n-de

Monday, May 27, 2013

Wahlen, schürt Angst Katastrophe "virtuelle Demokratie"


Noch nie war die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein so gering wie bei der Kommunalwahl. Die Parteien sorgen sich um ihre Basis. Ministerpräsident Albig denkt sogar über Internet-Abstimmungen nach

So richtig zufrieden ist niemand an diesemKommunalwahlabend in Schleswig-Holstein.Rund 46 Prozent Wahlbeteiligung bedeuten einen historischen Tiefststand. So wenig Menschen haben sich noch nie an einem Wahlgang im nördlichsten Bundesland beteiligt. Die Reaktion, vor allem der beiden großen Parteien, fällt eindeutig aus.
SPD und CDU ermahnen die Bürger zu einem stärkeren politischen Engagement. Andernfalls, so Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) stöhnend im Kieler Lokalfernsehen, "verlieren wir bald die Basis. Dann bekommen wir eine virtuelle Demokratie, in der alle paar Jahre Wahl gespielt wird."
Hinter dem klaren Sieg der Nichtwähler verblassen die Ergebnisse der einzelnen Parteien deutlich. Die CDU, so das vorläufige amtliche Landesergebnis, bleibt mit 38,9 Prozent zwar stärkste Partei, kann aber gegenüber dem historischen Tiefstand der Kommunalwahl 2008 nur marginal zulegen.

Die Grünen legen ordentlich zu


Die SPD, mit 29,8 Prozent noch unterhalb des schon relativ schwachen Werts der Landtagswahl vor einem Jahr, verpasst damit ihr Ziel deutlich, stärkste Partei zu werden. Die insgeheim befürchtete Abmahnung für die rot-grün-blaue Küstenkoalition stellt die Restwählerschaft dagegen nicht aus. Die Grünen legen mit 13,7 noch einmal zu; die dänische Minderheitspartei SSW als dritter Koalitionspartner bleibt mit rund drei Prozent stabil. Regierungschef Albig spricht dennoch von einem unbefriedigenden Ergebnis.
 
Klare Verlierer des aus der Summe von Kreistags- und Stadtparlamentswahlen gebildeten landesweiten Ergebnisses sind die anderen kleinen Parteien: FDP und Linke, die bei den Kommunalwahlen 2008 vergleichsweise stark abgeschnitten hatten, stürzen jeweils um vier Prozent ab und landen bei fünf beziehungsweise 2,5 Prozent. Die Piraten spielen mit 1,6 Prozent landesweit keine Rolle.
Auch lokale Wählergruppen, die beim letzten kommunalen Urnengang für viele Nichtwähler attraktiv gewesen waren, büßen an diesem Sonntag massiv Stimmen ein. Gerade in größeren Städten wie Lübeck und Flensburg gewinnen die etablierten Parteien in den Parlamenten an Gewicht, weil viele Bürger sich von den freien Wählervereinigungen abwenden und lieber zu Hause bleiben.

Sorge über mangelndes Bürgerengagement


Wer aus dem schleswig-holsteinischen Klein-Klein Schlüsse auf die bevorstehenden Bundestagswahlen ziehen möchte, sieht die Verstärkung einiger bekannter Trends. Schwarz-Gelb hat auch in einem strukturell immer noch recht konservativen Land derzeit kaum Chancen auf eine Mehrheit; Angela Merkel muss sich voraussichtlich einen neuen Koalitionspartner suchen. Rot-Grün stagniert, die Chancen auf ein solches Bündnis im Bund sind an diesem Sonntag auch nicht gestiegen.
Wichtigster Fingerzeig aus dem Norden aber ist das mangelnde Interesse der Wähler an demokratischen Wahlen, insbesondere auf lokaler Ebene. Schleswig-Holsteins neuer CDU-Vorsitzender Reimer Böge macht deshalb aus seinem Herz auch keine Mördergrube: Es sei erschütternd, dass 70 Prozent der Bürger laut Umfragen nicht bereit seien, sich auf kommunaler Ebene zu engagieren.
"Wir haben ein grundsätzliches Problem", konstatierte Böge im NDR.Bürgerinnen und Bürger müssten allmählich wieder begreifen, "dass ein Minimum an Engagement dazugehöre".

Kommen jetzt digitale Wahlmöglichkeiten


In der Tat ist es so, dass in zahlreichen kleinen bis winzigen Gemeinden Schleswig-Holsteins selbst die großen Parteien keine Listen mehr aufstellen können, weil ihnen schlicht das Personal fehlt. Böges Heimatgemeinde Hasenmoor ist ein klassisches Beispiel: Dort tritt allein die CDU an, Konkurrenz gibt es nicht. Für Böge ist das kein Wunder. Die "Basis an den Marktständen" sei es doch, die den Kopf hinhalten müsste, wenn in den Medien wieder einmal gemeckert werde über die Politik.
Einmal in Fahrt grätscht Böge auch der Landespolitik-Reporterin des NDR vor laufender Kamera in die Parade. Deren Frage, ob das schlechte Ergebnis der CDU auch für ihn persönlich einen Niederlage sei, kontert der Unionsvorsitzende mit dem wenig charmanten Ausruf: "Das ist doch Schwachsinn."
Er sei ja gerade mal zwei Monate im Amt und habe genug damit zu tun gehabt, die Partei nach den Turbulenzen der vergangenen Monate ein wenig zu beruhigen. Für den langjährigen Europaabgeordneten ist ungerechtfertigte Negativberichterstattung eine Ursache für die zunehmende Abkehr der Menschen von der Politik.

Fehlt Norddeutschen der Leidensdruck?


Auch Ministerpräsident Albig macht sich an diesem eher trostlosen Kieler Wahlabend Gedanken über die Demokratie. Zwar habe auch das miserable Wetter dieses Wochenendes zu dem Grau-in-Grau-Eindruck beigetragen, der sich ihm aufgedrängt habe, als er in einem leeren Klassenraum seinen Wahlzettel in die Urne steckte.
Man dürfe sich aber auch jenseits des Dauerregens Gedanken darüber machen, wie man das Wählen wieder attraktiver machen könne. Dazu, so der Sozialdemokrat, gehöre möglicherweise auch die Chance, seine Stimme digital über das Internet abzugeben.
Das allgemeine Trübsalblasen durchbricht nur die Kieler SPD-Bürgermeisterin Susanne Gaschke, in deren Stadt die Sozialdemokraten deutlich zugewonnen hatten: Die geringe Wahlbeteiligung könne man ja auch so interpretieren, dass "der Leidensdruck" im Norden der Republik "nicht so groß" sei.

Die Europäische Union ist das Studium iPhone Verkaufspreis von Apples Taktik, wenn

Mobilfunkbetreiber beklagen, mit speziellen Vertriebsbedingungen unterbinde Apple, dass kein Konkurrent das iPhone günstiger anbiete. Jetzt interessiert sich die EU für das Geschäftsgebaren.

Die EU-Kommission prüft einem Zeitungsbericht zufolge, ob Appleeine wettbewerbsverzerrende Strategie beim Verkauf seiner iPhones anwendet und mittels technischer Beschränkungen die Konkurrenz vom europäischen Markt abhält.
Das berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf entsprechende Dokumente. Möglicherweise versuche der US-Konzern mittels Vertriebsbedingungen sicherzustellen, dass kein Konkurrent bessere Verkaufsaktionen anbiete.
Hintergrund der vorläufigen Prüfung der EU-Kommission seien Beschwerden von Mobilfunkbetreibern. Der Apple-Konzern erklärte, seine Verträge entsprächen den EU-Bestimmungen.
Die Kommission will auch wissen, ob Apple auf technische Weise oder in Verträgen den Einsatz des iPhone und superschnellen 4G-Netzen einschränke. Das iPhone 5 als erstes Apple-Telefon mit Unterstützung des 4G-Standards LTE läuft nur in einzelnen dieser Mobilfunk-Netze in Europa, weil die verwendeten Chips nicht alle hier gängigen LTE-Frequenzen unterstützen.
Bevor die EU-Kommission ein formelles Verfahren starten kann, müsste sie sicher sein, dass Apple eine dominante Rolle auf dem europäischen Smartphone-Markt innehat. Angesichts der Popularität des Smartphones Galaxy von Samsung ist das allerdings wenig wahrscheinlich.

