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Monday, August 12, 2013

Indien geben Sie den elitären Club der Seestreitkräfte auf

Indien gewinnt den Rüstungswettlauf gegen China, lässt den ersten selbst gebauten Flugzeugträger vom Stapel und beweist Seemacht-Status. Peking betrachtet das mit Argwohn.


Man möge sich diesen Tag doch bitte rot im Kalender vermerken, denn dies sei ein großer Tag für die gesamte indische Nation, sagte ein sichtlich von nationaler oder auch eigener Größe überwältigter und stolzer A. K. Antony. Dem indischen Verteidigungsminister gebührte die Ehre, Indiens Eintritt in den elitären Club der Nationen zu verkünden, die sich Besitzer eines eigenen Flugzeugträgers nennen dürfen. Mehr noch: Besitzer eines Flugzeugträgers, den sie selbst geplant und gebaut hat.
"Mutig" ist sein Name: "INC Vikrant". 37.500 Tonnen, bestückt mit Mig-29K-Jets, leichten Kampfflugzeugen und Kamov-31 Hubschraubern sowie einer Vielzahl komplexer Waffensysteme. Antonys Ehefrau Elizabeth taufte den Koloss nun nach ziemlich genau viereinhalb Jahren Bauzeit in der Werft von Kochi im südlichen Bundesstaat Kerala.
Es sei ein "stolzer Moment für das Land, das nun selbstständig und autark" Kriegsschiffe bauen könne, sagte der Minister. Indien sei einen wichtigen Schritt auf seiner langen Reise des Schiffbaus vorangekommen. "Wir haben die Fähigkeit und die Technologie, uns mit den Besten in der Welt zu messen."

Erste Liga des Schiffbaus


Damit hat Antony wohl recht, denn Indien zählt nun zur ersten Liga von Schiffbaunationen wie USA, Großbritannien, Russland und Frankreich, die Flugzeugträger bauen können und in ihrer Flotte führt. Selbst der große asiatische Rivale China ist so weit noch nicht fortgeschritten. Zwar unterhält auch die chinesische Marine einen Flugzeugträger, doch der ist ein "Erbstück" aus Russland. An einem Eigenbau wird emsig geforscht und gearbeitet, aber dazu wird es wenn weit nach den Indern kommen.
Trotz aller Vorschusslorbeeren für den 260 Meter langen und 60 Meter breiten Stahlriesen mahnte der Minister zur Eile: Alle an dem Prestigeprojekt Beteiligten – Produzenten, Zulieferer und Aktionäre – sollten nun vereint darauf hinwirken, dass der Träger termingerecht ausgeliefert werden könne. Das Schiff muss noch ausgestattet werden und umfangreiche Tests bestehen, bis die indische Marine den "Mutigen" Ende 2018 in die Weltmeere entlassen kann. Schon jetzt hängen die Konstrukteure dem vorgegebenen Zeitplan drei Jahre hinterher – aus Mangel an Koordination, wie der Minister monierte.
Keine Frage: Die Inder wollen ihr rasch wachsendes geostrategisches und wirtschaftliches Gewicht auf die Weltmeere ausdehnen. "Die offenen Meere erobern" heißt die Devise, umgerechnet 4,2 Milliarden Euro hat die Regierung für dieses ambitionierte Vorhaben im aktuellen Jahresbudget eingestellt. Indiens Stärke ist nach wie vor die Landstreitmacht, die im Kampf mit China um die Hegemonie sowie im Grenzstreit mit Pakistan auch wichtiger bleiben wird als die Seestreitkräfte.

Maritime Großprojekte


Aber Indien fährt zunehmend zweigleisig und achtet darauf, auch zu Wasser seine Interessen im Indischen Ozean und die Handelsrouten rund um den Subkontinent zu sichern. Erst am vergangenen Samstag nahm die indische Marine den Reaktor seines ersten selbst entworfenen und gebauten Atom-U-Boots in Betrieb.
Der 1982 in der Sowjetunion vom Stapel gelaufene und grundsanierte Träger "Admiral Gorschkow", der fortan "Vikramaditya" heißen und nach den Wünschen der Inder umgebaut wird, soll die indischen Seestreitkräfte noch in diesem Jahr ergänzen. Mittel- bis langfristig plane Indien mit drei Trägern, sagt Ex-Generalmajor Ramesh Chopra: "Einen im Osten, einen im Westen und einen in den Docks." 

In Chaos Bahn viele der Schuld - der Client

Wer einfache Antworten auf das Mainz-Debakel hat, unterschätzt das Problem. Die Bahn hat zu viel gespart. Weil die Politik es wollte. Und der Kunde nicht bereit ist, für mehr Leistung mehr zu zahlen.

Mainz und Umgebung sind phasenweise vom Schienenverkehr der Deutschen Bahn abgeklemmt: Das klingt nach Subsahara-Afrika. Mit dem Selbstbild der Deutschen jedenfalls, unter den Nationen der Welt durch Effizienz und Verlässlichkeit herauszuragen, lassen sich diese Zustände nicht vereinbaren.
Bei allem verständlichen Ärger über die Bahn sollte die Diskussion aber auch die Komplexität des Problems widerspiegeln. Richtig ist: Wer direkt betroffen ist, wird Bahn-Aufsichtsrat Patrick Döring (FDP) verstehen, der die auf den Standort Mainz spezialisierten Fahrdienstleiter aus dem Urlaub bugsieren will.
Solch ein Ansinnen schlicht als "unsozial" zurückzuweisen, wie es die Gewerkschaft EVG tut, sollte den Begriff "sozial" dringend mal wieder im Wörterbuch nachschlagen. Richtig ist aber auch, dass die Bahn über Jahre zu wenige Fahrdienstleiter ausgebildet hat und die, die sie beschäftigt, medioker bezahlt.
Von einem Mitarbeiter, der selbst im Schichtdienst vielleicht 2500 Euro brutto im Monat verdient, wird der Arbeitgeber nicht dasselbe erwarten dürfen wie von einem Manager, der das Fünf- oder Zehnfache erhält.

