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Wednesday, March 26, 2014

Lufthansa streicht am Donnerstag, fast 600 Reise

Die Vorbereitungen auf den Streik an den großen deutschen Flughäfen laufen auf Hochtouren: Am Donnerstag will Verdi den Flugverkehr mit Warnstreiks massiv behindern. Lufthansa will fast hunderte Verbindungen streichen.

Reisende müssen sich an diesem Donnerstag wegen des Flughafenstreiks auf Chaos einstellen. Deutschlands größte Fluglinie Lufthansa streicht fast 600 Flüge. Betroffen sind vor allem innerdeutsche und europäische Verbindungen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Die sieben großen deutschen Flughäfen rüsten sich für die Warnstreiks. Die Gewerkschaft Verdi hat im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes für Donnerstag mehrstündige Aktionen an den Flughäfen in Frankfurt, München, Düsseldorf, Hamburg, Köln/Bonn, Stuttgart und Hannover angekündigt. Am Mittwoch sorgten erneut Arbeitsniederlegungen in mehreren Bundesländern vor allem im Nahverkehr für Behinderungen und Einschränkungen.

Der größte Flughafen in Frankfurt will angesichts des bevorstehenden Streiks zusätzliches Personal abstellen, um die Kunden zu informieren, wie ein Fraport-Sprecher erklärte. Der Flughafen Hannover schätzt nach Angaben einer Sprecherin die Streikbereitschaft in der Landeshauptstadt eher gering ein. Dennoch sei auch dort mit Verspätungen und Ausfällen zu rechnen.

Die geplanten Warnstreiks stießen auf heftige Kritik in der Luftverkehrsbranche. „Flughäfen werden immer mehr zum öffentlichkeitswirksamen Schauplatz für Tarifauseinandersetzungen. Was früher eine absolute Ausnahme war, darf nicht zur Regel werden“, erklärte Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV in Berlin. Auch Lufthansa kritisierte die Verdi-Streiktaktik. „Wie schon bei dem Warnstreik des Sicherheitspersonals in Frankfurt vor gut einem Monat nimmt Verdi bewusst in Kauf, dass unbeteiligte Menschen und Unternehmen zur Durchsetzung von Gewerkschaftsforderungen instrumentalisiert werden. Alleine bei der Lufthansa Gruppe entstehen zudem Millionenschäden, obwohl wir nicht Partei in dieser Tarifauseinandersetzung sind“, sagte Vorstandsmitglied Bettina Volkens.

„Annähernd hundertprozentige Streikbeteiligung“

Am Mittwoch setzten die Gewerkschaften ihre Warnstreiks in mehreren Bundesländern fort: Verdi legte erneut große Teile des Nahverkehrs in Nordrhein-Westfalen lahm. „Wir haben eine annähernd hundertprozentige Streikbeteiligung“, sagte der Sprecher des Verdi-Bezirks NRW, Günter Isemeyer.

Auch Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg waren betroffen. In vielen Städten blieben Busse und Bahnen in den Depots. Verdi erwartete zu einer Kundgebung in Kassel mit dem Bundesvorsitzenden Frank Bsirske bis zu 5000 Teilnehmer.
Verdi will mit den Aktionen Druck vor der dritten Tarifverhandlungsrunde machen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen sich vom kommenden Montag an in Potsdam. In der zweiten Runde hatte es zwar eine Annäherung in einzelnen Punkten, aber insgesamt keinen Durchbruch gegeben. Die Gewerkschaften fordern, dass die Einkommen der 2,1 Millionen Angestellten im Bund und in den Kommunen um einen Betrag von 100 Euro und dann zusätzlich um weitere 3,5 Prozent steigen. Die Arbeitgeber haben bislang kein Angebot vorgelegt.

Kann Jürgen Fitschen und Anshu Jain Vertrag?



Prozessbetrug, Zinsmanipulation, krumme Devisengeschäfte. Die Vorwürfe gegen die Deutsche Bank häufen sich. Das wirkt sich auch auf die Vorstände Jürgen Fitschen und Anshu Jain aus.