Gerüchte über ein kleines iPhone


Auf dem Markt halten sich dennoch hartnäckig Gerüchte, Apple arbeite an einer günstigeren Variante des iPhones. Eine abgespeckte Version könne noch in diesem Jahr herausgebracht werden, schrieb das "Wall Street Journal" zu Jahresbeginn unter Berufung auf eingeweihte Personen.
Sie könne dem aktuellen Smartphone-Kassenschlager ähneln, aber mit billigeren Materialien wie etwa einer Hülle aus Polykarbonat-Kunststoff oder Komponenten aus älteren iPhone-Modellen ausgestattet sein. Allerdings habe sich der US-Technologiekonzern noch nicht endgültig dazu entschlossen. Es wäre das erste Mal seit dem Verkaufsstart des iPhone 2007, dass Apple eine zweite Modellvariante anbietet.
Auch die Nachrichten-Internetseite "The Next Web" hatte berichtet, dass Apple an einem neuen Smartphone arbeite. Die Rede war von einem iPhone 6, das angeblich mit dem neuen Betriebssystem iOS 7 operiert.
Apple hatte im September das iPhone 5 in die Läden gebracht. Früheren Medienberichten zufolge plant der Samsung-Konkurrent, das neue Modell Mitte des Jahres einzuführen. Apple hat mit dem 2007 erstmals erschienenen iPhone neue Standards gesetzt.

Armut macht dick und krank in Deutschland

Wie gesund und fit jemand ist, hängt in Deutschland einer Studie zufolge von Einkommen und Bildung ab. Frauen mit wenig Bildung und niedrigem Einkommen sind häufiger fettleibig, Männer meiden Sport.


Menschen aus unteren sozialen Schichten sind einer Studie zufolge häufiger chronisch krank. So sei das Risiko, fettleibig zu werden, bei Frauen mit wenig Einkommen und geringer Bildung viermal so groß wie bei gut verdienenden und gebildeten Frauen, berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus" unter Berufung auf eine Gesundheitsstudie unter Leitung des Robert-Koch-Instituts.
Bei Männern zeige sich der Unterschied beim Sport: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich körperlich fit halten, ist in unteren sozialen Schichten fünfmal geringer als in der sogenannten Oberschicht.
Für die Studie wurden rund 8000 Menschen befragt und untersucht. Die Autoren ziehen das Fazit, dass die "Gesundheitschancen und Erkrankungsrisiken nach wie vor sehr ungleich verteilt" seien.

Ärztepräsident fordert Problembewusstsein


Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sagte, in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen müsse endlich ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden: Die besten Vorsorgeuntersuchungen nützten nichts, "wenn die Eltern weiter rauchen, zu viel und falsch essen, zu viel trinken und sich zu wenig bewegen".
Mit Blick auf die Erkenntnisse bereits bekannter Studien, wonach auch die Lebenserwartung von armen Menschen um mehrere Jahre unter denen von Gutverdienern liegt, sagte Montgomery: "Es ist eine Schande, dass die Lebenserwartung in unserem reichen Land schichtenabhängig immer noch um bis zu elf Jahre differiert." Ab Dienstag befasst sich der Deutsche Ärztetag in Hannover mit den gesundheitlichen Folgen von Armut.
epd/ks

Tuesday, May 21, 2013

Ich bin stolz auf unsere Mitarbeiter

"Helmut, Helmut"-Rufe in Mödlareuth: Der Altkanzler wird in Bayern für die Wiedervereinigung geehrt. "Das gibt es kein zweites Mal in der Weltgeschichte", sagt Kohl in seiner zehnminütigen Rede.

Am Ende gibt es noch einmal "Helmut, Helmut"-Rufe. Auch ein Banner mit Dankesworten ist zu sehen. Die bayerische Staatsregierung ehrte Altkanzler Helmut Kohl am Dienstag im einst geteilten Dorf Mödlareuth an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen. Es ist eine Zeitreise – zurück in jene Tage, als eine Nation im Freudentaumel über die Wiedervereinigung Helmut Kohl zu Füßen lag. Heute ist der Altkanzler 83 Jahre alt, er sitzt im Rollstuhl, das Sprechen fällt ihm schwer – und trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, selbst einige Worte zu sagen. Künftig erinnern eine Gedenktafel und eine Betonstele an Kohls Verdienste um die Deutsche Einheit.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) lobt Kohl ausgiebig als Patrioten, Visionär und "leidenschaftlichen Europäer". Es ist eine kleine Geschichtsstunde. "Eine unüberwindbare Mauer trennte die Menschen in Mödlareuth", erzählt Seehofer. "Familien und Nachbarn waren auf unmenschliche Weise auseinandergerissen." In Bayern gebe es keinen besseren Ort als Mödlareuth, um Kohl mit einer Gedenktafel zu ehren. Der Altkanzler nickt ab und zu. Seine Frau Maike Kohl-Richter flüstert ihm hin und wieder etwas ins Ohr.
 
Kohl bedankt sich für die ehrenden Worte. Ein schöner Tag sei das. Er steht auf der bayerischen Seite Mödlareuths. Dahinter ist der kleine Bach, der die Grenze zwischen Bayern und Thüringen markiert. Hier stand einst eine Mauer, wie in Berlin. Ein Rest ist heute noch zu sehen – als Herzstück eines Freilandmuseums und als Mahnmal.
Vor seinem Termin in Mödlareuth wird Kohl in Hof willkommen geheißen. Die Staatsregierung bittet zum Festakt – mehr als 23 Jahre nach den turbulenten Ereignissen des Jahres 1989, als auch im Norden Bayerns der Eiserne Vorhang fiel, der den Freistaat von seinen Nachbarn in Sachsen und Thüringen trennte.

"Ich bin stolz auf unser Volk"


Etwa 500 Ehrengäste in der Freiheitshalle klatschen und erheben sich von ihren Plätzen. Kohl sitzt aufrecht und hört den Hofer Symphonikern zu. Dann erinnert Oberbürgermeister Harald Fichtner (CSU) daran, was im Oktober 1989 in Hof geschah: "Hof war die erste Station in der freien Welt." Die Sonderzüge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen hielten damals hier. Am Bahnhof hätten sich zutiefst bewegende Szenen abgespielt. In der Freiheitshalle, heute ein rundum saniertes schickes Zentrum für Konzerte und Kongresse, campierten die Flüchtlinge auf Matratzen und Feldbetten.
Dann sprechen Seehofer und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Er sagt zu Kohl: "Sie sind ein Glücksfall für die deutsche Geschichte." Er stehe in einer Reihe mit dem ersten deutschen Reichskanzler, Otto von Bismarck, und Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mehr gehe nicht.
Der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nennt Kohl "den Helmut", der immer den richtigen Ton getroffen habe, der kein kleinliches Europa wollte, "in dem die Glühbirnen verboten werden".
Dann ergreift Kohl selbst das Wort. Er spricht fast zehn Minuten. "Das gibt es kein zweites Mal in der Weltgeschichte", sagt er. "Ich bin stolz auf unser Volk." In den Jahren 1989 und 1990 sei ein Traum in Erfüllung gegangen. "Nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, haben wir erreicht", räumt er ein. Und zum Schluss: "An einem Tag wie heute ist die Geschichte mit Händen zu greifen."

Professionelle Investoren kehren von ihren Erinnerungen gold

An den Edelmetall-Märkten herrscht Nervosität: Die Aussage eines führenden Investors genügte, um den Goldpreis abstürzen zu lassen. Und auch andere Profi-Anleger fangen an, Gold zu verkaufen

Es braucht derzeit nicht viel, um für Unruhe an den Edelmetallmärkten zu sorgen. Seit dem Crash im April ist die Stimmung angeschlagen, bei institutionellen Anlegern hat Gold seinen Nimbus als sicherer Hafen verloren. Die Profi-Anleger, die in den vergangenen Jahren das gelbe Metall zu einem festen Bestandteil in ihren Depots gemacht haben, kegeln einen Teil wieder heraus. Die Gold-Bestände sind auf den tiefsten Stand seit Juli 2011 gefallen.
Dabei genügte bereits die Aussage eines führenden Investmentmanagers, um den Goldpreis erneut auf Talfahrt zu schicken. Lim Chow Kiat, Chefanlagestratege des milliardenschweren Staatsfonds von Singapur, warnte davor, dass Gold auch nach der scharfen Korrektur überbewertet ist. Angesichts der relativ überschaubaren Verwendungsmöglichkeiten von Gold sei der aktuelle Preis schwer zu rechtfertigen.
"Gold ist eine sehr spezielle Anlageklasse", sagte Lim auf einer Investorenkonferenz. "Viele Investoren nutzen Gold als Absicherung gegen Inflation und als Instrument zur generellen Risikostreuung etwa gegen einen Systemkollaps. Diese Strategie kann durchaus sinnvoll sein, aber es kommt auch auf den Preis an, den man für diese Absicherung bezahlt."
 