Die alte Bahn war verlässlicher, aber unbezahlbar


Richtig ist: Die Bahn hat auf das sich anbahnende Chaos nicht wie ein moderner Dienstleister reagiert, sondern im Stile eines Liegenschaftsamtes; richtig ist zudem, dass sich die Bahn in den Nullerjahren, einen Börsengang vor Augen, kleingespart hat – was die aktuellen Probleme mit verursacht hat.
Richtig ist aber auch, dass die alte Bundesbahn in vielem zwar verlässlicher war, doch am Ende auch unbezahlbar; und dass es nicht die Bahn selbst war, die entschieden hat, halb Fisch (Bundesbehörde) und halb Fleisch (normales Unternehmen) zu sein.
Das war die Politik – unterstützt von einer Bevölkerungsmehrheit, die einerseits störungsfreien Pendel- und Reiseverkehr als Grundrecht betrachtet, die aber andererseits nur wenig dafür bezahlen will. Beides passt nur bedingt zusammen. Die Mainzer merken das gerade.

Friday, August 9, 2013

Brasiliens reichster Mann verliert fast alles

Er war der vermögendste Mann Brasiliens und wollte der reichste der Welt werden. Nun hat Eike Batista innerhalb eines Jahres 99 Prozent seines Vermögens verloren – die Geschichte eines tiefen Falls

Das Leben meinte es gut mit Eike Batista. Als Sohn eines Minen- und Energieministers und späteren Präsidenten des verstaatlichten Minenkonzerns Vale zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur standen ihm von Anfang an viele Türen offen. Batista nutzte seine Chance und baute ein Imperium auf. Seine Firmen machten gute Geschäfte mit Öl und Gas – waren aber auch erfolgreich in der Hotel- und Unterhaltungsbranche.
Das Resultat: Batista avancierte zum reichsten Mann Brasiliens. Der 56-Jährige war laut "Economist" selbst davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis er Carlos Slim als reichsten Mann der Welt ablösen sollte.
Mit seinem Ehrgeiz hat sich Batista jedoch übernommen: Im März 2012 laut Bloomberg noch satte 34,5 Milliarden Dollar schwer, begann in der Folge sein rasanter Abstieg.

Aktionäre und Geldgeber immer nervöser


Als sich die Euphorie um die wirtschaftliche Perspektive Brasiliens letztes Jahr zu legen begann, wurde es für Batista immer schwieriger, Investoren davon zu überzeugen, weiter Geld in seine Firmen zu investieren – erst recht nach den in diesem Frühling ausgebrochenen Unruhen und Demonstrationen auf den Straßen des Landes.
Aktionäre und Geldgeber wurden immer nervöser und zogen Kapital aus seinen Firmen ab – Batistas Vermögen schmolz dahin.
 
Der finanzielle Druck auf Batistas Holding EBX stieg, er brauchte dringend frisches Geld. Batista habe versucht, Anteile seiner Eisenerz-, Kohle- und Goldminenkonzernen zu verkaufen, berichten mit Batistas Holding EBX in Verbindung stehende Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Wenig Umsatz, kaum Gewinn


Ein großes Problem bei vielen Projekten von Batistas Firmen war, dass sie sich noch in einem frühen Stadium befanden und nur wenig Umsatz und praktisch keinen Gewinn generierten. Laut "Economist" verstärkte dies zunehmend seine Abhängigkeit von neuen Kapitalspritzen.
Seine Firmen wurden an der Börse extrem hoch bewertet, obwohl sie kaum damit angefangen hatten, effektiv an den Großprojekten zu arbeiten. Extrem belastend für seine Unternehmen kam die rapide Abkühlung der zuvor brummenden brasilianischen Wirtschaft hinzu: Das Wachstum ging von 7,5 Prozent im Jahr 2010 auf ein Prozent im vergangenen Jahr zurück.
Der tiefe Fall kam mit verpassten Produktionszielen der für die EBX-Gruppe wichtigen Tochter OGX, der Öl- und Gasfirma des Konzerns. Diese war 2008 mit 4,1 Milliarden Dollar der größte Börsengang in der Geschichte Brasiliens.
Um von den riesigen Erdölvorkommen vor der brasilianischen Küste zu profitieren, standen die Investoren ursprünglich Schlange. Wollten sie ihr Geld nicht bei der vom Staat kontrollierten Petrobas anlegen, blieb ihnen nur die Alternative namens OGX. Das Unternehmen konnte jedoch nicht wie versprochen liefern – und verfehlte im vergangenen Jahr die Prognosen bei Weitem. Die Folgen: verlorene Glaubwürdigkeit und ein Kurseinbruch der Aktie um 90 Prozent.

Retten, was zu retten ist


Batista versuchte in der Folge verzweifelt, Aktien seiner funktionierenden Firmen wie MPX (Energieerzeugung) und MMX (Minen) zu verkaufen, um die finanziellen Löcher zu stopfen und so sein Firmenimperium zusammenzuhalten. Gelungen ist ihm dies nicht – im Gegenteil.
Der nächste Tiefschlag folgte: Ein großer Investmentfonds aus Abu Dabi, Mubadala Development, zog sein Geld aus Batistas Holding EBX ab. Batistas Imperium schuldet dem Fonds laut Bloomberg nun 1,5 Milliarden Dollar.
Inzwischen ist Batistas Vermögen komplett weggeschmolzen – laut dem "Bloomberg Milliardärs-Index" steht es aktuell noch bei 200 Millionen Dollar. Ein bescheidener Wert, wenn man die ganze Geschichte kennt.

Japan Defizit erreicht unglaubliche Dimensionen

Eine Billiarde Yen, das sind 7,8 Billionen Euro. Kein Land der Welt ist so stark verschuldet wie Japan. Und niemand traut dem Land ernsthaft zu, aus dieser Billiardenfalle je wieder herauszukommen

Japans Finanzministerium muss bald Astronomen einstellen. Denn für Ökonomen sind die Schulden-Dimensionen des Landes kaum mehr greifbar. Japans Schulden sind auf das astronomische Niveau von einer Billiarde Yen angestiegen.
Das ist eine Eins mit 15 Nullen. Wie Nippons Finanzministerium mitteilte lag die Verschuldung Ende Juni exakt bei 1.008.628.100.000.000 Yen. In Euro umgerechnet sind das mehr als 7,8 Billionen Euro.
Die absolute Zahl ist ein Hingucker, aber auch in Relation zur Wirtschaftskraft bricht das Land der aufgehenden Sonne in neue Dimensionen auf. Es hat zweieinhalb Mal so viel Schulden aufgehäuft wie das Land jährlich erwirtschaftet. Alle Japaner müssten zweieinhalb Jahre allein für den Abbau der Verbindlichkeiten arbeiten.
Mit einer Schuldenquote von rund 240 Prozent ist Japan unangefochtener Spitzenreiter im weltweiten Ranking. Nach einer Übersicht der Ratingagentur Fitch ist kein Land der Welt so stark verschuldet.
Selbst Griechenland sieht mit einer Schuldenquote von 176 Prozent solide aus. Die 240 Prozent dürften noch nicht der Schuldengipfel gewesen sein. Allein in diesem Jahr dürfte das Haushaltsdefizit rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.

