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Sunday, January 20, 2013

Rösler Sinn - FDP überrascht sich selbst


Trotz der Störfeuer aus der Bundespartei können die Liberalen in Niedersachsen zulegen. Das Wahlergebnis liefert Parteichef Rösler eine gute Ausgangsposition für den Machtkampf in den nächsten Tagen

Der erste Weg von Philipp Rösler führte heute in die Kirche. Zum katholischen Gottesdienst. Der zweite ins Wahllokal, eine Grundschule in seinem Wohnort Isernhagen bei Hannover, zur Stimmabgabe, natürlich für die FDP.

Diesem Beispiel folgten überraschend viele Niedersachsen, so dass am frühen Abend das beste Ergebnis in der Geschichte des liberalen Landesverbandes zu verbuchen war.

Diesen Sensationserfolg hätte Rösler gern in der Landeshauptstadt gefeiert, mit den Parteifreunden bei der Wahlparty in der "Bar Celona". Das ging aber nicht, er musste schon nachmittags nach Berlin fahren, ins Thomas-Dehler-Haus. Denn in der Parteizentrale hatte sich die gesamte Führungsspitze der Liberalen versammelt. Offiziell, um den Wiedereinzug in den Landtag zu feiern. Inoffiziell aber auch, um über Röslers Zukunft zu beraten.

Partei hat enorm zugelegt

Der Vorsitzende hatte angekündigt, Präsidium und Vorstand in diesen Beratungen einen Vorschlag für die personelle Aufstellung der FDP für die Bundestagswahl im September zu machen.

Dabei schwebt ihm ein Team vor, in dem er seine Jobs als Parteichef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler behält. Andere könnten symbolisch aufgewertet werden. So könnte Fraktionschef Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten ausgerufen werden.

Das Wahlergebnis in Niedersachsen ist dabei ein starkes Argument für Röslers Vorschlag. Denn gemessen an der Kommunalwahl 2011, bei der die FDP nur 3,4 Prozent holte, hat die Partei enorm zugelegt. Sie hat sogar das hervorragende Ergebnis bei der Landtagswahl 2008 (8,2 Prozent) übertroffen – trotz aller Störfeuer aus der Bundespartei während des Wahlkampfes.

Nun hat auch Rösler geliefert

Wolfgang Kubicki und Christian Lindner, die zuletzt in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen jeweils über acht Prozent geholt hatten, waren dafür als Heilsbringer gefeiert worden. Nun hat auch Rösler geliefert.

Denn bei allem Respekt vor dem Spitzenkandidaten Stefan Birkner: Rösler ist der prominenteste Freidemokrat in dem Bundesland, er hat allein in den vergangenen zwei Wochen über 50 Wahlkampfauftritte absolviert und damit gezeigt: Die FDP kann mit ihm an der Spitze gute Ergebnisse holen.

Warum also sollte er von irgendeinem Posten zurücktreten? Weil die Liberalen in den Umfragen auf Bundesebene dauerhaft unter der Fünfprozentmarke liegen, sagen seine Gegner. Und weil die Stimmen vor allem von der CDU kamen und diese Leihstimmen eher ein Landesphänomen sind.

So mancher Kollege des FDP-Vorsitzenden hatte deshalb bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass das Wahlergebnis aus Niedersachsen keine Rolle spiele.

"Er ist ein guter Mann"

Das Präsidiumsmitglied Dirk Niebel zum Beispiel will sich nicht mit Debatten über Prozentzahlen aufhalten. Er hält eine personelle Neuausrichtung der Liberalen für zwingend notwendig, um bei der Bundestagswahl erfolgreich sein zu können. Hermann Otto Solms und Wolfgang Gerhardt sehen das ähnlich.

Für sie ist klar: Rösler muss abgelöst werden, als Vorsitzender, Fachminister und Vizekanzler. Am Sonntag sagte Niebel, Niedersachsen ein "tolles Ergebnis für die FDP". Es gebe den Parteimitgliedern "ihre Würde zurück". Wie es nun mit Rösler weitergehen solle, werde am Montag in den Gremien besprochen.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring verteidigte dagegen seinen Chef. "Dass Philipp Rösler in Niedersachsen wohnt, ist kein Geheimnis", sagte Döring und verwies auf den Wahlkampfauftritt von Hans-Dietrich Genscher am vorigen Freitag. Da hatte der Ehrenvorsitzende, eigentlich kein Anhänger Röslers, gesagt: "Niedersachsen ist auch Rösler, ein Wahlerfolg in Niedersachsen für die FDP ist vor allem ein Erfolg für Rösler."

Überhaupt teile er die Kritik an dem Parteichef nicht: "Er ist ein guter Mann." Der Altliberale hatte schon immer ein gutes Gespür für kurzfristige Stimmungswechsel. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass der Aufstand gegen Rösler nun abgesagt wird.

Wie positioniert sich Fraktionschef Brüderle?

Dafür spricht auch die Einschätzung von Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki. "Wenn er wieder antritt, wovon ich ausgehe, werde ich ihn unterstützen", sagte der Schleswig-Holsteiner. Nach dem "glorreichen Sieg" könne die FDP-Spitze in Harmonie über die Aufstellung für die Bundestagswahl sprechen, erklärte Kubicki, der bislang als Kritiker Röslers galt.

Den Wunsch nach einem freiwilligen Verzicht Röslers auf das Amt des Vorsitzenden schließen diese Äußerungen aber nicht aus. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Holger Zastrow sagte der "Welt", er erwarte, "dass die Debatte über unseren Vorsitzenden Philipp Rösler jetzt beendet wird. Wir müssten doch verrückt sein, wenn wir uns mit einem solchen Wahlergebnis im Rücken weiter über Personalfragen streiten."

Es wird darauf ankommen, wie Fraktionschef Brüderle sich nun positioniert. Am Freitag hatte er gemeinsam mit Lindner, dem Landeschef aus Nordrhein-Westfalen, für einen vorgezogenen Parteitag plädiert. Diese Rufe gab es auch gestern. Die Behauptung Brüderles, ihm ginge es dabei nur um ein schnelles Ende der Personaldebatte, halten viele in der Partei für vorgeschoben.

Die meisten Liberalen verstanden das eher so, dass dieses Duo die Parteispitze übernehmen will.

"Die freien Demokraten werden jetzt loslegen"

Unbelastet von den Ränkespielen in der Bundespartei konnte die FDP in Niedersachsen ihren Wiedereinzug in den Landtag feiern. Der 39-jährige Birkner, der erst seit Januar 2012 der schwarz-gelben Regierung als Umweltminister angehört, hat sich ohne lautes Poltern darauf beschränkt, die Erfolge der Koalition darzustellen.

Dabei profitierte der Jurist von der guten Zusammenarbeit mit Ministerpräsident David McAllister (CDU), der die Zweitstimmenkampagne der FDP zwar nicht offen, aber doch unterschwellig goutierte und damit beförderte. Birkners Botschaft lautete: "Wenn wir als Team agieren, können wir erfolgreich sein."

Abzuwarten bleibt, ob die Kollegen in Berlin das hinbekommen. Rösler machte jedenfalls sehr deutlich, dass er den Erfolg "in meinem Heimatland Niedersachsen" auch für sich in Anspruch nimmt. Und er sagte: "Das Rennen hat jetzt erst angefangen. Die freien Demokraten werden jetzt loslegen." Fragt sich nur, in welche Richtung.

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