Warnung an Millionen private Investoren


Der Unzenpreis kam nach den Äußerungen kräftig ins Rutschen. Hatte sich Gold zu Wochenbeginn noch über die Marke von 1400 Dollar gekämpft, rutschten die Notierungen am Dienstag um über zwei Prozent ab. Zwischenzeitlich kostete die Unze (31,1 Gramm) nur noch 1360 Dollar.
Lims Stimme hat durchaus Gewicht. Er ist verantwortlich für die Investments des Staatsfonds von Singapur. Mit einem verwalteten Vermögen von knapp 250 Milliarden Dollar gehört die Government of Singapore Investment Corp (GIC) zu den größten ihrer Art in der Welt. Lims Statement könnte auch als Warnung an Millionen private Investoren verstanden werden.
Von China über Amerika bis nach Deutschland haben viele Kleinanleger die Schwäche beim Goldpreis genutzt, um ihre Bestände aufzustocken. Die Nachfrage nach Münzen und Barren ist so hoch, dass es inzwischen sogar zu Lieferengpässen gekommen ist. Ablesen lässt sich der Run an den Preisaufschlägen, die für physisches Gold gegenüber den Terminmarktpreisen gezahlt werden müsse. Diese markierten in Hongkong und Singapur sowie in China Rekordstände.

Manche nutzen Kurskorrekturen für Nachkäufe


Der in Shanghai gehandelte Future für physisches Gold stieg am Dienstag um bis zu 4,2 Prozent auf 280,88 Yuan (35,60 Euro) je Gramm. Damit mussten Anleger, die sich Gold physisch liefern lassen wollten, für die Feinunze mehr als 1100 Euro zahlen, wohingegen Gold am Terminmarkt für 1060 Euro zu haben war.
Auch für deutsche Privatanleger bleiben Gold-Münzen und -Barren wegen der Spätfolgen von Finanz- und Schuldenkrise erste Wahl. "Seit Anfang Mai ist das Interesse nach dem Ansturm im April zwar etwas abgeebbt", sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer des Goldhändlers Pro Aurum. Es läge aber immer noch 50 bis 70 Prozent über dem Niveau vom Februar.
"Unsere Kunden nutzen die deutlichen Kurskorrekturen bei Gold und Silber weiterhin zu Nachkäufen. Das Verhältnis liegt unverändert bei 90 Prozent Käufen zu zehn Prozent Verkäufen", sagt Hartmann. Aus diesem Grund bleibe es schwierig, die Nachfrage zu bedienen. Engpässe gebe es unter anderem beim Krügerrand, obwohl diese Münzen derzeit im Dreischicht-Betrieb geprägt würden.

Ein zwölfjähriger Aufwärtstrend ist zu Ende gegangen


Gold hat seit Jahresanfang gut 18 Prozent an Wert eingebüßt. Durch den Preisverfall der vergangenen Monate habe Gold aus Sicht institutioneller Anleger viel von seinem Glanz verloren, sagt Frank Schallenberger von der LBBW. "Ein zwölfjähriger Aufwärtstrend ist zu Ende gegangen. Daher ist bei den Anlegern der Glaube gering, dass es bald wieder aufwärtsgeht."
Aus charttechnischer Sicht könnte der Goldpreis auf bis zu 1320 Dollar je Feinunze fallen. Sollte diese Marke unterschritten werden, sei ein Rückgang auf bis zu 1260 Dollar möglich.
Seit dem Jahr 2000 kannte der Goldpreis nur eine Richtung. Er stieg zwölf Jahre in Folge und versiebenfachte sich auf 1920,30 Dollar je Feinunze. Anleger flüchteten sich aus Furcht vor einem Zusammenbruch des Geldsystems in den sicheren Hafen. Inzwischen haben die Notenbanken jedoch durch ihre Geldflut die Extremrisiken beseitigt, ohne dabei erkennbar eine Inflation auszulösen.

Finanzprofis kehren ihre Depots aus


Im Gegenteil: Zuletzt hat sich die Teuerung weltweit abgeschwächt. In Deutschland betrug die Inflationsrate im April nur noch 1,2 Prozent, in den USA sogar nur noch 1,1 Prozent. Außerdem beginnt sich die Weltwirtschaft wieder zu beschleunigen, so dass die US-Notenbank darüber nachdenkt, ihre lockere Geldpolitik wieder zu straffen. Als erstes könnte Fed-Chef Ben Bernanke das Volumen der Anleiheaufkäufe zurückfahren. Auch diese Aussichten setzen dem Goldpreis zu.
Profiinvestoren haben begonnen, den Gold-Anteil in den Portfolios abzubauen. Die Edelmetall-Bestände aller Gold-Indexfonds (ETFs) sind auf 70,32 Millionen Feinunzen gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Juli 2011. Im Dezember waren die ETF-Bestände noch auf ein Rekordhoch von 84,64 Millionen Feinunzen gestiegen. Seither geht es abwärts. Im März und April waren es sogar 28 Tage hintereinander - ein Negativ-Rekord.

Olivenöl - die Symptome der vergrößerten Organ der Europäischen Union

Selbstkorrektur und Mäßigung ist der EU und den Mitgliedern fremd. Wenn es ernst wird, sind Reformpläne nur schöne Reden. Wie soll man der Bundesregierung das Werben für die Vertragsänderung abnehmen?

Die Sache mit dem Olivenöl geht so: Aus Sicht der Verwaltung ist ein Verbot von Kännchen in Ableitung aus der Olivenölstrategie der Europäischen Union mit Sicherheit zwingend geboten. Der Verbraucher aber wundert sich: Warum um alles in der Welt kümmert sich die EU-Kommission darum, ob er sich beim Anmachen des Salats die Finger ölig macht?
Warum sorgt sie dafür, dass er sein Öl bald wohl wie Ketchup, Senf und Mayo aus einem Plastikbriefchen drücken muss? Warum ist die Gefahr ranzigen Speiseöls eine EU-weiten Regelung wert und nicht eine Frage, die ein jeder mit seinem Wirt zu klären hat? Kurz: Haben die in Brüssel nichts Besseres zu tun?
Manche nicht. Bald residieren 28 Kommissare im Berlaymont-Gebäude, und bis – irgendwann vielleicht – mindestens der 30. eingezogen sein wird, hat jedes Land seinen eigenen Vertreter in der Institution, die einmal die Regierung der EU werden möchte. Seinen Ministern einen Ressortzuschnitt vergleichbar dem in Brüssel zuzumuten aber könnte sich kein Regierungschef leisten – oder nur auf die Gefahr hin, als Träumer und Verschwender zu gelten.
 

Kommissare ohne Kompetenzen


Es gibt Kommissare mit Portfolios, für die die EU keinerlei Zuständigkeit besitzt. Es gibt andere, die zu dritt um Aufmerksamkeit für ein Anliegen buhlen, für das sie alle irgendwie zuständig sind. Es gibt diejenigen, deren Vorschläge null Relevanz besitzen, und die, die für sich und ihre Beamten kreativ Beschäftigung suchen. Das Olivenöl: ein Symptom der Aufblähung eines Apparats.
Die EU hat zu viele Kommissare, und die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, dass das so bleibt. Selbstkorrektur und Mäßigung ist der Union und ihren Mitgliedern fremd. Das ist ein kräftiges Signal an die Europäer: Wenn es ernst wird, sind alle Reformpläne nur schöne Reden. Wie soll man der Bundesregierung ihr Werben für eine Änderung des EU-Vertrags abnehmen?
Wer soll daran glauben, dass die vielfach überlappenden Zuständigkeiten entwirrt, dass die Strukturen der EU auf die ihr übertragenen Kompetenzen hin überprüft werden sollen und umgekehrt? Welches Land soll dafür stehen, wenn sie alle, die Briten inklusive, doch nur den Status quo bewahren wollen?

Modernisierung durch Verzicht


Bei der Europäischen Zentralbank greift die geplante Verkleinerung, wenn noch zwei Länder dem Euro beitreten. Dann kann selbst das große Deutschland nicht mit einem ständigen Sitz im entscheidenden Gremium der Notenbankgouverneure rechnen. Dort hat sich die Bundesregierung darauf eingelassen.
Das hätte auch in der Kommission gelingen können, wäre die Reform nicht verstohlen abgeblasen worden. In Brüssel aber ginge es für eine Periode auch einmal ohne deutschen Kommissar.

Sunday, May 19, 2013

Selbstvertrauen ist zurück in Griechenland

Ausgerechnet der griechische Premierminister Samaras beweist, dass sich ein Land in der tiefsten Krise tatsächlich stabilisieren lässt. Er zeigt den Stolz des Unterschätzten, manchmal bis zum Übermut.