Im jüngsten Geschäftsbericht ist der Bank der Fall Kirch nur fünf Zeilen wert. Im Herbst nahm der Konflikt mit dem Münchener Medienunternehmen noch fast eine ganze Seite ein. 775 Millionen Euro plus Zinsen und weitere Kosten, was sich auf rund 925 Millionen Euro summiert haben dürfte, hat die Bank Ende Februar an die Kirch-Erben gezahlt – in der Überzeugung, dass der zwölf Jahre währende Streit und die Prozessflut um das Interview des ehemaligen Vorstandssprechers Rolf Breuer endlich beigelegt seien. Das sei wohl eine Illusion gewesen, sagt Hans-Peter Burghof, Banken-Professor an der Universität Hohenheim. Es könne gut sein, dass die Deutsche Bank diesen Schritt schon wenige Wochen später bereut.

Denn die Causa Kirch gärt immer noch weiter, auch wenn nicht noch einmal ein drastischer Millionenvergleich droht. Nicht die Kirch-Anwälte, die Justiz in München hat Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen im Auge und mit ihm ein gutes Dutzend anderer Top-Banker, Ex-Top-Banker und Anwälte des Instituts. Die Staatsanwälte vermuten versuchten Prozessbetrug und Falschaussage oder eine angebliche Unterstützung des Betrugs. Noch im Frühjahr soll die Anklage gegen Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer, den aktuellen Rechtsvorstand Stephan Leithner, gegen andere Ex-Vorgänge und Anwälte angeblich auf dem Tisch liegen. Am Dienstag wurden Büros der Deutschen Bank durchsucht. Damit drohen ein Mammutverfahren und ein neuer Tiefschlag für das Ansehen der Deutschen Bank.

Welche Folgen haben die Anschuldigungen für die Deutsche Bank?

Fitschen hält die Anschuldigungen für absurd. Die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße hat er deshalb offenbar abgelehnt. Die Bank wolle sich nicht erpressen lassen, vermutet Burghof. Tatsächlich reagiert Fitschen, ein im Mittelstand hoch angesehener Banker, immer dann mit sehr klaren Worten und erkennbarer Empörung, wenn er sich in seinen Augen falschen Vorwürfen oder Vorhaltungen ausgesetzt sieht. Die Wirkung in der Öffentlichkeit ist allerdings eine andere, etwa wenn er in Sachen Bankenregulierung mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aneinandergerät.

Die geschäftspolitischen Sünden der Vergangenheit lasten schwer auf Fitschen und Co-Vorstandschef Anshu Jain. Und die sind deutlich geschäftsschädigender als die Causa Kirch. Das wissen beide sehr genau. Also hat die Bank im Dezember den Streit um fragwürdige Hypothekenkredite in den USA beigelegt. Kostenpunkt 1,4 Milliarden Euro. Damit ist nach Angaben der Bank zwar der größte Teil der Auseinandersetzungen beigelegt, aber eben nicht alles. Dies gilt noch mehr im Blick auf die Manipulation der Interbankenzinssätze Euribor und Libor. Ebenfalls im Dezember hat die Bank im Rahmen eines Vergleichs 725 Millionen Euro an die EU-Kommission gezahlt. Allerdings drohen – wie anderen Großbanken auch – noch Strafen in den USA und in Singapur.

Geklagt wird gegen die Bank auch wegen angeblicher Manipulationen im Devisenhandel, wegen Verbriefungskrediten und Kreditausfall-Papieren. Mögliche Umsatzsteuer-Betrügereien beim Handel mit Emissionsrechten stehen ebenso im Raum. „Kleinere“ Auseinandersetzungen mit einem Streitwert von weniger als 100 Millionen Euro über Zinsprodukte für Kommunen und Unternehmen lässt das Institut in der Aufstellung über Rechtsrisiken außen vor. Zum Teil musste sie in solchen Fällen entschädigen, zum Teil bekam sie auch recht. Burghof vermutet, dass die Bank in solchen Fällen immer öfter schnell zahlt, um nicht weiteren Staub aufzuwirbeln. Seit 2012 dürfte die Bank einschließlich des Vergleichs mit den Kirch-Erben fast sechs Milliarden Euro gezahlt haben, um Verfehlungen aus der Welt zu schaffen. Weitere 1,8 Milliarden Euro hat sie für bestehende Rechtsrisiken zurückgestellt.

