHOGA).

Der Jurist sieht in der Neuregelung die willkommene Chance, einmal grundsätzlich zu klären, inwieweit Unternehmen überhaupt in der neuen Form für die Rundfunkfinanzierung herangezogen werden können: "Wenn alle Mitarbeiter bereits privat Rundfunkbeitrag leisten, warum müssen dann die Unternehmen noch einmal abhängig von der Zahl der Mitarbeiter zahlen? Und warum müssen die Unternehmen darüber hinaus nicht nur pro Fahrzeug, sondern auch pro Betriebsstätte noch einmal extra drauflegen – egal wie viele Mitarbeiter dort arbeiten, egal ob überhaupt Platz für ein Empfangsgerät ist?"

Diese Fragen wollen insbesondere Firmen, die viele Filialen oder viele Fahrzeuge nutzen, vor Gericht klären: Die Drogeriekette dm etwa zahlt ab 2013 rund 270 Prozent mehr Rundfunkbeitrag als 2012, Konkurrent Rossmann will notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen. Der Einzelhändler Rewe fürchtet gar eine Steigerung um 500 Prozent.

Spediteure sind verärgert

Ungehalten sind auch die Spediteure, die pro Fahrzeug zahlen müssen: "Beim Geldeintreiben sitzen ARD und ZDF immer in der ersten Reihe. Die Intransparenz, mit der öffentlich-rechtliche Sendeanstalten das Geld der Gebührenzahler ausgeben, ist unerträglich", sagt Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes.

Der Mittelständler hat 35 Fahrzeuge im täglichen Einsatz, sein Hannoveraner Unternehmen arbeitet in sechs Betriebsstätten. Bislang betrug die Rechnung an die GEZ etwa 1700 Euro. "Nach der Gebührenumstellung müssen wir zwei Drittel mehr bezahlen", sagt Krage.

Besonders hart trifft es die Autovermieter, die nun pro Fahrzeug zahlen: "Wir rechnen mit Mehrkosten im sechsstelligen Euro-Bereich", sagt eine Sprecherin des europäischen Marktführers Europcar. In Deutschland hat der Autovermieter eine Flotte von etwa 42.000 Fahrzeugen.

Konkurrent Sixt protestiert bereits seit 2010 gegen den Beitrag, fürchtet siebenstellige Mehrkosten und will ebenfalls klagen. Die Firma hat in einem Gutachten errechnen lassen, dass Deutschlands Unternehmen 2013 zusammen 950 Millionen Euro mehr Beitrag zahlen werden als im Vorjahr.

DIHK fordert Nachbesserungen

"Insbesondere die Einbeziehung von KfZ in die Beitragspflicht sowie der Betriebsstättenansatz führen zu zusätzlichen Einnahmen aus dem Bereich der Wirtschaft", klagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Viele Unternehmen hätten sich deswegen an ihre Landtagsabgeordneten gewandt.

"Dass die Länder nachdenklich geworden sind, zeigt die vorgesehene Evaluierung der Belastungen", sagt Wansleben. "Sollte es zu den erwarteten Mehreinnahmen kommen, müssen Nachbesserungen vorgenommen werden."

In dem Aufschrei der Verbände geht die Verteidigung der öffentlich-rechtlichen Sender beinahe unter. Dabei argumentiert die zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) zu Recht, dass die Sender nur das Geld ausgeben dürfen, dass sie ihnen zugebilligt hat.

Für den Zeitraum von 2013 bis 2016 diagnostizierte die KEF einen Bedarf von jährlich 8,67 Milliarden Euro. Die Einnahmen aus der alten GEZ-Gebühr reichten dafür nicht aus, der ungedeckte Finanzbedarf beträgt 304 Millionen Euro.

Kein Mechanismus für Beitragssenkung

Doch sollten die Mehreinnahmen durch den neuen Beitrag wesentlich höher ausfallen, gibt es bislang keinen Mechanismus, um den Beitrag schnell zu senken. Auch eine Rückzahlung ist im Gesetzestext nicht vorgesehen. Frühestens nach ihrer nächsten Begutachtung im März 2014, so die KEF, könnte der Beitrag sinken.

Bis dahin aber könnten die Gerichte schon entschieden haben. Insbesondere die Klage des Passauer Juristen Ermano Geuer vor dem bayerischen Verfassungsgericht hat Aussicht auf Erfolg: Geuer sieht den neuen Beitrag allzu nah an einer neuen Steuer – die aber dürften die Länder nicht ohne Weiteres und schon gar nicht zweckgebunden erheben.

Zwar argumentiert der zuständige Justiziar des SWR Hermann Eicher gegenüber der "Welt am Sonntag", der Beitrag sei eben keine Steuer. Doch seine Überzeugungsarbeit wird von den Intendanten unterminiert: "Der Beitrag finanziert so eine Art Infrastruktur. Vergleichen Sie es mit dem Kinderspielplatz. Auch die Menschen, die keine Kinder haben, müssen trotzdem im Rahmen der Solidarität für diese Infrastruktur mit zahlen", sagte die ARD-Vorsitzende Monika Piel Ende Dezember im WDR – und lieferte damit unfreiwillig die Definition einer Steuer.

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