Chuzpe hat der Mann: Fährt nach Peking, vergleicht sein klammes Griechenland mit einem Riesenreich, das kaum weiß, wohin mit seinem Geld. Beide Länder seien schließlich Wiegen uralter Kulturen. Und dann lädt Antonis Samaras in dieser Woche die chinesische Wirtschaft auch noch ein, "an der griechischen Erfolgsgeschichte teilzuhaben".
Gastgeber China schwieg sich in der Frage vornehm darüber aus, ob man diese Lageeinschätzungen teilt. Das Selbstbewusstsein jedenfalls ist zurück in Athen. Es ist auch der Stolz des Unterschätzten, der den griechischen Premierminister mit geradem Rücken zu Hause und in der Welt auftreten lässt – Stolz bis hin zum Übermut: Schon im kommenden Jahr werde Griechenland wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren, kündigte Samaras an.
Zwar misst sich der Erfolg, den Samaras ausmacht, nicht in Wirtschaftswachstum oder Arbeitsmarktdaten: Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, ein Ende der schon sechs Jahre währenden Rezession ist weit mehr Hoffnung als Prognose.
Aber verglichen mit dem politischen Chaos, das vor einem Jahr in Athen herrschte, zwischen den Wahlen vom Mai und denen vom Juni, lässt sich der Fortschritt nicht leugnen. Verglichen mit den Szenarien von Austritt und Rauswurf und der Angst, dass Griechenland die ganze Euro-Zone sprengen könnte, scheint die Lage heute ruhig.

Und verglichen mit seinen eigenen Äußerungen zu Sparkurs und Reformen vor der Wahl zum Regierungschef, die ihn in Europa als höchst unsicheren Kantonisten dastehen ließen, sind Samaras zwei Erfolge nicht abzusprechen, die kaum alle beide zu erreichen schienen: Er stellt die Geldgeber zufrieden – und stabilisierte gleichzeitig, bis zu einem gewissen Grad, die griechische Politik und Gesellschaft.

Euro-Finanzminister loben Griechenlands Fortschritte


"Beträchtliche Fortschritte bei der Umsetzung der Haushalts- und Strukturreformen" bescheinigten die Finanzminister der Euro-Zone den Griechen in dieser Woche und gaben 7,5 Milliarden Euro frei, die nächste Tranche aus dem Hilfspaket. "Man musste dabei schon einmal ein schlechteres Gefühl haben", sagt ein Sitzungsteilnehmer.
Deutlicher wird Olli Rehn, als Währungskommissar einer der Chefaufseher über Athens Fortschritte. Er macht den Premierminister selbst als Garanten des Reformkurses aus: "Herr Samaras hat viele überrascht mit seiner Fähigkeit, den Reformkurs zu halten und so das Vertrauen in Griechenland wieder herzustellen", sagte Rehn der "Welt am Sonntag".
Vertrauen kehrt zurück, dieser flüchtige wie unverzichtbare Stoff. "Darin sind sich alle einig, von der internationalen Gemeinschaft über die Finanzmärkte bis zu den Griechen selbst", sagt Maria Damanaki, die griechische EU-Kommissarin.

Fitch stuft Griechenlands Bonität herauf


Die Ratingagentur Fitch nahm fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Herabstufung der griechischen Kreditwürdigkeit auf die unterste verfügbare Stufe nun genau diesen Schritt zurück und begründete die Entscheidung mit dem klaren Reformkurs der Regierung.
Die griechische Wirtschaft habe in der Wettbewerbsfähigkeit vier Fünftel des Abstands zum Durchschnitt der Euro-Zone wieder aufgeholt, urteilt Fitch. Die Messgröße ist schwer zu quantifizieren, weil ein jeder etwas anderes darunter versteht. Aber nicht zu übersehen ist, dass Griechenland die Arbeitskosten brutal gesenkt hat und inzwischen recht beherzt seinen Staatsbesitz privatisiert. Für Unternehmen kommt das Land wieder als Investitionsstandort infrage.
Das hilft Samaras auch in der Heimat. Nicht, dass die Griechen, das von ihrer Wirtschafts-, Schulden- und Staatskrise am meisten gebeutelte Volk Europas, dem Sparen viel abgewinnen können. Eine Umfrage des US-Forschungsinstituts Pew Research aus der zurückliegenden Woche zeigt deutlich, dass zwei Drittel der Griechen das Vertrauen in die EU verloren haben, und sogar drei Viertel bescheinigen Samaras eine schlechte Leistung in der Krisenbewältigung.

70 Prozent der Griechen für den Euro


Das Misstrauen seines Volkes teilt er mit den Regierungschefs Italiens und Spaniens. Aber knapp 70 Prozent der Griechen wollen den Euro behalten, und es ist nur eine knappe Mehrheit, die sagt: Statt zu sparen, müsse das Land Geld ausgeben, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Bei der jüngsten Parlamentsentscheidung über den Abbau von weiteren 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst, eine Voraussetzung für die Milliardenzahlung von der Euro-Zone, demonstrierten nur noch ein paar Tausend. Der gewaltbereite schwarze Block der Anarchisten? Nicht zu sehen. Die Besetzung öffentlicher Gebäude? Vorbei. So schnell vergeht ein Jahr, so viel kann sich ändern.
Fragil bleibt die Lage, denn die europäischen Anreize zu Reformen drohen sich rasch zu verlieren. Auch in Europa dreht die Stimmung, in die umgekehrte Richtung allerdings. Genug gespart, ruft Frankreichs Präsident, der doch in seinem ersten Jahr im Amt nicht einmal das Tempo der Neuverschuldung drosselte, von Schuldenabbau ganz zu schweigen.
"Schluss mit dem Zwang zur Konsolidierung", das ist allenthalben zu hören und in dieser Woche auch aus der EU-Kommission so deutlich wie nie: Die europäische Aufsicht über Finanzen und Reformen durch die Troika der Geldgeber habe ihre Unzulänglichkeiten bewiesen, sagte Rehns Kollege László Andor, zuständig für Soziales, am Mittwoch auf einer Veranstaltung im Europäischen Parlament. Die sollte eigentlich den Wandel in Griechenland aufzeigen, Andor aber sagte: "Es ist an der Zeit, diese Troika-Praxis rasch zu beenden."
 

Farmers Angst vor der Kälte Konfiszierung ihres Landes

Wo früher die innerdeutsche Grenze das Eichsfeld zerschnitt, soll das "Grüne Band" wachsen. Zwischen Bauern und Naturschützern ist ein erbitterter Streit um Äcker, Wiesen und Öko-Nischen ausgebrochen.

Hat es die Grenze eigentlich je gegeben? Über den Bundsenberg bei Duderstadt läuft zwar schnurstracks der Kolonnenweg durch die hügelige Landschaft, auf dem die DDR-Grenzsoldaten einst in Kübeltrabbis patrouillierten. Neben den gelochten Betonplatten sprießen links und rechts der Fahrspur Bäume und Büsche aus der Erde. Die deutsch-deutsche Narbe wächst mit Haselnusssträuchern, Eichen und Lärchen zu.
Dass hier vor einem Vierteljahrhundert noch ein Todesstreifen mit Metallgittern, Minen, Stacheldraht und Selbstschussanlagen die Gegend zerfurchte, mag man kaum glauben. Das Eichsfeld wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zerschnitten. Wenn in Thüringen ein Verwandter starb, hängten die Hessen oder Südniedersachsen Kränze in den Stacheldraht.
Heute verstellt kein Zaun mehr den Blick vom Bundsenberg. Im Tal zeigen zwei Kirchturmspitzen Duderstadt an, mit seinen restaurierten Fachwerkbauten, der mittelalterlichen Wallanlage und dem uralten Rathaus wohl eine der schönsten Städte der Republik. Das Eichsfeld liegt mitten in Deutschland, man rühmt sich hervorragender Mettwürste und seines unerschütterlichen katholischen Glaubens. Der Rest ist Ansichtssache. Denn was man vom Bundsenberg bei Duderstadt genau sieht, wenn man ins Land schaut, hängt sehr davon ab, was man mit der Gegend noch vorhat.
Die Bauern freuen sich über die kaminrote Erde, die das Wasser lange speichert. Den fruchtbaren Lössboden haben schon die Vorväter beackert. Als die Grenze das Eichsfeld durchtrennte, war Feldwirtschaft dort kaum möglich. Dann verschwand 1990 der Metallgitterzaun, kurz darauf kehrten die Trecker zurück. Das Niemandsland wurde wieder beackert.

