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Tuesday, January 1, 2013

Schirrmacher Verleumdung boomerang


Frank Schirrmacher, Herausgeber der "FAZ", wirft der "Welt" eine Rufmordkampagne gegen die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz vor. Davon kann keine Rede sein. Eine Erwiderung

Es gibt im Augenblick zwei Debatten um den Suhrkamp Verlag. Die eine dreht sich um einen aktuellen Rechtsstreit: Die beiden Gesellschafter, die von Ulla Unseld-Berkéwicz geleitete Familienstiftung und die Hans Barlach gehörende Winterthur Holding, stehen sich gleich in mehreren Gerichtsverfahren unversöhnlich gegenüber. Die Lage ist dramatisch, die aktuelle Geschäftsführung unter Frau Unseld-Berkéwicz wurde (in erster Instanz) abberufen, es droht die Auflösung des Verlags. Dieser Konflikt hat großes Echo in den Feuilletons gefunden, die "Welt" hat in zahlreichen Artikeln berichtet und kommentiert.

Eine schwerwiegende Anschuldigung

Die andere Debatte dreht sich um die Frage, ob Ulla Unseld-Berkéwicz, die Witwe des Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld, die legitime Nachfolgerin ihres Mannes ist. Oder ob sie sich diese Position, die sie seit fast zehn Jahren einnimmt, lediglich angemaßt oder gar auf dubiose Weise erschlichen hat. Diese Debatte führt momentan allein die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Sie gipfelte in zwei Feuilletonaufmachern von Frank Schirrmacher, in dem der "FAZ"-Herausgeber der "Welt" und namentlich mir eine Rufmordkampagne gegen Ulla Unseld-Berkéwicz vorwirft. Eine schwerwiegende Anschuldigung, die durch nichts gedeckt ist
Es sei an folgendes Faktum erinnert: Die Zweifel an der "Legitimität" der Verlegerin jenseits des aktuellen Rechtsstreits wurden erstmals durch einen scharfen "FAZ"-Leitartikel des Geisteswissenschafts- und Sachbuch-Chefs Jürgen Kaube gestreut. "Wer Suhrkamp schadet" hieß der am 12. Dezember erschienene Text. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass vor allem die aktuelle Geschäftsführung und damit die Witwe Ulla Unseld-Berkéwicz dem Verlag schadet. Kaube bezeichnete sie als die "vorgeblichen Sachwalter der Suhrkamp-Kultur" und schrieb, dass Frau Unseld-Berkéwicz einst "von der Schauspielerei zum Schreiben gefunden hatte, ohne sich dadurch Aktionen hinter der Bühne und im theatralischen Fach zu entfremden". Die "FAZ"-Polemik, in der von "Selbsterhöhung" die Rede war, gipfelte in dem Satz: "Die Zeit, in der sich Unseld oder Suhrkamp spielen ließ, ist tatsächlich abgelaufen."

"Billig-Drama um Erbschleicherei"

Dies muss man ausführlich zitieren, weil Frank Schirrmacher diesen Ball kurz vor Weihnachten aufgriff – aber mit einer um 180 Grad gedrehten Position. Jetzt richtete er im "FAZ"-Feuilleton einen scharfen Angriff gegen einen langen, doppelseitigen Artikel von mir in der "Welt am Sonntag", in dem ich versucht habe, die verfahrene Situation im Gesellschafterstreit zusammenzufassen und als einzig realistisch erscheinenden Ausweg den Verzicht Frau Unseld-Berkéwiczs auf ihre Geschäftsführerposition nahezulegen.
Schirrmacher griff aber einen einzigen Satz heraus. Ich hatte in einem historischen Rückblick über Ulla Unseld-Berkéwicz geschrieben, dass sie als junge Schriftstellerin Anfang der Achtzigerjahre "den für weibliche Reize ohnehin anfälligen Unseld in ihren Bann geschlagen hatte". Schirrmacher las aus dieser Formulierung einen Angriff auf die "bürgerliche Ehre" der Verlegerin heraus. Er verstieg sich dazu, mir einen "moralischen Defekt" zu diagnostizieren, sprach von einem "Billig-Drama um Erbschleicherei". Durch ihre "Verkitschung" biete die Suhrkamp-Geschichte, so Schirrmacher ohne jeden weiteren Beleg aus meinem Artikel, "Stoff für viele ,sequels', in der die Illegitimität der Beziehung und des Anspruchs der Thronfolgerin, Verlagserbin oder Geschäftsführerin in Frage steht".

Was war Unselds erklärter Wille?

Was verletzt die Ehre von Frau Unseld-Berkéwicz, wenn man erwähnt, dass sie und Unseld ein Liebespaar waren? Es ist für Uneingeweihte vielleicht eine ganz hilfreiche Information, um zu verstehen, warum sie 1990 geheiratet haben. Und den "Anspruch" der Geschäftsführerin habe auch nicht ich, sondern hat ein Gerichtsurteil "in Frage gestellt". Von Erbschaftsangelegenheiten war in meinem Text auch nicht die Rede.
Während Schirrmacher Frau Unseld-Berkéwicz gegen einen Angriff auf ihre "Ehre" verteidigte, der gar nicht stattgefunden hatte – jedenfalls nicht in der "Welt" –, stellte er zugleich die Behauptung auf, es sei Unselds erklärter Wille gewesen, dass seine Frau den Verlag nach seinem Tod führt. Das rief nun Unselds Sohn Joachim auf den Plan. Er schrieb in einem offenen Brief, Schirrmachers Darstellung verdrehe die Tatsachen: Sein Vater habe vielmehr Günter Berg als verlegerischen Geschäftsführer vorgesehen. Dieser Brief lag vor seiner Veröffentlichung als Leserbrief in der "FAZ" – unter anderem – der "Welt" vor. Ich habe in einem Kommentar die Darstellung des Sohnes zitiert, wonach Siegfried Unseld seine Frau nicht selbst "zur Geschäftsführerin der Holding bestellt" habe.