Berlin in Elektro-Fieber



Auf der zweiten Hauptstadtkonferenz Elektromobilität im Roten Rathaus versichern sich die Teilnehmer: Das Schaufenster füllt sich. Doch die Öffentlichkeit bekommt es kaum mit.

Das internationale Schaufenster der Elektromobilität in Berlin und Brandenburg füllt sich – aber kaum jemand hat es bemerkt. „Man ist überrascht, was im letzten Jahr alles in Berlin passiert ist", sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Mittwoch auf der zweiten Hauptstadtkonferenz Elektromobilität im Roten Rathaus. „Aber wie kann man es auch sichtbar machen?“, fragte er die 600 Teilnehmer. Tatsächlich haben zuletzt einige Nicht- Berliner dabei geholfen, dass in Berlin das „Elektro-Fieber“ ausgebrochen ist, wie Gernot Lobenberg, Leiter der Berliner Agentur für Elektromobilität, meinte. Zum Beispiel der VW-Konzern, der auf dem Tempelhofer Flugfeld 14 Tage lang sein Angebot an E-Autos mit mehr als 6000 Probefahrten für 35000 Besucher zelebrierte.

1300 E-Autos insgesamt, davon mehr als 400 E-Fahrzeuge im Carsharing von Daimler, BMW und der Bahn, sind schon länger in der Stadt unterwegs. Berlin habe sich zum „öffentlichkeitswirksamen Testparcours der Autoindustrie“ entwickelt, sagte Wowereit. Und mit dem Produktionsstart des Elektro-Scooters von BMW in Spandau kommende Woche werde die Stadt auch zum „Industriestandort für ein Elektrofahrzeug“. Soeben haben Senat und Wirtschaft ein Aktionsprogramm 2020 verabschiedet, um den Fortschritt zu beschleunigen. „Es kann losgehen“, sagte Wowereit.
Unsichtbar ist die Elektromobilität also keineswegs, erst recht nicht, wenn man hinter die Kulissen der <NO1>vielen<NO>Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Start- ups schaut, die sich mit dem Thema in Berlin beschäftigen. „Aber es gibt viele ungeduldige Menschen – dazu zähle auch ich –, die sich alles noch schneller gewünscht haben“, räumte Wowereit ein. Alexander Dobrindt (CSU) will die Entwicklung beschleunigen. Der Bundesverkehrsminister lässt gerade ein Fördergesetz erarbeiten, das E-Fahrzeuge privilegieren soll, wie Dobrindts Staatssekretärin Katherina Reiche sagte. Zentrale Punkte: die Sondernutzung von Parkplätzen, die Kennzeichnung von E-Autos, der Aufbau der Ladeinfrastruktur. Die Hoffnung vieler Fuhrparkmanager, der Bund werde auch Sonderabschreibungen für gewerblich genutzte Elektroautos anbieten, enttäuschte Reiche. „Da müssen Sie den Bundesfinanzminister einladen“, sagte sie und verwies auf die zehnjährige Befreiung von der Kfz- Steuer für E-Fahrzeuge und den Nachteilsausgleich bei der Dienstwagenbesteuerung. Der Bund denke zudem über zinsgünstige KfW- Kredite für Elektroautos nach. Das Wirtschaftsministerium nutzt drei E-Autos – Dobrindt ist mit einem BMW i3 unterwegs.
Augenmaß bei der Förderung der Elektromobilität mahnte Udo Niehage, Chef der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg und Energiewende-Beauftragter von Siemens, an. Mit Blick auf das EEG-Gesetz und dessen mühsame Reform sagte Niehage: „Rahmenbedingungen können erhebliche Risiken und Nebenwirkungen entfalten.“ Statt E-Autos massiv mit Steuergeld zu fördern, sei Ausprobieren ratsam. Ein Marathon für alle. „Und Berlin hat erst ein oder zwei Kilometer der 42 Kilometer geschafft – bei ungewisser Streckenführung“, sagte Niehage.