Das Projekt tritt in Phase zwei


Doch diese Rückkehr zur landwirtschaftlichen Normalität steht jetzt zur Debatte. Im Eichsfeld ist ein erbitterter Streit um Felder, Flächen und Wiesen ausgebrochen. Naturschützer streiten für neue Öko-Nischen, Bauern für ihre angestammten Äcker.
Der Geschäftsführer des Landvolks im Kreis Göttingen, Achim Hübner, nennt es kühl einen "Kampf um die Fläche". Sein Gegenspieler Holger Keil, Geschäftsführer der naturnahen Heinz-Sielmann-Stiftung in Duderstadt, spricht von einem "handfesten Interessenkonflikt". Die Bauern seien dabei, eine "Riesenchance" für die Region zu vermasseln.
Es geht um das "Grüne Band". Auch viele Landes- und Lokalpolitiker unterstützen die Renaturierung der ehemaligen Grenze, die der Region mehr Tourismus bescheren könnte. Die Idee dazu wurde geboren, als die Mauer noch stand. Ein Jahr vor der Wende, 1988, schloss der Naturfilmer Heinz Sielmann seinen TV-Klassiker "Tiere im Schatten der Grenze" mit den Worten: "Ich kann mir kein besseres Denkmal für eine überwundene deutsch-deutsche Grenze vorstellen, als einen großen Nationalpark von der Ostsee bis zum Thüringer Wald."
Damals war Sielmanns Satz visionär. Nun ist er geübte Praxis. Das Naturschutzprojekt "Grünes Band" tritt gerade in Phase zwei. Das bedeutet: Es wird ernst. Vor allem für die Bauern. Denn worüber Keil sich freut, halten viele Landwirte glatt für eine "kalte Enteignung".

Eine bewaldete Öko-Autobahn?


Naturschützer mögen sich über stillgelegte Felder, Feuchtwiesen und frei mäandernde Flussbetten freuen. Doch Landwirte wie Karl Heinz Engelhard aus Gieboldehausen ziehen angesichts der neuen Artenvielfalt im Sumpfgebiet höchstens die Augenbrauen hoch.
"Früher war das mal Acker hier", berichtet Engelhard, seine Stimme klingt bitter. Der Bauer kann sich gut erinnern, wie hier Gräben gezogen und Dränagen gelegt worden sind, um den Boden zu entwässern. Das Grundstück neben seinen Feldern gehört jetzt dem Land Niedersachsen. Seitdem wachsen die Gräben zu, der Wasserpegel steigt. Wenn das so weitergeht, kann Engelhard seinen Acker bald vergessen.


Sein Aussiedlerhof liegt nicht weit von der Rhume, einem Fluss, der in Rhumspringe durch eine Karstquelle mit kristallklarem unterirdischem Harzwasser gespeist wird. Die sagenumwobene Rhume schlängelt sich etwa 50 Kilometer gen Westen, bis sie bei Northeim in die Leine fließt. Die Rhumeauen wurden in der Naturschutzplanung schon vor längerer Zeit dem "Grünen Band" zugeschlagen. Engelhard muss damit rechnen, dass seine Äcker und Felder in Flussnähe bald zu Feuchtwiesen werden könnten. Und er kann fast nichts dagegen tun.
Denn die Naturschützer träumen hier von einem ökologischen Refugium, das sich entlang des stillgelegten Todesstreifens mindestens in Fußballfeldbreite von der Ostsee bis zum Bayerischen Wald durch Deutschland zieht. Das "Grüne Band" wäre eine bewaldete Öko-Autobahn, wo der Luchs den Fuchs überholt, Zauneidechsen am Wegesrand ungestört ihre Eier legen, Kröten fröhlich von Hessen nach Thüringen wandern und keinem Autoreifen, sondern finalmente höchstens einem Storch begegnen.

Der Traum vom Idealzustand der Natur


Während sich zwischen Birken und Fichten die Flora vervielfältigt, setzen vom Aussterben bedrohte Vögel fröhlich ihre Nester in die Baumkronen. Im Eichsfeld ist zum Beispiel der Rote Milan wieder heimisch. Er nistet in Eichen, Buchen und Kiefern. Ein leiser Jäger. Wenn der Rotmilan die terrakottafarbene Landschaft überfliegt, erkennt man ihn "am halb gefächerten Schwanz", wie der Biologe Holger Keil erklärt.


Keil könnte stundenlang über den Roten Milan reden. Im Eichsfeld fühlt sich der Greifer wohl. Je mehr landwirtschaftliche Flächen in Brachen umgewandelt werden, desto mehr Beute findet er.
Als Heinz Sielmann in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre seine Expedition ins Tierreich der deutsch-deutschen Grenze unternahm, entdeckte er eine zum Teil vollkommen unberührte Flora und Fauna, die er sonst nur noch aus Kindertagen kannte. Die von Sielmann dokumentierte Natur am Todesstreifen kannte zudem keine Grenzen. Da wühlten sich Dachse unter den tief in die Erde eingelassenen Metallgitterzaun durch, Singvögel brüteten im Minenfeld.
Kraniche und Kormorane fraßen sich auf streng bewachten LPG-Feldern satt und flogen abends zu ihren Nestern rüber in den Westen. Diesen vermeintlich unberührten Zustand wollte Sielmann gern erhalten. Für den 2006 verstorbenen und in einer kleinen Kapelle bei Duderstadt beigesetzten Tierfilmer war das "Grüne Band" nicht nur ein ehrgeiziges Öko-Denkmal, sondern auch eine Zeitmaschine, mit der man die ganzen Landstriche in einen Idealzustand zurückversetzen könnte.

Landfrust statt Landlust


Nur – für wen ideal? "Wenn man den Naturschützern den kleinen Finger gibt, nehmen die gleich die ganze Hand!", schimpft der pensionierte Landwirt Arno Homann, der auf der anderen Rhumeseite in Elbingen bei Gieboldehausen auf dem Altenteil lebt. Sein ältester Sohn hat Vornamen und Hof geerbt, auch dessen Sohn will den Acker- und Milchbetrieb irgendwann weiterführen.
Früher war es selbstverständlich, dass die Höfe von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Heute überlegen sich die Jungen sehr gut, ob sie das Abenteuer Landwirtschaft noch wagen sollen. Auch immer weniger Eichsfelder riskieren es. Beantragten 1999 noch 1320 bäuerliche Betriebe im Landkreis Göttingen Fördergelder bei der EU, sind es heute nur noch 780. Der Bauer, früher neben dem Pfarrer, dem Arzt und dem Lehrer eine zentrale dörfliche Respektsperson, gibt auf.


Denn in der Provinz herrscht längst Landfrust statt Landlust. Wer einen Hof betreibt, ist von Vorschriften umstellt. Die Preise verderben schneller als Milch in der Sonne. Vor allem in der Kuhwirtschaft muss man heute knallhart kalkulieren.
In seiner Kindheit hat Arno Homann jr. die Rinder abends noch von den unten an der Rhume gelegenen Wiesen zurück in den Stall getrieben. Er kannte als Kind jedes Tier mit Namen: Adelia, Berta, Caroline – und so weiter. Gemächlich trotteten die Kühe die schmale Landstraße den Hügel hinauf auf den Hof; jedes Vieh kannte seine Box. Doch eine Kuh auf der Wiese kann sich Arno Homann, 49, nicht mehr leisten. Mit Kraftfutter im Stall liefert so ein Tier inzwischen einfach mehr Milch. Auch die Namen sind deshalb nicht mehr so wichtig. Man muss die Kühe ja nicht mehr rufen, sie stehen das ganze Jahr im Gehöft.

Farmer und Cowboys verteidigen ihr Glück


Wie fast überall in Deutschland verschwanden die Hausrinder deshalb im Laufe der Jahre auch im Eichsfeld sang- und klanglos aus dem Landschaftsbild – ein Kulturbruch, den man kaum ermessen kann. Vor 1000 Jahren wurden die meisten Eichsfelder Dörfer in den dunklen Wald gesetzt. Viele Ortsnamen erzählen davon, was es für eine Knochenarbeit war, Weideland aus dem dunklen Forst zu schlagen: Ecklingerode, Westerode, Mingerode, Holzerode. Gerodet wurde mit Muskelkraft oder Feuer. Jede neue Siedlung war ein Sieg des Menschen über bisweilen ausgesprochen unfreundliche Natur.


