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Saturday, December 21, 2013

Verdi abgeschlossen Amazon wöchigen Streik



Sechs Tage lang dauerte der Ausstand beim Versandhändler Amazon. Nach den Aktionen ist zunächst noch offen, ob auch das Umtauschgeschäft bestreikt werden soll.
Ende einer Streikwoche: Beim Online-Versandhändler Amazon haben die Beschäftigten am Samstag vorerst zum letzten Mal die Arbeit niedergelegt. Ob die Gewerkschaft Verdi im Umtauschgeschäft nach den Weihnachtstagen erneut zum Streik aufrufen wird, blieb zunächst offen. Derzeit seien noch keine Aktionen geplant, sagten mehrere Verdi-Sprecher. „Wir müssen nach den sechstägigen Streiks erst einmal durchatmen und die Aktionen auswerten“, so Verdi-Sprecherin Mechthild Middeke am Samstag. Der Gewerkschaft zufolge beteiligten sich am letzten Streiktag rund 650 Mitarbeiter an den Ausständen in den Versandzentren Bad Hersfeld und Leipzig.
Eine Amazon-Sprecherin wollte den bisherigen Angaben am Samstag auf Anfrage nichts hinzufügen und verwies auf den Stand von Freitag.
Das Unternehmen hatte immer wieder betont, dass die Streiks keine Auswirkungen auf die Lieferungen im Weihnachtsgeschäft hätten. Nur eine Minderheit der 23 000 Beschäftigten an den acht deutschen Standorten sei im Ausstand gewesen.
Die Gewerkschaft bekräftigte ihren Plan, im kommenden Jahr zu neuen Arbeitsniederlegungen aufzurufen. „Unser Ziel ist es, einen Tarifvertrag und damit verbindliche Regelungen für die Amazon-Beschäftigten zu erreichen“, sagte Verdi-Sprecher Jörg Lauenroth-Mago in Leipzig. Deswegen werde die Gewerkschaft dran bleiben. „Wir hoffen, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass sich ein Unternehmen mit einer Friedenspflicht besser führen lässt als mit dauerhafter Streikgefahr.“ Die Verdi-Verantwortlichen werteten den mit sechs Tagen bisher längsten Ausstand des Konflikts als Erfolg. Es sei gelungen, Unruhe in die Abläufe zu bringen. Amazon habe größere Anstrengungen unternehmen müssen, um umzuplanen, sagte Verdi-Sprecherin Middeke.
„Wir wissen aber auch, dass wir noch nicht die Kraft und Organisationsstärke haben, um Amazon in Verhandlungen zu zwingen.“ Für Amazon ist es nach Ansicht von Branchenbeobachtern ohnehin leicht gewesen, sich auf die Streiks einzustellen. In dieser Saison hat Amazon zu seinen 9000 Mitarbeitern in den acht Lagern bundesweit noch 14 000 Aushilfen engagiert. (dpa)

Verbietet Büro besten Preis Punkt der Organisation

Die besten Preise, das größte Angebot: Kunden lieben solche Versprechen. Doch das Bundeskartellamt hat dem Hotelportal HRS jetzt solche Klauseln verboten. Booking und Expedia könnten folgen.

Das Bundeskartellamt will den Wettbewerb unter den Reiseportalen im Internet sichern. Die Wettbewerbshüter forderten den Online-Anbieter HRS wie erwartet auf, Bestpreisklauseln bis zum 1. März 2014 aus seinen Verträgen mit Hotels in Deutschland zu entfernen. Diese behinderten den Wettbewerb, betonte Kartellamtschef Andreas Mundt. Auch gegen die Betreiber weiterer Hotelportale geht das Kartellamt vor.
„Bestpreisklauseln bei Buchungsportalen im Internet sind nur auf den ersten Blick vorteilhaft für den Verbraucher“, betonte Mundt am Freitag.
„Letztlich verhindern die Klauseln, dass an anderer Stelle niedrigere Hotelpreise angeboten werden können.“ Die Klauseln machten es zudem neuen Portalen schwerer, in den Wettbewerb mit Platzhirschen zu treten. Das Kartellamt hat deshalb auch Verfahren gegen die Hotelportale Booking und Expedia eingeleitet.
Die zwischen HRS und Hotels vereinbarten Bestpreisklauseln verpflichten die Herbergen, bei dem Online-Dienstleister den jeweils niedrigsten Hotelpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die jeweils günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen anzubieten. Hotels durften Reisenden selbst dann keine besseren Konditionen anbieten, wenn diese direkt an der Rezeption buchen wollten. Die Wettbewerbshüter hatten HRS mehrfach abgemahnt. Das Portal wendet die Klausel nach eigenen Angaben bereits seit Februar 2012 nicht mehr an und will sie nun komplett aus dem Kleingedruckten entfernen. Dennoch stehe HRS zu seinem Versprechen, den Kunden das beste Angebot zu vermitteln. Sollte ein Hotel über ein anderes Portal günstiger sein, erstatte man dem Kunden auch weiterhin die Differenz.