Eine außergewöhnliche Situation


Japans Situation ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Nicht einmal im Zweiten Weltkrieg gerieten die Staatsfinanzen derart aus dem Ruder wie heute. Nach 1945 konnte sich das Land über eine Hyperinflation weitgehend seiner Verbindlichkeiten entledigen. Doch seither wächst der Schuldenberg stetig an.
 

Seit dem Platzen der Immobilienblase zu Beginn der 1990er-Jahre beschleunigt sich der Trend in besorgniserregendem Tempo. Seither jagt ein teures Konjunkturprogramm das nächste und die Einnahmen wollen einfach nicht steigen. Das liegt auch an der Abneigung der Japaner gegenüber jeglicher Art von Steuererhöhungen.
Auch jetzt wieder zögert Ministerpräsident Shinzo Abe, die Mehrwertsteuer wie angekündigt im kommenden Jahr von fünf auf acht Prozent anzuheben. Eigentlich sollte die Konsumsteuer, die in Deutschland bei 19 Prozent liegt, 2015 sogar auf zehn Prozent angehoben werden.
Bei vielen Akteuren an den Finanzmärkten wird Japan als das nächste Griechenland gehandelt. Niemand traut dem Land ernsthaft zu, aus der Billiardenfalle herauszukommen. Beim aktuellen Schuldenstand bräuchten die Spekulanten die Zinsen nur wenig nach oben zu treiben, um Nippon in Bedrängnis zu bringen.

Wenn die Zinsen steigen


Jeder Prozentpunkt, den der Finanzminister mehr zahlen müsste, würde den Staatshaushalt mit umgerechnet 80 Milliarden Euro Mehrkosten belasten. Und tatsächlich pumpt sich Japan das Geld vor allem an den Finanzmärkten. Das Finanzministerium hat sich vorwiegend über kurz- und langlaufende Anleihen finanziert.
Doch 95 Prozent der Schuldscheine liegen bei inländischen Sparern. Das erklärt auch, warum das Land trotz der Rekordschulden nur einen lächerlichen Zinssatz von durchschnittlich 1,26 Prozent zu zahlen hat. Allerdings leidet das Land unter einer alternden Bevölkerung. Sollten die Japaner ihre Gelder für den eigenen Lebensabend abziehen, könnte es eng werden.
"Japan wird irgendwann auf ausländisches Kapital angewiesen sein. Und dann wird die Schuldenbombe hochgehen", sagt Carl Weinberg, Chefökonom beim Analysehaus High Frequency Economics. Er hält es für problematisch, dass das Land keine Handelsbilanzüberschüsse mehr erwirtschaften würde.

Warnungen von IWF und OECD


Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) warnen Tokio, endlich die Wende einzuleiten. "Die Schuldendynamik zu stoppen und umzukehren ist kriegsentscheidend", heißt es bei der OECD. Ganz ähnlich klingt das beim IWF: "Japan muss beim Schuldenabbau ambitionierter werden und endlich auch Strukturreformen einleiten", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde.
Doch Regierungschef Abe setzt erst einmal auf Schuldenmachen und auf die Notenpresse gesetzt. Als Teil seines Wirtschaftsplans, der unter dem Namen Abenomics fungiert, hat er einen neuen Zentralbankgouverneur installiert, der Billionen Yen in die Märkte pumpt. Die Bank von Japan kauft Staatsanleihen und hält so die Zinsen weiter niedrig. Gleichzeitig gibt Abe große Summen für Infrastrukturprojekte aus.
Ob der dritte Teil seiner Abenomics, die Strukturreformen, jemals in die Tat umgesetzt werden, bezweifeln viele Experten. Schließlich sind die Japaner nicht nur höheren Steuern gegenüber abgeneigt. Sie akzeptieren auch keine Einwanderung, die das Land dringend bräuchte, um mit seinen demografischen Problemen endlich fertig zu werden.
Und so wird das Land wohl eher Astronomen einstellen, die mit hohen Schuldenzahlen arbeiten können, als Ökonomen, die mit stringenten Reformprogrammen zu arbeiten gewohnt sind
 
 

Da die Snowden Obama plant beschleunigte Reform

Viele Amerikaner halten den Whistleblower Edward Snowden für einen Hochverräter. Präsident Obama scheint aber zu verstehen, was Snowden antreibt. Ohne ihn hätte sein Reformprozess noch nicht begonnen

Ohne Angela Merkel oder Deutschland zu nennen, hat sich Barack Obama vor befreundeten Kritikern der Datenspäh-Affäre verneigt. Es dürfe den USA nicht gleichgültig sein, wie die NSA und ihr Vorgehen in Übersee gesehen würden, sagte der US-Präsident bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington. Seine Vier-Punkte-Reform, die mehr Transparenz und Kontrolle über die "National Security Agency" schaffen will, sieht auch Empfehlungen durch ein Expertengremium von "Außenseitern" vor. Es wäre gut, wenn sie auch auf das alliierte Ausland hören wollten. Denn wie Obama sagte: "Nicht nur, was wir tun, hebt uns hervor, sondern wie wir es tun."
Ausdrücklich nahm er "einige der lautesten Kritiker" der USA aus (sicher war China gemeint, mutmaßlich Russland, Kuba und einige lateinamerikanische Staaten), die nicht die amerikanische "Zurückhaltung" gegenüber regierungskritischen Bürgern zeigten: "Sie werfen Leute ins Gefängnis für das, was sie online schreiben."
Neben der Verbeugung vor kritischen Freunden, die er gleichwohl daran erinnerte, dass die NSA zum Schutz ihrer Staaten vor Terrorangriffen handele, bemühte sich der Präsident, die Enttäuschung seiner linksliberalen Wähler zu mildern. Er gab zu, dass er als Senator selbst "gesunde Skepsis" gegen einige der staatlichen Späh-Programme gezeigt habe.
 