Heute läuft auf den Eichsfelder Höfen fast alles maschinell. Doch wenn sie auf ihren Treckern sitzen, umweht Bauern wie Engelhard und Homann noch immer ein Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit. Im Eichsfeld gibt es noch echte Farmer und Cowboys, und sie verteidigen ihr kleines Glück.
Ein Städter, bei dem die Milch aus der Tüte kommt, mag das befremdlich finden. Den Dörflern ist das freilich egal. Sie sind stolz auf ihren Lebensstil. Bis in die 70er-Jahre hinein wurde im Eichsfeld noch Virginia-Tabak angebaut, jetzt wächst das Kraut wild an den Flüssen. Das Marlboro-Feeling der Bauern aber ist geblieben. Gefährdet wird es weniger durch den knallharten Preiskampf als vielmehr durch bürokratische Vorschriften – und galoppierenden Unsinn, der auch vom Naturschutz herrührt.

Die Bauern verdienen das Misstrauen nicht


Gut gemeint ist nämlich auch hier nicht immer gut gemacht. An den Eichsfelder Feldwegen wachsen viele Obstbäume; Pflaumen, Mirabellen, Kirschen, Äpfel. Im Sommer und Herbst bedient sich dort, wer will, vor allem für Kinder ein Riesenspaß. Seit Jahrhunderten pflanzen die Bauern Gehölze am Ackerrand, so will es der Brauch. Und wenn ein Landwirt eine neue Zufahrt legen musste, weil die alte zu klein geworden war, wurde auch schon mal ein Stamm gefällt. Danach krähte kein Hahn.
Inzwischen wird das alles penibel durch Gesetze geregelt. Wer einen Baum fällt, muss mehrere junge Bäume nachpflanzen. Das aber hat dazu geführt, dass kaum noch ein Bauer bereit ist, freiwillig zu pflanzen – so wie es früher ganz selbstverständlich war.
Hinter den rigiden Regelungen steckt ein Misstrauen, das die Bauern nicht verdient haben. Denn Landwirte wie Homann und Engelhard sind nicht gegen den Schutz der Natur. Sie sind auch nicht grundsätzlich gegen das "Grüne Band". Sie haben bloß etwas gegen Leute, die ihnen ständig vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen haben auf ihren Feldern.
"Naturschutz" klingt in ihren Ohren eben nicht wie Artenvielfalt und ökologische Erholung, sondern wie eine gefährliche bürokratische Chiffre. Wer von Naturschutz redet, der hat immer eine Verbotsliste in der Hinterhand. Wetten?

"Der hat noch nie richtig gearbeitet"


Mehr als 40 Ortschaften und Verbände haben sich inzwischen allein im Eichsfeld zusammengeschlossen, um gegen die "aktuelle Ausgestaltung des Naturschutzgroßprojekts" zu protestieren. Rund 300 Bauern haben vor ein paar Wochen in Duderstadt gegen das "Grüne Band" demonstriert.
Im katholischen Eichsfeld kommt das eher selten vor. Bis 250 Trecker Richtung Duderstadt rollen, um dort ein Hupkonzert zu geben, muss schon einiges passieren. Was die Landwirte besonders empört: Ständig wird über ihre Flächen gesprochen – mit den Eigentümern oder Pächtern persönlich redet aber kaum jemand. Die Bauern fühlen sich übergangen; das geht ihnen an die Ehre.
Deswegen musste der Frust auf der Demo mal raus. Die Bauern trugen Transparente wie "40 Jahre Grenze reicht" oder "Keine neue Grenze nach der Wiedervereinigung". Die Stimmung war gereizt. Manche Demonstranten verglichen das Naturschutzgebiet mit einem Krebsgeschwür, andere sahen sich schon auf dem Weg nach "Nordkorea".
Und natürlich bekam der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel, ein Grüner, sein Fett weg. Der habe in seinem "Leben noch nie richtig gearbeitet", vergriff sich ein Redner im Ton.

Bauern im Eichsfeld haben immer zu tun


Der Göttinger Wenzel kennt die Landwirtschaft ganz gut, er hat sein Leben einige Jahre sogar als Selbstversorger bestritten. Jetzt lebt er in einem Dorf am Rande des Eichsfelds, seine Frau stammt aus Gieboldehausen. Mit den Bauern will Wenzel keinen Ärger.
Er weiß: Ohne die Landwirte geht auch im Naturschutz nichts voran. Die geplante Entwicklungsfläche "Grünes Band" hat er deshalb vor Kurzem deutlich reduzieren lassen. Beim Gespräch in seinem Büro in Hannover betont er freundlich die "Freiwilligkeit des ganzen Projekts". Er habe "großes Interesse, das Vorhaben ins Ziel zu bringen".
Das "Grüne Band" wird sich wohl durchsetzen – mit Kompromissen. Und Arno Homann jr. macht weiter. Im August wird er 50. Da kann man Bilanz ziehen. Klima? Wetter? Preise? Markt? "Jedes Jahr war anders!", sagt er knapp.
Dann dreht er sich eine Zigarette, springt auf seinen John Deere und rollt mit dem Trecker Richtung Rhumspringe, wo Homanns Weizen wächst. Ob mit oder ohne "Grünem Band": Ein Bauer aus dem Eichsfeld hat immer was zu tun.

Friday, May 17, 2013

Staaten Tricks die Kontrolle über die Zielgesellschaft

Es liest sich wie das "Who is Who" der Weltwirtschaft: Apple, Google, Starbucks, Amazon, BASF und Bayer stehen wegen kreativer Steuersparmodelle in der Kritik. Nun wollen sich die Staaten wehren.

Die grenzübergreifenden Steuersparmodelle internationaler Konzerne geraten zunehmend in der Kritik. In den USA soll sich nun Apple-Chef Tim Cook vor einem Ausschuss des US-Senats erklären.
Cook will derweil in die Gegenoffensive gehen und auf eine "dramatische Vereinfachung" der amerikanischen Unternehmenssteuern drängen. Damit meint er vor auch: Die Abgaben auf im Ausland erzielte Gewinne müssten sinken.
"Wenn man heute sein Geld in die USA holt, muss man 35 Prozent davon abführen. Das ist eine sehr hohe Zahl", sagte Cook der "Washington Post". "Wir schlagen nicht vor, dass es null sein sollte. Ich weiß, dass viele unserer Mitbewerber dies glauben. Aber ich sehe das anders. Es sollte allerdings angemessen sein."
Apple lieh sich jüngst am Kapitalmarkt 17 Milliarden Dollar (13,2 Milliarden Euro), um für Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe nicht auf seine Reserven zurückgreifen zu müssen. Denn die liegen großteils im Ausland. Analysten rechneten aus, dass Apple durch seinen Schachzug 9,2 Milliarden Dollar an Steuern gespart habe.
Cook wehrte sich gegen den Vorwurf, den Staat um sein Geld zu bringen. "Vielleicht wissen sie es nicht, aber Apple ist wahrscheinlich der größte Steuerzahler unter den US-Unternehmen." Jede Stunde zahle der Konzern alleine eine Million Dollar an Ertragssteuern im Inland. "Apple besitzt einen hohe moralischen Anspruch. Wir glauben daran, dass ein Unternehmen seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten muss."

Amazon muss sich in Großbritannien rechtfertigen


Auch Amazon steht unter Beschuss. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters über Finanztricks in Großbritannien muss sich das Unternehmen dort auf unbequeme Fragen vor einem Parlamentsausschuss gefasst machen.
 
"Wir müssen Amazon ganz dringend noch einmal vorladen und sie mit all dem konfrontieren, was Sie enthüllt haben", sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Öffentliche Angelegenheiten im Unterhaus, Margaret Hodge. Sollte sich herausstellen, dass Amazon bei einer früheren Anhörung das Parlament belogen habe, wäre dies eine "sehr ernste Angelegenheit".
Zugleich forderte Hodge die britischen Steuerbehörden auf, noch einmal genau zu prüfen, inwieweit Amazon wirklich alle Steuern gezahlt habe, die es nach geltendem Recht an das Königreich hätte entrichten müssen. In den vergangenen sechs Jahren hat Amazon in Großbritannien einen Umsatz von 23 Milliarden Dollar gemacht und nur rund neun Millionen Dollar Steuern gezahlt.
Amazon-Spitzenmanager Andrew Cecil erklärte bei einer ersten Anhörung im November, dass das britische Amazon-Geschäft nicht eigenständig sei und alle wichtigen Entscheidungen am Firmensitz in Luxemburg gefällt würden. Dies sei der Grund, weshalb Amazon vor allem dort Steuern abführe. In Luxemburg gelten deutlich niedrigere Steuersätze.
Laut Reuters ist es Amazon.com gelungen, mit Hilfe seiner Luxemburger Firmen-Konstruktion rund zwei Milliarden Dollar steuerfrei beiseitezulegen – Geld, das nun für die Expansion der Firma genutzt wird.
Aus Amazon-Mitteilungen, Stellenausschreibungen sowie Schilderungen ehemaliger Amazon-Mitarbeiter und Zulieferer geht allerdings hervor, dass die britische Sparte Amazon.co.uk Ltd. alles andere als eine virtuelle Zweigstelle des globalen Konzerns ist und über recht ähnliche Strukturen wie gewöhnliche Einzelhändler verfügt – nur eben mit dem Unterschied, dass diese deutlich mehr Steuern zahlen. Ähnliche Strukturen soll es auch bei Google und Starbucks geben.