Das Kartellamt hat den boomenden Online-Markt verstärkt ins Visier genommen. So hatte der Online-Händler Amazon auf Druck der Behörde jüngst Tiefstpreisgarantien auf seinem Marktplatz „Market Place“ gestrichen. mit rtr

Thursday, December 5, 2013

Schäuble griff die Deutsche-Bank-Chef Fitschen

Weil sich Deutsche-Bank-Co-Chef Fitschen laut Finanzminister Schäuble im Ton vergriffen habe, konterte dieser nun in Berlin.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. Nach Äußerungen Fitschens über die Bankenregulierung und Kritik am Finanzminister konterte Schäuble am Donnerstag in Berlin. Wenn sich Herr Fitschen seine Aussagen anschaue, werde er sehen, dass er in der Sache nicht Recht habe. „Und im Ton hat er sich ganz sicher vergriffen“, sagte Schäuble nach einer Sitzung des Stabilitätsrates von Bund und Ländern. (dpa)

Kampagne der Europäischen Union auf eine Reihe von Elektronik-Unternehmen

Ermittler der EU haben die Geschäftsräume mehrerer Elektronikunternehmen durchsucht. Der Verdacht, der im Raum steht: unerlaubte Preisabsprachen zwischen den Unternehmen.

EU-Ermittler haben wegen des Verdachts unerlaubter Absprachen die Geschäftsräume von Elektronikunternehmen in mehreren EU-Staaten durchsucht. Namen wurden nicht genannt. Die Unternehmen würden verdächtigt, den Internetverkauf von Elektronikprodukten behindert zu haben, teilte die EU-Kommission am Donnerstagabend in Brüssel mit. Das könnte zu höheren Preisen für die Verbraucher führen. Die betroffenen Unternehmen seien in der Herstellung, im Vertrieb und im Verkauf von Elektronikprodukten und kleinen Haushaltsgeräten tätig, so die Kommission. Falls die Wettbewerbshüter ihre Vorwürfe erhärten und förmliche Kartell-Verfahren gegen die Unternehmen eröffnen, drohen hohe Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes.

Üblicherweise wird dieser Rahmen aber nicht ausgeschöpft. (dpa)

Monday, November 18, 2013

Wie ernst ist die Änderung der Energie von Berlin?


Insgesamt 21 Unternehmen in der Hauptstadt müssen derzeit keine Ökostrom-Umlage zahlen. Sie fürchten, dass die neue Regierung das nun ändert - mit üblen Folgen für Berlin.


Merci, dass es dich gibt. Die Werksleiter von 2295 energiefressenden Unternehmen sind mehr oder minder dankbar, dass sie von der „Besonderen Ausgleichsregelung“ im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) profitieren: Dieser Terminus bedeutet, dass sie von der EEG-Umlage weitestgehend befreit sind, damit sie im globalen Wettbewerb bestehen können, so die Begründung. Die Umlage müssen ansonsten praktisch alle Stromkunden zahlen, um damit die Ökostromproduktion zu finanzieren.
Weniger als ein Prozent der von der Umlage geschonten deutschen Fabriken, exakt 21 sind es in diesem Jahr, sitzen in Berlin. Es sind unter anderem die BVG und die S-Bahn, eine Getränkedosenfabrik und die Berliner Schokoladenfabrik der Storck KG in Reinickendorf, wo vor allem „Merci“-Schokolade hergestellt wird.