Vielleicht sei sein Irrtum gewesen, fuhr Obama erstaunlich selbstkritisch fort, zu meinen, dass die Aufsicht und Kontrolle ("checks and balances") durch den Kongress und das FISC-Geheimgericht ("Forein Intelligence Surveillance Court") für jeden ersichtlich ausreichten, um den Anschein von Missbrauch zu verhindern: "Und nur um den Anschein geht es hier." Wäre er nicht in einem Staatsamt, gab er mit Blick auf misstrauische Jungwähler ein, würde er dieser Aufsicht vielleicht auch nicht trauen.

"Ich glaube nicht, dass Snowden ein Patriot war"


Obamas zweiter Reform-Punkt befasst sich ausdrücklich damit, dem FISC-Gericht mehr deutliche Gegenstimmen zu verordnen, die gegen die Argumente der Regierung für eine Ausspähung gehört würden. Was immer von diesem Reformpaket umgesetzt wird – für eine Änderung des "Patriot Act", die nach dem 11. September 2001 neu geschaffene Grundlage für staatliche Spähangriffe, benötigt der Präsident die Zustimmung des Kongresses. Sollte die sich im Repräsentantenhaus, wo die republikanische Mehrheit wenig Neigung zur Zusammenarbeit zeigt, nicht finden lassen, kann Barack Obama die blockierte Reform der Opposition anlasten.
Seine Zustimmungsrate ist im Durchschnitt der wichtigsten Umfragen auf 44 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit zwei Jahren. "Ich glaube nicht, dass Mister (Edward) Snowden ein Patriot war", sagte Obama, und kann sich in den USA der Zustimmung der überwiegenden Mehrheit sicher sein. Doch selbst gegenüber dem Mann, den viele Amerikaner für einen Hochverräter halten und ihn in die tiefste Hölle wünschen, machte der Präsident ein Zugeständnis.

Obama scheint zu begreifen, was Snowden antreibt


Zwar habe er eine Überarbeitung der Späh-Praktiken der NSA angeordnet, noch bevor die Lecks Snowdens sie enthüllten. Und er hätte es vorgezogen, einen ordentlichen, gründlichen (nicht öffentlichen) Weg zur Reform zu beschreiten. Doch gestand Obama ein, dass ohne Snowden und seine Wirkung im Ausland der Reformprozess von NSA und FISC noch lange nicht in Gang käme. "Als der allgemeine Eindruck in der Welt entstand, wir würden einfach irgendwelche Informationen absaugen und damit machen, was wir wollen", habe seine Regierung handeln müssen.
Mit anderen Worten: Edward Snowden, Patriot oder nicht, Landesverräter oder Held, erzwang genau, was er erzwingen wollte. Der Präsident sprach: "Wie andere Leute soll er herkommen, mit einem Anwalt vor Gericht gehen und für sich einstehen." Doch der frühere Sozialarbeiter und Verfassungsrechtler Barack Obama scheint durchaus zu begreifen, was Snowden antreibt.

Saturday, August 3, 2013

Für den Erfolg in einer Karriere ohne Uni

Jahrelang zog es Abiturienten nur an die Universität – deswegen fehlen jetzt tausende ausgebildete Fachkräfte. Wirtschaftsvertreter fordern ein Umdenken – und werben für die Berufsausbildung

Marjon Hopman braucht Leute, die anpacken – doch sie findet keine. Vor zehn Jahren hat sie das 200-jährige Herrenhaus Schloss Basthorst bei Schwerin mit ihrem Mann ersteigert und dann zu einem Hotel mit Golfplatz und Wellnesslandschaft umgebaut.
19 Zimmer und Suiten beherbergt es, ein Restaurant sowie zwei Bars. Das Geschäft läuft gut. Doch Hopmans Personaldecke ist löchrig. Genau sieben Fachkräfte fehlen ihr, für das Restaurant, die Zimmer, die Küche, den Rezeptionsbereich.
Hopman bemüht sich um Nachwuchs: Sie geht in Schulen und wirbt für ihr Hotel, bietet Praktika an, hat ein Lehrlingswohnheim gebaut und Bonusprogramme eingeführt. "Ich finde trotzdem nicht genügend Mitarbeiter", sagt sie.
Nicht nur die Hochqualifizierten werden in Deutschland knapp, sondern auch und vor allem die Fachkräfte mit einem beruflichen Abschluss. Bei Kellnern, Klempnern oder Pflegekräften ist der Engpass größer als bei studierten Vermessungstechnikern, Ärzten oder Mechatronikern

Ganze 119 so genannte Engpassberufe, bei denen die Zahl der Stellenangebote die gemeldete Zahl der Arbeitslosen im Juni übersteigt, hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für die "Welt am Sonntag" definiert. Die "Fachkraft Gastronomieservice", die Hopman sucht, ist auch dabei.

Studium nur für jeden fünften Engpassberuf


Mehr als drei Viertel der Engpassberufe werden von Fachkräften ohne Studium ausgeübt, ergibt die "Engpassanalyse". Davon sind 55 Prozent Berufe, zu denen eine berufliche Ausbildung allein befähigt, 23 Prozent sind sogenannte Spezialistenberufe, die neben der Ausbildung auch Fortbildungen voraussetzen.
Einen Hochschulabschluss braucht man dagegen nur für jeden fünften der Engpassberufe. Die Arbeitgeber kennen das Problem: "Fachkräfteengpässe zeigen sich mehr und mehr auch bei beruflich Qualifizierten.
Vier von zehn Unternehmen, die Stellenbesetzungsprobleme haben, suchen derzeit ohne Erfolg dual ausgebildete Fachkräfte", sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Gerade in technischen Berufen und im Gesundheitswesen hätten bereits heute viele Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, hält die Lage in vielen Branchen und Berufen bereits für "dramatisch" – im Zuge der demografischen Entwicklung werde sie sich noch verschärfen.
Denn wenn es insgesamt weniger Jugendliche gibt, werden die Azubi-Zahlen wohl kaum steigen. "Das hat vor allem mit dem Imageverlust vieler dieser Berufe zu tun", sagt Esser.