Deutsche Konzerne in Belgien kreativ


Auch deutsche Konzerne wie Bayer, BASF, und Volkswagen nutzen offenbar Schlupflöcher. Laut "Spiegel" sind die Konzerne in Belgien aktiv und setzen dort in großem Stil auf Vorteile, die sich aufgrund der steuerlichen Abgeltung von Eigenkapitalzinsen ergeben. Die genannten Konzerne wiesen den Vorwurf der Steuertrickserei zurück.
Dem Bericht zufolge hat der Pharma- und Chemiekonzern Bayer 2011 in Belgien für einen Vorsteuergewinn von 254,8 Millionen Euro lediglich 10,8 Millionen Euro an Abgaben gezahlt. Um das zu schaffen, habe Bayer 2011 das Eigenkapital seiner belgischen Tochter auf mehr als acht Milliarden Euro verdoppelt.
Bei einer Tochter des Rivalen BASF in Antwerpen habe der Steuersatz sogar lediglich bei 2,6 Prozent gelegen. Die belgische VW-Tochter Volkswagen Group Services habe 2012 einen steuerfreien Gewinn von 153 Millionen Euro kassiert, im Vorjahr seien 141 Millionen Euro steuerfrei gewesen.
In Belgien können bei der Übertragung von Eigenkapital fiktive Zinsen steuerlich abgezogen werden. Es wird so getan, als ob die Tochter für das Eigenkapital Zinsen zahlen müsste – so wie es bei der Aufnahme eines Kredits der Fall wäre.
Mit dieser in Belgien geltenden Regelung soll die Eigenkapital-Finanzierung der Finanzierung mittels Fremdkapital wie etwa durch Kredite angeglichen werden. In Deutschland gilt dies steuerlich nicht. Daher zahlt es sich für Unternehmen aus, wenn sie ihre belgischen Tochtergesellschaften mit viel Eigenkapital unterlegen.

Bayer wehrt sich


Bayer kritisierte den Bericht. "Gegen den Vorwurf der Steuertrickserei verwahren wir uns ausdrücklich", erklärte der Konzern. Der Abzug von Eigenkapitalzinsen in Belgien stelle kein Steuerschlupfloch dar, sondern trage dem Grundsatz der Steuerneutralität der Unternehmensfinanzierung Rechnung.
Auch der Rivale BASF erklärte, dass er in allen Ländern die jeweils anfallenden Steuern nach dem Landesrecht zahle. Der Bericht beziehe sich wahrscheinlich auf die Verwaltungstochter BASF Belgium Coordination Center, die neben dem Vertrieb die Finanzierung von BASF-Gesellschaften außerhalb Deutschlands übernehme.
"Das operative Geschäft der BASF Antwerpen, die den größten Produktionsstandort der BASF in Belgien betreibt, unterlag 2011 einem Steuersatz von mehr als 30 Prozent", erklärte BASF.
Auch Volkswagen wies darauf hin, dass der Konzern sich an die in Belgien geltenden Steuerbestimmungen halte und daher nicht trickse. Das belgische Steuerrecht gewähre für jede Unternehmensaktivität seit 2007 einen Abzug von typisierten Eigenkapitalkosten.
Damit würden Nachteile gegenüber der Fremdfinanzierung beseitigt. Die Regelung sei neuerdings auch in Italien eingeführt worden, erklärte VW. Der in dem Vorabbericht des "Spiegel" zunächst ebenfalls genannte Henkel-Konzern erklärte, die Praktiken nicht anzuwenden. "Da trifft auf uns nicht zu", sagte ein Sprecher.
Reuters/dpa/AFP/lw

Serious Konflikte schwächen die Anti-Euro-Partei

Querelen bremsen die Alternative für Deutschland. In Berlin kämpft sie gegen Familien-Klüngel, in Bayern ist man zerstritten. Parteichef Lucke droht schon mit der Auflösung von Landesvorständen.

Es läuft nicht rund für die neue Partei, die sich als Alternative zu sämtlichen etablierten Parteien versteht. Zwar steigt die Zahl der Unentschlossenen und Nicht-Wähler in Deutschland vier Monate vor der Bundestagswahl ununterbrochen. Trotz der Programmparteitage von SPD, Grünen und FDP kletterte diese Zahl in der jüngsten Forsa-Umfrage um drei Punkte auf 30 Prozent. Doch die Alternative für Deutschland kann noch nicht wirklich davon profitieren. Sie kommt auf gerade mal zwei Prozent und liegt damit gleichauf mit den Piraten.
Auch innerparteilich kämpft die neue Partei derzeit weniger gegen den politischen Gegner als vielmehr gegen die eigenen Unzulänglichkeiten. So endete der Landesparteitag in Bayern am vergangenen Wochenende im Chaos, obwohl Bundessprecher Bernd Lucke eigens nach Bayern gereist war. Grund für das Desaster waren heftige Personalquerelen. Nach stundenlanger Auseinandersetzung über die Neuwahl des erst seit einigen Wochen amtierenden Landesvorstands wurde der Parteitag schließlich abgebrochen, weil offen herumliegende Stimmzettel aus der Stichwahl zum Parteivorsitz aufgetaucht waren. Darüber musste sich die AfD dann auch von dem selbstgesteckten Ziel verabschieden, im September auch zur bayerischen Landtagswahl anzutreten.

Berliner Verhältnisse


Auch in Berlin geht es drunter und drüber. Der Landesverband entband den bisherigen Leiter der Geschäftsstelle, Matthias Goldstein, von seinen Funktionen und sucht nun händeringend nach neuen Räumlichkeiten. Die war nämlich bislang in den Räumen der Firma Goldstein Consulting in Charlottenburg untergebracht. "Eine eventuelle Verquickung von Partei und Familie muss zwingend vermieden werden", teilte der Landesverband dazu mit.
Im Zuge der Querelen nahm auch der Sprecher des Landesverbandes, Matthias Lefarth, seinen Hut. Allerdings werde er der Partei verbunden bleiben, hieß es. Lefarth solle künftig inhaltlich auf seinem eigentlichen Themengebiet, der Steuer- und Finanzpolitik, für den Landesverband und die Partei arbeiten. Nach dem Revirement war geplant, dass sich die Ehefrau von Matthias Goldstein, Anette Goldstein, "künftig verstärkt auf die Ausarbeitung inhaltlicher Positionen" konzentrieren solle. Kurz darauf kündigte sie ihren Rücktritt aus dem Vorstand an.

"Kooperativ arbeiten"


"Offenbar ist Annette Goldstein nicht bereit, in einem Vorstand mitzuarbeiten, in dem sie momentan nicht mehrheitsfähig ist", sagte AfD-Landessprecher Günther Brinker. Es hätte von Seiten des Vorstandes die Möglichkeit für sie gegeben, mit inhaltlicher Sacharbeit die Positionierung der AfD in Berlin voranzubringen. "Jederzeit wäre der Vorstand bereit gewesen, sie in die inhaltliche Arbeit einzubeziehen und kooperativ zusammenzuarbeiten. Dazu bestand im Gesamtvorstand Einstimmigkeit", so Brinker.
Da die Querelen kaum noch zu verbergen sind, räumt nun auch AfD-Chef Bernd Lucke "massive Konflikte in mehreren Landesverbänden" ein. "Ich will mit allen Beteiligten reden, um die Querelen beizulegen", sagte er dem "Focus". Wenn das keinen Erfolg habe, müsse notfalls wie in Bayern der gesamte Vorstand zurücktreten und neu gewählt werden. In den vergangenen Wochen hatte die AfD-Spitze selbstbewusst die Gründung von Landesverbänden und entsprechenden Kandidatenlisten für die Landtagswahl in Bayern sowie für die Bundestagswahl angekündigt. Nun drohen Auseinandersetzungen in Berlin und Bayern den gesamten Parteiaufbau zu belasten.