Saturday, March 1, 2014

Industrie profitiert von Zigarettenschmuggel



Hinter den Schockbildern: Brüssel verschärft die Tabakrichtlinie – und schließt einen Pakt mit den Zigarettenherstellern, um dauerhaft vom Schmuggel zu profitieren.

Zigarettenmafia. Das klingt wie ein Wort von vorgestern: Anfang der 1990er bis Mitte der 2000er-Jahre war es noch in aller Munde. Da begannen Banden aus Russland, der Ukraine und Litauen im großen Stil, unversteuerte Zigaretten nach Deutschland zu schmuggeln. Es gab Morde im Milieu der meist vietnamesischen Straßenverkäufer am Ende der Kette. Zoll und Berliner Landeskriminalamt gründeten damals als Reaktion eine Spezialeinheit.
Diese „Gemeinsame Ermittlungsgruppe Zigarettenhandel“ (GE Zig) mit Zentrale im Abschnitt 41 in Schöneberg existiert bis heute. Das macht auf der einen Seite Sinn: Schließlich sieht man in Berlin immer noch einige Verkäufer stehen, in der Regel an den östlichen Ringbahnhöfen bis runter zum Bahnhof Neukölln.
Deren Taktik ist Ermittlern altbekannt: Die Männer haben, wenn man sie stellt, maximal drei bis vier Schachteln am Körper. Erst auf Nachfrage eines Käufers besorgen sie oder sogenannte Runner Nachschub aus den Depots hinter Wandverkleidungen, in Gebüschen, getarnten Erdlöchern oder Dachrinnen.
Andererseits: Was kann die GE Zig noch tun? Morde sind kaum mehr zu erwarten, die Reviere sind lange abgesteckt. Seit 20 Jahren schon bekämpfen die Ermittler den permanenten Betrug am Steuerzahler und allen ehrlichen Rauchern, ohne je an die Wurzel des Problems zu stoßen. Die sitzt heute viel tiefer als damals, wie sich zeigt.

Der Großteil des Geldes geht an den Staat

Von den fünf Euro für ein regulär im Laden verkauftes Paket Zigaretten gingen im Jahr 2013 rund drei Viertel oder 3,68 Euro an den Bund. Steuerfrei kostete eine Schachtel also nur 1,32 Euro (siehe Grafik). Je höher die Differenz, desto lohnender der Schmuggel. Den EU-Mitgliedsstaaten gehen dadurch laut Europäischem Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro an Steuern verloren. Welchen Anteil daran geschmuggelte Originalzigaretten haben, dazu gibt es nur Schätzungen. Klar ist aber: Werden auch diese – nicht nur gefälschte – illegal in die EU gebracht, profitieren nicht nur Käufer und Schmuggler, sondern auch die Tabakkonzerne selbst.