Duale Ausbildung immer weniger beliebt


Dass die derzeit im Ausland so viel gelobte duale Ausbildung in Deutschland eine so geringe Anziehungskraft ausübt, ist eine Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten begonnen hat. Seit den 50er-Jahren habe sich die Mittelschicht stetig vergrößert, immer mehr Eltern wollten, dass ihre Kinder Abitur machen und studieren, sagt Friedhelm Pfeiffer, Bildungsexperte vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
"Wenn der Wohlstand steigt, wollen die Eltern mehr Bildung für ihre Kinder." Diese Bildungsexpansion hat sich in der vergangenen Dekade fortgesetzt: Im Jahr 2000 erwarben 37 Prozent der Schulabgänger die Hochschulreife. Heute sind es 50 Prozent. Der Anteil der Schüler, die ein Gymnasium besuchen, statt früh eine Lehre zu beginnen, ist rapide gestiegen.
Zur dualen Ausbildung nach dem Abitur wird den Schulabgängern selten geraten: Die Berufsberatung der Gymnasiallehrer sei vor allem auf akademische Karrieren ausgerichtet und lotse die Abiturienten an die Universitäten, sagt BIBB-Präsident Esser: "Es gibt keine gleichberechtigte Orientierung von Studium und beruflicher Ausbildung."

OECD macht Druck


Dabei spielte auch internationaler Druck eine Rolle: Immer wieder hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert, dass es in Deutschland zu wenige Hochschulabsolventen gibt. Wirtschaftsvertreter wie Handwerkspräsident Otto Kentzler regen sich darüber auf: "Wir brauchen beides, berufliche und akademische Bildung. Abi und Studium werden jedoch blind gepusht", kritisiert er.
Doch die Entscheidung, zu studieren, ist nicht irrational: Ein Hochschulabschluss gleicht einer Beschäftigungsgarantie. Eine repräsentative Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung (HIS) in Hannover des Prüfungsjahrgangs 2000/2001 ergab, dass nur ein Prozent der Absolventen zehn Jahre nach dem Examen arbeitslos war.
Und die Verdienstmöglichkeiten der Akademiker sind im Durchschnitt wesentlich besser. Vor allem in der Dienstleistungs- und Gesundheitsbranche schrecken niedrige Löhne Azubis ab.
Auch deshalb werden zwischen 2010 und 2030 nur sieben Millionen Menschen in die mittlere Qualifikationsebene des Arbeitsmarkts eintreten, während 11,5 Millionen ausscheiden, wie das BIBB gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet hat.

Wirtschaftsvertreter fordern Umkehr


Bei den Akademikern prognostizieren sie dagegen unterm Strich ein Plus: 3,2 Millionen gehen in den Ruhestand, 4,9 Millionen Menschen mit Universitätsabschluss kommen neu hinzu. Die Institute gehen davon aus, dass der Bedarf an Fachkräften mit speziellen beruflichen Qualifikationen höher als das Angebot bleibt.
Angesichts dieser düsteren Perspektive fordern Wirtschaftsvertreter nun eine Umkehr von der einseitigen Werbung für die akademische Karriere. "Viele Schulabgänger treffen Entscheidungen für den weiteren Lebensweg, ohne die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten zu kennen", sagt DIHK-Vize Dercks. "Dadurch gehen auch solche Schulabgänger beispielsweise zur Uni, die in einem dualen Beruf bessere Karrierechancen hätten."
Unterstützung bekommen die Wirtschaftsvertreter inzwischen auch von der OECD: Am deutschen Arbeitsmarkt hätten berufliche Qualifikationen einen "ebenso hohen Stellenwert wie andere Bildungsabschlüsse", heißt es im jüngsten OECD-Bildungsreport.
Wer sich spezialisiere und fortbilde, der könne auch mit einer beruflichen Qualifikation gut verdienen, argumentiert das BIBB. Zwar verdienen Akademiker im Durchschnitt rund 160 Prozent des Einkommens von Beschäftigten mit Berufsausbildung – doch diese Lücke könne durch eine Fortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt "deutlich reduziert werden".

Beim Verdienst können Fachleute aufholen


So verdienten Männer mit Abitur, Berufsausbildung und Fortbildungsabschluss rund 130 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aller männlicher Erwerbstätigen mit Berufsausbildung, ergab eine Befragung des BIBB.
Marjon Hopman auf Schloss Basthorst versucht, Mitarbeiter mit Aufstiegsperspektiven zu locken. Die Bezahlung ist in der Gastronomie nicht üppig – ein Kellner kann je nach Erfahrung auf 1000 bis 1400 Euro netto kommen.
Hopman beteuert aber, dass die Aufstiegschancen gut seien: "Wer motiviert ist und ein paar Jahre Erfahrung hat, kann auch Restaurantmanager werden." Die Hotelchefin versucht, die Jobs dadurch attraktiv zu machen, dass ihre Angestellten viel Verantwortung tragen und mitgestalten dürfen, die Hierarchien seien flach. "Das ist das Allerwichtigste", glaubt sie.
Das weiß auch Marc Staiger, Geschäftsführender Gesellschafter beim Ventilhersteller Staiger bei Stuttgart. Er tut sich schwer, gute Industriemechaniker zu finden – auch einer der Engpassberufe.

Arbeit attraktiver machen


Staiger wirbt mit einem "guten, partnerschaftlichen Arbeitsklima eines Familienunternehmens" und einem "guten Gesundheitsmanagement". Das Unternehmen beteilige sich an der Mitgliedschaft im Fitnesscenter, und ein Physiotherapeut gibt vor Ort Ratschläge zur idealen Körperhaltung bei der Arbeit.
Fachkräfte dürfen den Arbeitsalltag mitgestalten, indem sie ihre eigenen Schichtpläne anpassen und Prozesse optimieren. Die Herausforderung sei, die Leute zu halten, sagt Staiger. Viele seien nicht zufrieden als Facharbeiter, wollten weiterkommen.
Er finanziert manchen deshalb sogar die Meisterausbildung. An der Gehaltsschraube will er jedoch nicht drehen: "Geld ist nur ein Faktor von vielen, allein damit kann man seine Mitarbeiter nicht langfristig binden."
Große Unternehmen wie BMW bieten ihren Azubis mit Abitur sogar an, ihnen ein Studium parallel zur Ausbildung zu absolvieren. Auch die Verbände engagieren sich: Um motivierte Abiturienten in die duale Ausbildung zu holen, setzen die Handwerkskammern bundesweit systematisch darauf, Studienabbrecher anzuwerben, indem sie ihnen etwa verkürzte Ausbildungszeiten anbieten.
Heike Solga, Bildungsexpertin vom Wissenschaftszentrum Berlin, sieht diese Flexibilisierung und Öffnung der dualen Ausbildung als richtigen Weg, um dem Mangel an Facharbeitern zu begegnen. Sie warnt jedoch davor, junge Leute vom Studium abzuhalten. "Die Wirtschaft braucht auch weiterhin die Hochschulabsolventen", sagt sie.