Von Rufschädigung kann keine Rede sein

Wie sich herausstellte, war Joachim Unselds Formulierung leider nicht korrekt. Tatsächlich hatte Unseld seine Frau bereits zu Lebzeiten neben ihm zur Geschäftsführerin der "Verlagsleitung GmbH", der den Verlagen Suhrkamp und Insel übergeordneten "Holding", gemacht – nicht zu verwechseln mit der Position einer "verlegerischen Geschäftsführerin", die sie erst seit Oktober 2003 zusätzlich bekleidet. Insofern habe ich eine falsche Darstellung Joachim Unselds wiedergegeben, an dessen Erinnerung ich aber keinen Anlass zu zweifeln hatte: Schließlich war er damals selbst im Beirat der Holding.
Am Tag nach Weihnachten, am 27. Dezember, erschien in der "FAZ" ein weiterer Aufmacher Frank Schirrmachers, in dem aber nun nicht einfach nur dieser (und ein weiterer) Fehler Unselds korrigiert wird. Mir wird darin unterstellt, mit bewussten Fehlinformationen und Insinuationen, mit dem Streuen von "Gift" eine "Rufschädigung" Ulla Unseld-Berkéwiczs zu betreiben, eine "Hexenjagd".
Solche Formulierungen sprengen den Rahmen einer polemischen Debatte unter Feuilletonisten. Es ist ein nicht anders als böswillig zu nennender Angriff auf meine journalistische Seriosität. Von einer Rufmordkampagne meinerseits kann keine Rede sein, wenn man die bisher in der "Welt" und der "Welt am Sonntag" zum Thema erschienenen Artikel liest (sie sind in der linken Spalte und in diesem Text verlinkt). Die "Legitimität" von Frau Unseld-Berkéwicz als Erbin Siegfried Unselds oder ihre "bürgerliche Ehre" wird darin an keiner Stelle angezweifelt. Ich habe mehrfach ausdrücklich betont, dass der Verlag unter ihrer Leitung ein hervorragendes Programm macht.

Ulla Unseld-Berkéwicz ist die rechtmäßige Verlegerin

Allerdings habe ich den Fokus auch auf wirtschaftliche Probleme des Verlags gerichtet und – übrigens nur als Replik auf Schirrmachers Deutung der Verlagsgeschichte – daran erinnert, dass eben Günter Berg von Siegfried Unseld als verlegerischer Geschäftsführer und "Verlagsleiter" eingesetzt wurde. Dem widerspricht keineswegs, dass Unseld seiner Frau eine herausgehobene Position und das "letzte Wort" sichern wollte. Daran kann auch gar kein Zweifel bestehen, denn deswegen hat er sie zur Vorsitzenden der Familienstiftung, also de facto zur Mehrheitsgesellschafterin, und eben zur Geschäftsführerin der Holding gemacht. Wie ich ausdrücklich geschrieben habe, ist Frau Unseld-Berkéwicz "rechtmäßig" Verlegerin.
Mit dieser mir unterstellten "Taktik der Delegitimierung" würde ich, so Schirrmacher weiter, als "williger Helfer" in einer "psychologischen Kriegsführung" Hans Barlachs agieren. Tatsächlich habe ich Barlach im aktuellen Streit mehrfach Recht gegeben (wie allerdings auch das Landgericht Berlin). Die Verteidigung Suhrkamps hat mich in diesem Punkt nicht überzeugt; die üble Diffamierung und sogar Dämonisierung Barlachs ("Unhold", "Satan") durch verschiedene Suhrkamp-Autoren ist dagegen wirklich abstoßend. Wie Thomas Steinfeld in der "SZ" zu Recht bemerkt hat, ließe sich mit "Barlach-Beschimpfungen" mittlerweile leicht eine Anthologie zusammenstellen.

Wer also ist hier parteiisch?

Allerdings habe ich keineswegs, und schon gar nicht die "Welt" insgesamt, eindeutig für Barlach Partei ergriffen, im Gegenteil. In jenem langen, von Schirrmacher zunächst attackierten Artikel wurde ausführlich und mit bislang wenig bekannten Fakten über Barlachs fragwürdiges Agieren in seiner Zeit als Medieninvestor berichtet. Wörtlich schreibe ich: "Barlach mag ein Wichtigtuer sein, ein Kapitalist, ein starrköpfiger, gar von Hass getriebener Mensch. Das alles spielt aber vor Gericht keine Rolle." Dass ich mich als "williger Helfer" Barlachs verdingen würde, muss ich, von der geschmacklosen Formulierung einmal ganz abgesehen, entschieden zurückweisen.
Joachim Unseld in dieser Frage als Quelle zu zitieren, was mir ebenfalls zum Vorwurf gemacht wird, ist ganz und gar unanstößig. Am aktuellen Rechtsstreit ist der Sohn und frühere Gesellschafter nicht beteiligt, und in historischen Fragen ist er nicht mehr und nicht weniger "Partei" als Ulla Unseld-Berkéwicz, deren Sache Schirrmacher zu seiner gemacht hat. Der "FAZ"-Herausgeber schreibt ausdrücklich, dass er einst, auf Bitten Unselds hin, persönlich auf Ulla Unseld-Berkéwicz eingewirkt habe, damit sie für Suhrkamp "Verantwortung" übernehme. Wer also ist hier parteiisch?
Frank Schirrmacher sieht die "Mechanik einer Rufschädigung" am Werk. Ausgerechnet eine solche versucht er mit seinen Artikeln nun in Gang zu setzen. Dummerweise fällt das auf ihn selbst zurück

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