 

Wie rogue Anwälte drohen Weg NSU

Rechtsanwälte versuchen, weitere angebliche Opfer des Nagelbomben-Anschlags in der Kölner Keupstraße zu finden. Weitere Nebenkläger könnten jedoch zu einer Aufspaltung des Gerichtsprozesses führen

Abdulla Özkan hat die ersten Prozesstage im NSU-Verfahren erlebt und musste immer wieder seinen Ärger bändigen. Der 39-jährige Kölner sitzt als Nebenkläger im Saal des Oberlandesgerichts München und ärgerte sich darüber, dass die Verteidigung den Prozess mit Anträgen ausbremste. "Wann geht es los", fragte er seinen Anwalt, der ihn immer wieder leise beruhigte. Özkan missfiel auch das unbekümmerte Auftreten der Angeklagten Beate Zschäpe und ihrer Anwälte.
"Sie kam, als ob nichts passiert wäre. Sie kam sehr aufgemöppelt da hin, als ob sie auf eine Party geht. Sie hat mit ihren Verteidigern gelacht und geschmunzelt. Ich fand das schade, dass sie nicht ernst geblieben ist. Sie zeigt sehr viel Schwäche als Mensch. Wenn mir ein Mensch ins Gesicht lacht, dann zeigt er keine Reue", sagt Özkan.
Es klingt nicht so, als ob die Opfer, die die beispiellose Terrorserie des nationalsozialistischen Untergrunds überlebt haben, wirkliche Erleichterung verspüren, dass das Gerichtsverfahren eröffnet wurde. "Mein Eindruck ist, dass da gespielt wird, dass der Prozess verzögert wird. Ich kann mir noch kein Bild machen, Für mich ist es sehr schwer zu verstehen, was da jetzt geschieht", sagt Nebenkläger Özkan.
Er befand sich im Friseurladen in der Keupstraße, einer Geschäftsmeile mit hohem Migrantenanteil in Köln-Mülheim, als im Juni 2004 eine Nagelbombe vor der Tür detonierte. Es wurde erst Jahre später als Attentat des NSU erkannt. Damals war Attila Özer ebenfalls im Laden. Jetzt sitzt der 38-Jährige neben Özkan. Auch er ist ein Nebenkläger. Beide haben seit der verheerenden Explosion gesundheitliche Probleme und sind in Behandlung. Der Anschlag hat alles bei ihnen verändert.
 

"Irgendwann muss einmal Schluss sein"


Attila Özer hat den Prozess mit zwiespältigen Gefühlen wahrgenommen. Es hilft ihm zwar, dass der Prozess begonnen hat. Doch ihn stört vor allem, dass offenbar fremde Rechtsanwälte versuchen, angebliche Opfer als neue Nebenkläger ins Verfahren zu bringen. "Das Gericht muss prüfen, was das für Leute sind. Das ist nicht korrekt, jetzt zu kommen und zu sagen, ich bin verletzt. Jetzt nach zwölf Jahren, das kann nicht sein", sagt Özer.
Anwalt Eberhard Reinecke bekräftigt, man wisse nun seit eineinhalb Jahren, wer hinter dem Anschlag gesteckt habe: "Nach allem Verständnis, irgendwann muss einfach mal Schluss sein." Es klinge "unglaubwürdig", wenn sich Opfer jetzt erst meldeten.
Reinecke teilt mit sechs weiteren Rechtsanwälten die Sorge, dass unseriöse Kollegen sich mit angeblichen Opfern ins NSU-Verfahren "einschleichen" könnten. Der Vorsitzende der "Interessengemeinschaft Keupstraße", Mitat Özdemir, beklagt, dass neuerdings fremde Rechtsanwälte in der Geschäftsstraße auftauchten und nach neuen Opfern suchten, um diese zu vertreten.
Gewerbetreibende hätten ihn darauf hingewiesen. "Wir lehnen das ab. Das ist unerhört", sagt Özdemir. "Nicht auf Kosten der Opfer", wirft Nebenkläger Özkan ein. Es sollen bisher etwa sieben Rechtsanwälte aus dem ganzen Bundesgebiet versucht haben, Mandanten für den NSU-Prozess zu rekrutieren.

Abtrennung des Verfahrens wäre "Horrorszenario"


Die bisherigen Anwälte der Nebenkläger sind alarmiert, denn eine zunehmende Zahl an Nebenklägern könnte dazu führen, dass der Anschlag in der Keupstraße abgetrennt und erst nach dem Hauptverfahren behandelt wird. Der Vorsitzende Richter, Manfred Götzl, hat dies in der vergangenen Woche öffentlich ins Gespräch gebracht und dann einstweilen verworfen. "Real heißt das in diesem Fall: Einstellung", sagt Anwalt Reinecke.
Nach seiner Ansicht sei das Bombenattentat jedoch ein "zentraler Teil" des Verfahrens: "Wenn man diesen Teil nicht untersucht, dann untersucht man nur die Hälfte dessen, was typisch für den rechten Terrorismus ist." Unter der Anwälten gilt es als "Horrorszenario", wenn es zu einer Abtrennung käme.
Bei Nebenkläger Abdulla Özkan ist indes fraglich, welche Prozesstage er künftig wahrnehmen kann, weil ihn sein Arbeitgeber braucht und er keine Urlaubstage mehr hat. Auf die Frage, was er gegenüber der Angeklagten Zschäpe empfindet, sagt er nur: "Es nützt nichts, wenn ich sauer bin. Die Frau interessiert das nicht. Aber es wird sie interessieren, wenn der Richter mit den Zeugenvernehmungen beginnt."

Wednesday, May 15, 2013

Wissenschaftler erste menschliche Klon

Was der Südkoreaner Hwang Woo-suk 2005 nur behauptet hatte, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Forschern in Oregon ist es erstmals gelungen, menschliche Embryonen aus Hautzellen zu klonen

Die Büchse der Pandora ist weit geöffnet. Zum ersten Mal ist es Wissenschaftlern tatsächlich gelungen, menschliche Zellen zu klonen und genetisch identische Embryonen herzustellen.
Was den Forschern im Stammzelllabor der Oregon Health an Science University gelang, ist nicht nur ein wissenschaftlicher Durchbruch, sondern eröffnet faktisch auch die ethisch höchst problematische Möglichkeit Menschen zu kopieren. Das was vor gut 15 Jahren mit dem Klonschaf Dolly glückte, funktioniert nun auch mit Menschen, berichten die Wissenschaftler in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift "Cell".
Ausgangspunkt waren Hautzellen von Kindern gewesen, in denen wie in allen Zellen eines menschlichen Körpers die vollständige Erbinformation (DNA) enthalten ist. Kerne dieser Zellen wurden von dem Wissenschaftlerteam unter Leitung von Shoukhrat Mitalipov in Spender-Eizellen verpflanzt und daraus in Kulturschalen mit Nährflüssigkeit Embryonen gewonnen.
 
 
 

Embryonen mit 150 Zellen

Diese wären lebensfähig gewesen, wenn man das Experiment nicht nach sieben Tagen abgebrochen hätte. Zu diesem Zeitpunkt bestanden die Embryonen aus 150 Zellen.
Tatsächlich ging es diesen Forschern nicht darum, menschliche Klone zu erschaffen – aus diesem Embryo hätte sich ja ein Baby entwickelt, das genetisch identisch zu jenem Kind ist, dem die Hautzelle entnommen worden war.
Bei dem Forschungsprojekt geht es vielmehr darum, menschliches Gewebe und letztlich sogar Organe zu gewinnen, mit denen dem lebenden, an einer Krankheit leidenden Kind, geholfen werden kann. Aber auch dieses sogenannte therapeutische Klonen wird große ethische Fragen auf und wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Was Hwang vorgab, ist jetzt gelungen


Nur diskutierte man bislang im abstrakten Raum. Jetzt haben Wissenschaftler demonstriert, dass sich Menschen tatsächlich klonen lassen.
Bereits vor einigen Jahren war ein Forscher für den jetzt erzielten wissenschaftlichen Durchbruch gefeiert worden. Der Südkoreaner Hwang Woo-suk hatte im Jahr 2005 in der US-Fachzeitschrift "Science" verkündigt, er habe "patientenspezifische embryonale Stammzellen" hergestellt.
Die Lobeshymnen hielten allerdings nicht lange an. Schon bald wurden Gerüchte laut, dass die Studiendaten vorsätzlich gefälscht worden seien.
Ein gutes halbes Jahr später musste Hwang diese Fälschung eingestehen. 2009 wurde er verurteilt – für die Veruntreuung von Forschungsgeldern und die illegale Beschaffung von Eizellen für seine Experimente. Hwangs vorgetäuschte Klonung ging damit als einer der spektakulärsten Skandale in die Wissenschaftsgeschichte ein.