Mitarbeiter nachqualifizieren


Die Berufsausbildung attraktiver zu machen, um die Abiturienten anzuwerben, ist ein Weg. Doch Solga zufolge müssen die Unternehmen sich auch damit abfinden, Facharbeiterstellen mit den Leuten zu besetzen, die keinen oder nur einen schlechten Schul- oder Ausbildungsabschluss haben.
Das heißt aber auch, dass sie diese Mitarbeiter nachqualifizieren müssen. Bundesweit ist laut BIBB dazu nur jede fünfte Firma bereit. Nachschulungen seien teuer für die Unternehmen, sagt Solga.
"Man sollte daher Betriebe bei der Integration dieser Jugendlichen unterstützen", sagt Solga. Mittelständler Staiger besetzt seine Stellen bereits öfter mit Leuten, die formal nicht so gut ausgebildet, aber motiviert sind – und investiert auch ohne Förderung in ihre Qualifizierung.
Um den Fachkräftemangel nicht zur Wachstumsbremse werden zu lassen, hält der DIHK außerdem die Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer für notwendig. Die Öffnung kommt spät: Erst vor einem Monat ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Zuwanderung für beruflich Ausgebildete aus Nicht-EU-Staaten erleichtert.
Die "Blue Card" für Hochqualifizierte gibt es dagegen schon seit einem Jahr. Auch Staiger sieht Zuwanderer als Option – doch noch hat er Zweifel, ob sich ausländische Mitarbeiter in einem schwäbischen Dorf integrieren lassen. "Wir haben keine Berührungsängste, aber wir sind hier auf dem Land", sagt er. Trotzdem: "Versuchen würde ich es."
 

Statussymbole der Deutschen ist unbezahlbar

Neun der zehn wichtigsten Wünsche der Deutschen gibt es nicht zu kaufen. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht laut einer Studie die Zeit. Weitere Ergebnisse sind deutlich überraschender.

Beim Streben nach Status schauen die Deutschen verstärkt auf Dinge, die man sich mit Geld nicht kaufen kann. Für besonders erstrebenswert halten sie es etwa, Zeit für sich zu haben, körperlich fit zu sein oder viele Sprachen zu sprechen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung der Berliner Strategieagentur Diffferent, die der "Welt am Sonntag" exklusiv vorliegt.
"In vielen Bereichen ist eine Sättigung eingetreten", sagt der Autor der Studie, Dirk Jehmlich, Director Trends & Innovation bei Diffferent. "Ein Smartphone zu besitzen zum Beispiel ist per se kein Statussymbol mehr." Eher könnte künftig das Gegenteil der Fall sein.
Mehr als die Hälfte der Befragten nannte eine bewusste Auszeit von Handy und Internet als Möglichkeit, um sich von anderen abzugrenzen. Immerhin 45 Prozent fanden eine solche Auszeit auch für sich selbst erstrebenswert. Ihre Freunde treffen die Menschen übrigens lieber in Person als virtuell.
Allem Hype um die sozialen Netzwerke zum Trotz: Lediglich 16 Prozent der Befragten findet es erstrebenswert, viele Kontakte auf Facebook oder Xing zu haben. 60 Prozent dagegen wünschen sich "im echten Leben" einen großen Freundeskreis.
 
 

Zeit ist das Wichtigste


Für die Studie hat Diffferent eine repräsentative Stichprobe von rund 2000 Menschen online befragt. Außerdem wurden 30 Interviews mit Unternehmensvorständen und Wissenschaftlern zum Thema Statussymbole geführt.
Ganz hoch im Kurs stehen der Umfrage zufolge die immateriellen Güter. Neun der top zehn Begehrlichkeiten gibt es nicht zu kaufen. Auf Platz eins rangiert die Zeit für sich selbst, die 90 Prozent der Befragten durch alle Altersschichten erstrebenswert finden.
Auch ein "unbefristeter Arbeitsvertrag", "Kinder haben", "eine Ehe führen", "richtig gut kochen können", "stets über die Weltpolitik informiert sein" und "sich ehrenamtlich engagieren" schaffen es auf die vordersten Plätze. Für die Autoren der Studie deutet das darauf hin, dass die Mehrheit der Menschen lieber zur Wissens- und Bewusstseinselite als zur Geldelite gehören möchte.
Diese Bewusstseinseliten indes sind für Unternehmen besonders begehrte Kunden. "Sie sind oft die Vorreiter und Trendsetter der Gesellschaft", sagt Jehmlich. Sie stehen für ihre Werte ein. Das fänden andere Menschen gut und folgten. "Deshalb steht diese Gruppe beim Marketing besonders im Fokus."

Unternehmen reagieren auf Begehrlichkeiten


Das gilt zum Beispiel bei der Deutschen Bahn. Kunden, denen eine nachhaltige Mobilität wichtig ist, hatte der Konzern schon lange. In den vergangenen Jahren allerdings sei ihre Zahl "erheblich gewachsen", berichtet Marketingvorstand Manuel Rehkopf.
Zudem hätten Angehörige der Bewusstseinselite ganz gewichtigen Einfluss: "Dieses Segment ist besonders sprachmächtig und somit ein wichtiger Multiplikator", sagt Rehkopf.
Kein Wunder, dass die Bahn mit einzelnen Aktionen direkt auf diese Gruppe abzielt. Seit April bezieht der Konzern etwa den Strommix für sämtliche Bahncard-Kunden zu 100 Prozent aus regenerativen Energien. Man wolle glaubhaft zeigen, dass man es ernst meine mit der Verantwortung, sagt Rehkopf.
Unter den Top-zehn-Statussymbolen der Diffferent-Rangliste lässt sich tatsächlich nur die Nummer vier mit Geld kaufen: das eigene Haus oder die Eigentumswohnung. Die Immobilie finden 80 Prozent aller Befragten erstrebenswert, unter den Jungen zwischen 18 und 29 Jahren liegt der Anteil sogar bei 84 Prozent.