Gefahr aus dem Regierungsviertel

Dort erhitzen Maschinen riesige Tiegel mit Schokoladenmasse zu dampfender Flüssigkeit und schwenken sie permanent, damit sich keine Klümpchen bilden. Dann gießen sie die kleinen Riegel, die mit hohem Energieaufwand wieder abgekühlt werden. Warum nicht einfach so kühlen lassen? „Geht nicht, wenn man Qualität produzieren will“, beteuert Storck-Sprecher Bernd Rößler.


Das Management beobachtet derzeit mit großer Sorge, was dieser Tage zehn Straßenkilometer weiter südlich im Regierungsviertel verhandelt wird: Die Unterhändler von Union und SPD der Arbeitsgruppe Energie haben sich in ihrem jüngsten Entwurf zum Koalitionsvertrag zwar zu dieser Ausgleichregelung im EEG bekannt. „Nur so können wir geschlossene Wertschöpfungsketten und industrielle Arbeitsplätze dauerhaft halten.“ Dann aber stellen die möglichen Koalitionäre auch fest, dass immer mehr Antragsteller immer mehr Strommengen dem Finanzierungssystem der Energiewende entzogen hätten.
Man werde sich dafür einsetzten, die Regelung rechtlich abzusichern, heißt es weiter. Das ist eine Referenz auf EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Der Spanier will untersuchen lassen, ob die Befreiung der deutschen Industrie von einem maßgeblichen Kostenteil der Energiewende nicht eine illegale Subvention sein könnte. Also kündigen Union und SPD an, dass „wir die Privilegierung in einzelnen Branchen vorrangig anhand objektiver, europarechtkonformer Kriterien“ überprüfen werden.
Bernd Rößler von der Berliner Schokofabrik Storck ist alarmiert. Mindestens die Hälfte der Waren gehen in den Export, argumentiert er. Man stehe also klar im internationalen Wettbewerb. „Es sind die inländischen Unternehmen, die Arbeitsplätze sichern. Und Storck produziert nur im Inland.“ Auch Pläne, spezielle Energiesparkriterien zu erfüllen, um befreit zu bleiben, hält er für Unfug: „Jede Effizienzmaßnahme, die sich rechnet, ergreifen wir schon jetzt“, sagt er.


Echtes Entsetzten herrscht bei den Berliner Verkehrsbetrieben, die naturgemäß nicht geltend machen können, dass sie im internationalen Wettbewerb stehen. Dort hat man ausgerechnet, was der Wegfall der Befreiung kosten würde: „20 Millionen!“, ruft BVG-Sprecherin Petra Reetz in den Hörer. So viel mehr müsse man jährlich für den Strom der U- und Straßenbahnen zahlen. Es sei absurd: Der öffentliche Nahverkehr sei immer ein Zuschussgeschäft. Einsparungen in dem Volumen seien unmöglich. Es blieben nur zwei Lösungen: Die zu 100 Prozent landeseigene BVG setzte auf ihren Schuldenberg von aktuell 400 Millionen Euro noch einmal 20 Millionen drauf. Oder man erhöhe die Ticketpreise merklich.
Beim Berliner Zementwerk in Rummelsburg, das derzeit Baustoff fürs Stadtschloss und den Bahnhof Ostkreuz liefert, beziffert man den möglichen Mehrbetrag auf eine hohe sechsstellige Summe, „die erst einmal verdient werden muss und die für uns als mittelständisches Unternehmen wie ein Mühlstein um den Hals wirkt“, sagt Prokurist Werner Laux.
Bei der Schüttmühle in Spandau, wo bei hohem Automatisierungsgrad jährlich 165 000 Tonnen Weizen gemahlen werden, macht man eine andere Rechnung auf: Der Wegfall der Ausgleichsregelung würde jede Tonne Mehl um etwa fünf Euro verteuern. Hochgerechnet auf einen 20-Tonnen-Lkw könnte es für die Müller lohnend sein, mit dem eh schon beladenen Lkw noch 100 Kilometer weiter nach Polen zu fahren und dort mahlen zu lassen, heißt es beim Mühlen-Bundesverband.
Ist das womöglich genau die Art von Wettbewerb, die Art Binnenmarkt, die EU-Kommissar Almunia stärken will? Bei der ebenfalls befreiten Firma Presswood aus Lichtenrade, wo Frachtpaletten aus Pressholz gefertigt werden, hat man zum Thema keine Meinung mehr. Das Werk macht am Jahresende dicht – zugunsten der Muttergesellschaft in Holland.