Die stehen bekanntlich wirtschaftlich unter Druck. Die Zahl der Raucher schwindet, die Einnahmen sind seit Jahren rückläufig. Mit der erst vergangene Woche vom EU-Parlament verabschiedeten Tabakrichtlinie sollen nun auch noch große Schockbilder und größere Warnhinweise auf Zigarettenschachteln eingeführt, Menthol- und Slim-Zigaretten ganz verboten werden. Zig Millionen Euro, so wurde im Dezember bekannt, hatten die Tabakkonzerne in eine aggressive Kampagne investiert, um EU-Abgeordnete gegen die Richtlinie in Stellung zu bringen.
Mit der öffentlichen Debatte um die Schockbilder ging ein Aspekt der Richtlinie bisher weitgehend unter: die geplante Einführung eines Kontrollsystems für den Transport von Tabakprodukten. Während sich das EU-Parlament in den anderen Fragen mehrheitlich hart zeigte, könnte die Zigarettenindustrie bei der Schmuggelkontrolle noch einen Sieg erringen, sollten die Mitgliedsstaaten das Projekt nicht noch kippen. Bisher kontrolliert die Tabakindustrie ihre Transporte weitestgehend selbst, was man im Europaparlament kritisiert. In der Kommission hingegen sitzen seit Jahren verlässliche Unterstützer der Tabakkonzerne.
Dort kann oder will man sich offenbar nicht an das Kartell erinnern, das Mitte der 90er Jahre EU-weit umgerechnet mehr als zehn Milliarden Euro Steuern hinterzogen haben soll. Die Ermittlungen zogen sich über viele Jahre hin. Ergebnis: In Abstimmung mit Tabakunternehmen waren damals jedes Jahr rund 1000 Lkw-Ladungen Originalzigaretten in die EU eingeführt worden. Die Affäre, die unter dem Namen Montenegro-Connection in die Geschichte einging, endete 2004 außergerichtlich: Zehn EU-Staaten und die Tabakindustrie einigten sich auf Zahlungen von insgesamt bis zu 1,5 Milliarden Euro zur Schmuggelbekämpfung. Zudem verpflichteten sich die großen Tabakkonzerne, die eigenen Transporte fortan weitestgehend selbst zu kontrollieren. Wohin die Gelder der Industrie flossen, ist heute schwer nachzuvollziehen. Zehn Prozent wurden laut der Antibetrugsbehörde Olaf für Schulungen von Zollbeamten, die Entwicklung spezieller Computerprogramme und Ähnliches verwendet. 90 Prozent flossen laut dem Abkommen ohne Verwendungsnachweis direkt an die Mitgliedsstaaten.

Markenzigaretten werden eigens für den Schwarzmarkt produziert

Verlässliche Zahlen darüber, welchen Anteil die Konzerne am Schmuggel haben, kann die Antikorruptionsbehörde „derzeit nicht bereitstellen“. Allgemein lässt sich nur festhalten, dass der Schmuggel mit Originalzigaretten zurückgegangen ist. Doch es gibt Grenzfälle: zum Beispiel die Zigarettenmarke „Classic“ von Imperial Tobacco. Anna Gilmore, Professorin für Gesundheitswesen an der britischen Universität Bath nennt „Classic“ eine „extra für den EU-Schwarzmarkt hergestellte“ Marke. Das passiert im Baltikum. Auch aus den Emiraten, nach Asien die zweitgrößte Herkunftsregion unversteuerter Zigaretten, wird noch heute aber keine Zigarettenmarke so häufig in die EU geschmuggelt wie „Marlboro“.
Alle vom Tagesspiegel befragten Konzerne weisen Vorwürfe, sie hätten mit dem Import von Qualitätsware etwas zu tun, zurück. Sie versichern zudem, dass sie entweder bereits funktionierende Kontrollen haben oder dabei seien, diese einzuführen. Experten fordern dennoch ein internationales Kontrollsystem, das die bisher intransparente Produktion und Verteilung von Zigaretten überprüft. Zuständig für die Definition eines neuen Kontrollsystems für den Transport von Tabakprodukten ist die EU-Kommission. Sie will bis Mitte des Jahres technische Vorgaben machen. Vor allem zwei Modelle werden derzeit diskutiert: Zum einen gibt es das von Philip Morris entwickelte industrienahe Überwachungssystem Codentify, das bereits in vielen EU-Staaten eingesetzt wird. Zum anderen gibt es das Sicpatrace genannte System des Schweizer Konzerns SICPA, das auf stärkere staatliche Kontrolle setzt.

Die EU will das Abkommen mit Philip Morris verlängern

Das wirtschaftliche Interesse ist für beide Seiten offensichtlich. Für SICPA geht es nach eigenen Angaben um 3000 neue Arbeitsplätze, für die Tabakmultis stehen die Steuerersparnisse aus dem – laut der Weltgesundheitsorganisation WHO – zumindest geduldeten Schmuggel auf dem Spiel. Gegen das Philip-Morris-System Codentify spricht die neue Antitabakrichtlinie der WHO. Sollten die EU-Staaten diese ratifizieren, würden sie sich verpflichten, „ihre Politik vor wirtschaftlichen und anderen Interessen der Tabakindustrie zu schützen“.