Jung und konservativ


Überhaupt tendieren die jüngeren Befragten zu konservativen Werten: 77 Prozent – fünf Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt aller Deutschen – möchten eine Ehe führen. Und immerhin noch 59 Prozent finden es erstrebenswert, "einen gepflegten Garten" zu haben.
Noch wichtiger ist es den Jungen allerdings, einen Partner zu finden, den andere Menschen für gut aussehend halten (64 Prozent), und ein Smartphone zu besitzen (68 Prozent).
Bei den Älteren dagegen überwiegt schon der Wunsch, eine Auszeit von diesen elektronischen Geräten zu nehmen. Studienleiter Jehmlich hält das für typisch: "Man muss viele Dinge erst besitzen, um zu bemerken, dass man sie nicht braucht."
So kommt es, dass in einer alternden und immer reicheren Bevölkerung immaterielle Statussymbole immer wichtiger werden. Je älter die Menschen, desto weniger Dinge kaufen sie, um andere damit zu beeindrucken.

Eindruck schinden


Unter den 18- bis 29-Jährigen gaben immerhin noch 42 Prozent zu, dass sie sich etwas leisten, um bei ihren Freunden Eindruck zu schinden. Bei den über 50-Jährigen waren es nur noch 14 Prozent. "Erlebnisse und Services stehen mehr und mehr im Vordergrund", sagt auch Jehmlich.
Das heißt in den Augen des Gesellschaftsforschers aber nicht, dass die Menschen künftig unabhängig werden von materiellen Bedürfnissen. "Immaterielle Statussymbole stehen nicht im Widerspruch zu den Statusklassikern. Zeit zu haben, muss man sich leisten können. Auch Moral kann teuer sein", sagt Jehmlich. "Menschen, die nach Ruhe und Selbstbestimmung streben, landen dann doch oft wieder beim Boot oder dem abgeschiedenen Ferienhaus. Jedes immaterielle Symbol benötigt ein Produkt, in dem es sich manifestiert. Und das ist die Chance fürs Marketing."
Davon ist auch die österreichische Markt- und Motivforscherin Helene Karmazin überzeugt. Der Wunsch nach positiver Unterscheidung sei in unserer Gesellschaft nach wie vor zentral. "Materielle Statuszeichen haben also keineswegs ausgedient – an ihnen kann man eben den Status relativ einfach ablesen, da sie sichtbar sind", sagt Karmazin.
Wirkliche Eliten setzen diese Statuszeichen noch immer ein, "wenn auch mit großem Geschmack". Daneben träten heute die Demonstration von moralischer Gesinnung, Zeitsouveränität oder eines perfekten Körpers. Schwierig an diesen neuen Entwicklungen sei es, solche immateriellen Werte in "beobachtbare Zeichen" zu übersetzen, sagt Karmazin. "Ein Auto ist leicht zu klassifizieren, aber eine moralische Gesinnung?"

Auto ist immer noch Statussymbol


Die Diffferent-Befragung gibt Anhaltspunkte für die neuen und alten Statussymbole. 48 Prozent der Deutschen nennen noch immer das Auto an erster Stelle. Es folgen Computer und Smartphones mit 16 Prozent noch vor Mode, Unterhaltungselektronik, Uhren und Schmuck.
Bei den Marken schafft es der Computer-Riese Apple auf den ersten Platz (mit zwölf Prozent der Nennungen). Unter den Automarken siegt Audi noch vor Mercedes-Benz, BMW und Porsche. Audi-Marketingvorstand Luca de Meo setzt auf die Verbindung von Produkt und Gesinnung.
"Premium-Automobile müssen heute in Nachhaltigkeitsfragen genauso überzeugen, wie sie es bei Sportlichkeit, Komfort und Sicherheit tun", sagt er. Auch er sieht allerdings den eindeutigen Trend, "den Besitz von Gütern mit immateriellen Werten zu verknüpfen". Diese Werte allerdings lassen sich mit Geld eben nicht kaufen.

Wechsel von Krisenländern bieten Investitionsmöglichkeiten

In Spanien erwacht die Bauindustrie, Italiens Finanzwirtschaft regt sich, und Portugal wächst mit Rohstoffen. In Europa zeigen sich Wachstumssignale. Der Anleger, der sie erkennt, kann profitieren

Volkswagen investiert 785 Millionen Euro in sein Werk in Pamplona. Renault will in seinen spanischen Fabriken 1300 Mitarbeiter zusätzlich einstellen, bei Nissan sind es 1000. Und Ford verlegt gleich seine gesamte Mondeo-Produktion aus Belgien nach Valencia. Vier Beispiele aus einer einzigen Branche. Ist die Krise folglich endlich vorbei, ist das der Beginn eines neuen Wirtschaftswunders in Südeuropa?
Das wäre sicher übertrieben. Doch unbestreitbar kamen in den vergangenen Wochen zunehmend positive Signale aus vielen der Euro-Länder, die zuletzt oft unter dem wenig schmeichelhaften Begriff "Peripherie" zusammengefasst wurden.
Es sind bisher nur kleine Zeichen einer Erholung. Doch sie könnten eine Trendwende ankündigen. Und wer als Anleger davon profitieren will, der muss jetzt handeln, denn wenn erst alle erkennen, dass die Zeit des Niedergangs zu Ende ist, dann ist es, wie bei allen Turnaround-Geschichten, zu spät.
Die frischen Triebe einer konjunkturellen Blüte verstecken sich in drögen Statistiken wie jener zum italienischen Geschäftsklima. Es ist den jüngsten Zahlen vom Montag zufolge von 90,2 auf 91,7 Punkte gestiegen. Sie verstecken sich in einem gestiegenen Wirtschaftsklima-Index in Portugal.
 
Dieser zeigt positive Signale für alle Unterbereiche und steigt bereits seit Januar kontinuierlich. Sie verstecken sich in einem optimistischen Ausblick der spanischen Einkaufsmanager. Der entsprechende Index ist von März bis Juni von 44,2 auf 50 Punkte gestiegen.

Spanien verlässt allmählich den Schrumpfkurs


Natürlich findet all dies auf einem extrem niedrigen Niveau statt. Die Verbesserung der Daten führt dazu, dass beispielsweise die Wirtschaft in Spanien im zweiten Quartal nur noch um 0,1 Prozent geschrumpft ist, nach einem Rückgang von 0,5 Prozent in den ersten drei Monaten. Dennoch ist sie eben weiter geschrumpft. Die Zahlen geben jedoch Hoffnung, dass es damit nun bald vorbei ist. "Die Rezession könnte bald der Vergangenheit angehören", sagt Jonathan Stubbs, Aktienstratege bei der Citigroup.
Besonders positiv daran: Die besseren Aussichten gehen zu einem guten Teil auf die Reformen der vergangenen Jahre zurück. In Spanien ist dies klar zu erkennen. "Die Arbeitskosten dort sind seit Mitte 2009 um rund acht Prozent gesunken", sagt Paul Jackson, Aktienstratege bei der Société Générale.
In Deutschland und Frankreich dagegen sind sie beispielsweise um fünf bis sechs Prozent gestiegen. "Diese Differenz mag nicht riesig erscheinen, aber sie dürfte jenen Firmen helfen, die im direkten Wettbewerb mit europäischen oder globalen Konkurrenten stehen."