Sigmar Gabriel riskantes Manöver


Die Strategie der SPD-Führung könnte am Ende anderen Parteien nutzen. Denn das Mitgliedervotum entpuppt sich als großes Risiko. Am Ende könnte es zum Ventil für die Basis werden, den Unmut über die eigene Führung loszuwerden.

Ist Sigmar Gabriel womöglich in eine selbst gestellte Falle gelaufen? Jetzt braucht er Trophäen, die er den Mitgliedern der SPD präsentieren kann, zu ungewiss erscheint auch in der Partei selbst der Ausgang des angekündigten Basisvotums. Zunächst sollte es der Mindestlohn sein, dann die Frührente nach 45 Beitragsjahren. Beides sollte der Union abgerungen werden, unter größtmöglichem Funkenschlag, als Ausweis sozialdemokratischer Durchsetzungskraft.
Doch wo es keinen Gegner gibt, gibt es auch keinen Sieger.
Bisher jedenfalls hat Angela Merkel es tunlichst vermieden, entsprechende Angriffsflächen zu bieten. Für die SPD-Führung ist das ein Problem. Denn am Ende werden es gar nicht so sehr die im Koalitionsvertrag fixierten Inhalte sein, die über den Erfolg von Gabriels Risiko-OP entscheiden. Sondern die Frage, ob die Mehrheit der SPD-Mitglieder das Gefühl hat, die eigene Ehre behauptet zu haben. Womöglich unterschätzt die Parteispitze ja die Langwierigkeit des Wandlungsprozesses von einer Kanzler- zur Funktionspartei: Emotional war es viel einfacher, mit 23 Prozent die Opposition zu führen, statt mit 25,7 Prozent mitzuregieren.

Denn kulturell unterscheidet Union und SPD doch noch einiges, zumindest in den Hinterzimmern des Landes, jenseits des Regierungsviertels. Es ist kein Zufall, dass Gabriel auf dem Parteitag in Leipzig eine neue rote Linie zog: Nur mit der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft werde es eine große Koalition geben können. Allerdings ist es nicht so, dass die SPD gerade mit diesem Thema prominent in den Wahlkampf gezogen wäre. So sehr der Doppelpass zeitgemäß ist, so wenig ist er für die SPD identitätsstiftend. Allenfalls eignet er sich als Abgrenzungsinstrument zur Union: Seht her, wir können die Konservativen doch noch zu etwas zwingen!
Riskant sind solche Manöver aus Sicht der SPD aber deshalb, weil mit ihnen indirekt auch eine ganz andere Koalition vorbereitet werden könnte. Einer Union, die den Doppelpass akzeptiert, die mit Volksentscheiden liebäugelt und vielleicht sogar gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften stärker anerkennt, werden die Grünen nicht noch einmal so leicht eine Abfuhr erteilen können – unabhängig davon, ob Schwarz-Grün früher oder später wieder Thema wird.

Gabriel kündigte mehr Demokratie an - aber es wirkt wie Basta-Politik

Die Basis der SPD jedenfalls wird nach dem Leipziger Parteitag mit einem Widerspruch umgehen müssen. Sigmar Gabriel war vor vier Jahren mit dem Versprechen angetreten, mehr innerparteilichen Pluralismus zuzulassen. In Leipzig allerdings schlüpfte der SPD-Chef kurzzeitig in die Rolle von Gerhard Schröder – als er die Folgen einer Ablehnung des Koalitionsvertrags skizzierte: „Dann geht es um die Zukunft der Sozialdemokratie in den nächsten 20, 30 Jahren“, warnte er. Was anderes als ein Rückgriff auf die geschmähte Basta-Politik sollte das sein?
Bei den Parteifunktionären mag ein solcher Druck von oben noch auf fruchtbaren Boden fallen. Niemand aber weiß, was sich in den Köpfen jener SPD-Mitglieder abspielt, die niemals auf Parteiversammlungen erscheinen. Möglicherweise sehen sie das Mitgliedervotum als Ventil, um Frust abzulassen – über den langen Abstieg der SPD, der eben nicht wie ein Unwetter vom Himmel brach, sondern für den auch Mitglieder der gegenwärtigen Führung Verantwortung tragen.