Innerhalb der Kommission herrscht bei dem Thema Uneinigkeit. Während die Abteilung Gesundheit und Verbraucher die vorhandenen Systeme unter die Lupe nehmen will, spricht sich Olaf für Codentify aus – was nur auf den ersten Blick überrascht. Eine Olaf-Sprecherin erinnert daran, dass Codentify Teil der laufenden Abkommen mit der Industrie sei. Zufall oder nicht: Wie der Tagesspiegel erfuhr, will die EU-Kommission noch in diesem Jahr verhandeln, ob das 2004 mit Philip Morris geschlossene Milliarden-Abkommen verlängert wird.
Würde man sich einig, hätten fast alle etwas davon: Die Industrie könnte Produktionen und Tabakeinfuhren weiterhin maßgeblich selbst kontrollieren, die Finanzminister und Ermittlungsbehörden der EU erhielten weiter zumindest etwas Geld – aber nicht der Sicherheitskonzern SICPA aus der Schweiz. Bei diesen Aussichten dürfte auch die Zukunft der Berliner Ermittler der GE Zig mittelfristig gesichert sein. mit kph

Putin droht Militäraktion - wurde von der UNO und der NATO und Spezialkurse ernannt

Russlands Präsident Putin hat grünes Licht für eine Intervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim, will einen möglichen Einsatz aber von der weiteren Entwicklung abhängig machen. Von EU und UN kommen scharfe Warnungen - und die Ukraine bittet die Nato um Hilfe

Nach der Eskalation auf der Krim ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Samstag zu einer eilig einberufenen Sondersitzung zusammengetreten. Die Briten hatten die Tagung des mächtigsten UN-Gremiums beantragt, um die Drohung eines russischen Einmarsches in die Ukraine zu thematisieren. Beschlüsse sind aber praktisch unmöglich, weil sich beide Seiten mit ihrer Vetomacht gegenseitig blockieren können.
US-Botschafterin Samantha Power rief zuvor Russland auf, seinen Truppenaufmarsch zu stoppen und die Soldaten zurückzuziehen. Ihr russischer Amtskollege Witali Tschurkin hatte noch am Tag zuvor Berichte über russische Soldaten auf der Krim als Propaganda zurückgewiesen.

An der Sitzung soll Vize-Generalsekretär Jan Eliasson teilnehmen.
Generalsekretär Ban Ki Moon selbst ist auf dem Weg nach Genf, wo er sich am Sonntag mit seinem Sondergesandten Robert Serry treffen wollte. Serry war aus der Ukraine abgereist, weil er nicht auf die Krim reisen konnte. Die UN machten dafür „logistische Probleme“ verantwortlich, Diplomaten zufolge verhinderte aber Russland die Reise des UN-Gesandten.

Die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland um die autonome Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind mit rasantem Tempo gewachsen. Kremlchef Wladimir Putin sprach am Samstag angesichts der „außergewöhnlichen Situation“ auf der Krim von der Notwendigkeit, die russischen Bürger mit einem Armeeeinsatz zu schützen. Seinen Befehl für einen Militäreinsatz will er von der weiteren Entwicklung der Lage auf der Halbinsel abhängig machen. Das teilte Putins Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Samstag mit.
Die ukrainische Armee ist derweil angesichts des drohenden russischen Militäreinsatzes in Alarmbereitschaft versetzt worden. Das teilte Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Samstag bei einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation mit. Zudem werde der Schutz der Atomkraftwerke, Flughäfen und weiterer „strategischer Einrichtungen“ des Landes verstärkt. Für den „Fall einer Aggression“ gebe es einen „Aktionsplan“, sagte Turtschinow nach einer Sitzung des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates in Kiew.
Die Nato wird am Sonntag in einer Sondersitzung über die Lage in der Ukraine beraten. Dies erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Samstagabend. Zuvor hatte der ukrainische Außenminister Sergej Deschchiritsja erklärt, seine Regierung habe die Nato um Beistand gebeten.