Autohersteller entdecken Südeuropa neu


Dazu gehört beispielsweise der Automobilsektor. Immerhin war Spanien bis zur Finanzkrise der fünftgrößte Autoproduzent der Welt. Durch den Absatzrückgang fiel das Land dann aber auf Rang neun zurück. Nun jedoch entdecken viele Hersteller den Standort neu, wie die zu Beginn genannten Beispiele zeigen, und die niedrigeren Arbeitskosten sind ein wichtiges Argument dabei.
Portugal wiederum profitiert von der leichten Aufhellung der Lage im Nachbarland, denn aufgrund seiner geografischen Lage ist es stark von dessen Wirtschaft abhängig. Zudem hat Portugal seinen Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren so stark liberalisiert wie kein anderes Euro-Land. Auch in Italien gab es in dieser Hinsicht einige Fortschritte, wenngleich dort einiges auf halbem Wege stecken blieb. In Italien war die Krise allerdings nie so schwer wie in den anderen südeuropäischen Staaten.
Südeuropa scheint das Schlimmste also hinter sich zu haben. Land ist in Sicht. Tatsächlich hat auch der Aktienmarkt dies schon zu einem gewissen Teil nachvollzogen. Auf Sicht von einem Jahr liegen zumindest die Börsen von Madrid und Lissabon leicht vor dem Deutschen Aktienindex (Dax). Doch der Absturz davor war so enorm, dass sie noch weit davon entfernt sind, mit dem deutschen Index aufzuschließen. Dazu bedürfte es erst einer breiten Wiederentdeckung dieser Anlageregionen durch die Investoren.

Internationale Investoren sind zurückhaltend


Doch noch sind diese zurückhaltend. "Trotz erster Lichtblicke scheinen insbesondere internationale Anleger dem Braten nicht so recht zu trauen", stellt Markus Reinwand, Aktienstratege bei der Landesbank Hessen-Thüringen, fest. "Unter den institutionellen Investoren mag sich für Euro-Aktien im Gegensatz zu den weiter hoch im Kurs stehenden US- und Yen-Titeln derzeit kaum jemand wirklich erwärmen."
Das ist jedoch letztlich nur gut für private Investoren. Denn wenn die Großen die Story von der Trendwende in Südeuropa erst mal für sich entdeckt haben, ist es für Kleinanleger ohnehin wieder zu spät. Dann haben sie binnen weniger Tage die Kurse in die Höhe getrieben und alle anderen haben das Nachsehen.
Doch wie kann man nun auf ein Ende der Rezession und einen konjunkturellen Aufschwung in Südeuropa setzen? Für Paul Jackson wäre der ideale Kandidat für ein Investment in Spanien eine Firma, die über einen hohen Arbeitskostenanteil verfügt, viel exportiert und zudem noch relativ geringe Margen hat. Diese würden sich in einem Aufschwung dann besonders schnell ausweiten. "Viel Glück dabei, das in Spanien zu finden", schränkt er dann aber gleich selbst ein.

Privatanleger sollten größere Firmen suchen


Firmen, die dem Ideal immerhin nahekommen, verfügen wiederum über eine relativ geringe Marktkapitalisierung, sind also eher klein und daher für Privatanleger wenig geeignet. Jackson zählt dazu beispielsweise den Automobilzulieferer CIE Automotive, den Produzenten von Eisenbahnfahrzeugen CAF oder auch Uralita, einen Hersteller von Baumaterialien und Chemikalien.
Besser dürfte es sein, auf größere Firmen zu setzen, die zwar nicht ganz so unmittelbar von einer Trendwende profitieren, aber zu den Gewinnern gehören, wenn der Aufschwung allmählich an Breite gewinnt. Hierzu zählt vor allem der Finanzsektor, und hierin stellt Jonathan Stubbs in Italien vor allem den Versicherungskonzern Generali und die Bank Unicredit heraus.
Ihr Vorteil: Sie sind stark im Heimatmarkt verankert und der Gewinntrend verbessert sich derzeit. Bei den spanischen Banken wie Banco de Sabadell, Banco Popular Espanol, Bankinter oder Caixabank ist das Argument vor allem die geringe Bewertung an den Börsen.

Fonds sind eine Alternative zu Einzelaktien


Auch Energieversorger dürften von einem generellen Aufschwung profitieren. Dazu gehören beispielsweise die italienischen Firmen Enel und Terna Rete Elettrica sowie in Portugal der Gaslieferant Galp Energie. In Spanien schließlich dürfte der Baukonzern Ferrovial zu den größten Gewinnern gehören, wenn mit einer allgemeinen wirtschaftlichen Erholung auch die Bautätigkeit in dem Land allmählich wieder anzieht.
Trotzdem bleiben auch bei diesen relativ großen Firmen stets die Unwägbarkeiten, die mit der Anlage in Einzeltitel verbunden sind. Daher dürften für viele Anleger Fonds eine Alternative sein. Zumindest für Italien gibt es dabei eine ganze Reihe gemangter Fonds, so beispielsweise den Oyster Italian Value (WKN 926291) oder den Credit Suisse Italy (WKN 974241). Im Falle Spaniens gibt es mit dem Mediolanum Challenge Spain Equity (WKN 803308) immerhin noch einen Fonds im Angebot.
Portugal dagegen können Anleger nur über den Fidelity Iberia Fonds ins Visier nehmen (WKN A0LF04), der sowohl auf Spanien als auch Portugal setzt, wobei der Schwerpunkt natürlich in Spanien liegt. Daneben gibt es noch einige Indexfonds auf den Madrider Ibex 35 (z. B. von db-xtrackers, WKN DBX0HR) und den Mailänder FTSE MIB Index (z. B. von iShares, WKN A0MZWP) Den portugiesischen PSI 20 Index bildet ein entsprechender Fonds von Comstage ab (ETF048).