Russisches Oberhaus genehmig Intervention

Putin hatte zuvor den Föderationsrat um Erlaubnis für einen Militäreinsatz angerufen. Der Einsatz sei so lange nötig, bis sich die Lage normalisiert habe. Das russische Oberhaus genehmigte die Intervention, um Blutvergießen zu verhindern. „Die Situation in der Ukraine ist nicht nur besorgniserregend, sondern trifft die russische Gesellschaft mitten ins Herz und spitzt sich weiter zu“, sagte Russlands Vizeaußenminister Grigori Karassin am Samstag in Moskau. „Die Zustimmung, die der Präsident erhielt, bedeutet nicht, dass Russland von diesem Recht schnell Gebrauch machen wird.“ Aber die Stimme der Ukraine sei erhört worden.
In Kiew forderte Oppositionsführer Vitali Klitschko die „Generalmobilmachung“ der ukrainischen Armee. „Nach dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine“ müsse das Parlament den Oberkommandeur dazu auffordern.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat die russische Entscheidung für den Einsatz der Streitkräfte in der Ukraine „bedauert“. „Dies ist eine unvertretbare Eskalation der Spannungen“, heißt es in einer am Samstagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Sie forderte Russland auf, „diese Truppen nicht in Marsch zu setzen, sondern seine Ansichten auf friedliche Weise zu fördern“. Ashton bestätigte ein Sondertreffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Danach werde sie den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen. Am Mittwoch werde sie nach Kiew reisen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon rief zur unverzüglichen Wiederherstellung von Ruhe und Dialog in der Ukraine auf, um die explosive Lage zu entschärfen. Es müsse einen „direkten Dialog zwischen allen Betroffenen geben, um die gegenwärtige Krise beizulegen“, sagte Bans Sprecher Martin Nesirky am Samstag in New York. Der UN-Generalsekretär wolle Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Kürze anrufen.

Genaue Zahl der Soldaten auf der Krim unklar

Russland hat in der Krim-Stadt Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert. Die Erlaubnis eines Militäreinsatzes könnte sich auf dieses Kontingent beziehen, nähere Angaben dazu gab es aber zunächst nicht. Ukrainische Behörden hatten zuvor behauptet, es seien 2000 russische Soldaten auf der Krim gelandet, andere Quellen sprachen gar von 6000. Eine Bestätigung gab es dafür aber nicht.

Die Ukrainer befürchten, dass sich Putins russische Truppen dauerhaft auf der Krim festsetzen und von dort aus versuchen, auch den Osten und den Süden der Ukraine zu kontrollieren und das Land zu spalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor einer Eskalation und forderte, dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt werden müsse. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte von Moskau, unverzüglich Klarheit über die russischen Ziele auf der Krim zu schaffen. Er sprach von einer gefährlichen Entwicklung: „Wer jetzt weiter Öl ins Feuer gießt, mit Worten oder Taten, setzt bewusst auf Eskalation.“
Auch der französische Präsident François Hollande warnte Russland vor einer Intervention in der Ukraine. „Der Einsatz von Gewalt durch Russland wäre eine reelle Bedrohung der territorialen Integrität und der Souveränität des Landes“ hieß es in einer Mitteilung des Élyséepalastes vom Samstag. Bei dem Sondertreffen am Montag in Brüssel sollten die EU-Außenminister „ein rasches und koordiniertes europäisches Vorgehen beschließen“, hieß es.

Die prorussische Führung in Simferopol zog am Samstag ein Referendum über die Zukunft der Autonomen Republik auf den 30. März vor. Im Gegenzug forderte der neue ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk Russland zum Rückzug seiner Truppen von der Krim auf. Es gebe gegenwärtig einen „unzulässigen Aufenthalt“ russischer Soldaten auf der Krim. Die USA verschärften ihren Ton gegenüber Russland. Im Fall einer russischen Militärintervention wollen die USA den G-8-Gipfel in Russland platzen lassen. (mit dpa)