Monday, November 4, 2013

Zug 1700 Menschen Gruppen

Die Blamage von Mainz soll sich für die Deutsche Bahn nicht wiederholen. Mit der Einstellungsrunde korrigiert sie erneut ihre Personalpolitik.


Es war die Blamage des Jahres. Eine Landeshauptstadt, in der nur noch zeitweise Züge hielten, ein Hauptbahnhof, auf dem sich noch wenige Kunden verloren, ein Bahnvorstand, der hilflos vor die Kameras treten musste. „Zurzeit sehen wir uns nicht in der Lage, eine stabile Aussage darüber zu machen, wie es jenseits des August weitergeht“, bekannte Frank Sennhenn, oberster Manager der Sparte Netz, damals.
Es war im Sommer in Mainz – weil Stellwerkpersonal erkrankt oder in den Urlaub gefahren war, mussten viele Züge für Wochen die Stadt umfahren. Bald stellte sich heraus, dass auch in anderen Stellwerken im Land zeitweise so wenig Leute arbeiten konnten, dass der Zugverkehr eingeschränkt werden musste, auch in Berlin.
Die Bahn-Gewerkschaften hatten Oberwasser, verlangten zusätzliches Personal – und die Entscheider des Staatskonzerns standen da als Geizkragen, die ihren Laden nicht im Griff haben.
Damit das nicht wieder passiert, will die Bahn nun handeln. 1250 Leute sollen zusätzlich auf Dauer ins Unternehmen kommen, 450 weitere mit befristeten Verträgen oder als Leiharbeiter. „Dort, wo es notwendig ist, stellen wir Mitarbeiter ein“, sagte Personalvorstand Ulrich Weber am Montag in Berlin. „Wir beginnen mit der Rekrutierung jetzt.“ Die 450 befristet eingesetzten Kräfte sollen in erster Linie den Berg von acht Millionen Überstunden abbauen, der bei den 200 000 Beschäftigten aufgelaufen ist.
Weber hat diese Zahlen auf sanften Druck der Belegschaft errechnet. Die Betriebsräte und die Gewerkschaft EVG hatten nach dem Desaster von Mainz begonnen, in den bundesweit 330 Betrieben der Bahn Personalengpässe zu ermitteln. Zweieinhalb Monate verhandelten beide Seiten über den Bedarf. In einigen wenigen Bereichen sei man noch nicht einig, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. „Bestenfalls kommt da noch ein Plus obendrauf.“ Das Ziel sei, in Zukunft Überstunden zu verhindern. Bis zu einem solchen „eingeschwungenen Zustand“ werde es aber noch mehrere Jahre dauern. Weber als Manager sieht dies ein wenig anders. Er strebt an, Überstunden attraktiver zu machen – die Beschäftigten sollen sie auf einem Langzeitkonto ansparen dürfen und dafür einen finanziellen Anreiz von fünf Euro je Stunde bekommen.

1000 der neuen Leute sollen die Sparte Infrastruktur verstärken, zu gleichen Teilen die Instandhaltung und die Stellwerke. 280 Kräfte sind für die Güterbahn Schenker Rail vorgesehen, 200 für den Regional- und 150 für den Fernverkehr. In den Bahnhöfen sind 70 zusätzliche Mitarbeiter geplant, in den Bereichen Service und Sicherheit ist man noch uneins. Am meisten fehlt es an Fahrdienstleitern und Lokführern. Allerdings kommt das Personal nicht nur vom Arbeitsmarkt. In einigen Bereichen laufen die Geschäfte schlechter, etwa bei Schenker Rail oder im Regionalverkehr, wo die Bahn Ausschreibungen verliert – diese Mitarbeiter sollen einen anderen Job im Konzern bekommen.
Mit der Einstellungsrunde korrigiert die Bahn erneut ihre Personalpolitik. Im Zuge der Vorbereitungen auf den Börsengang wurde an vielen Stellen im Konzern gespart, so auch in der Sparte Netz, zu der die Stellwerke gehören. Als Rüdiger Grube 2009 den Chefposten von Hartmut Mehdorn übernahm, nahm er sich vor, das „Brot- und Buttergeschäft“ wieder zu stärken. Im Zuge ihrer Zukunftsplanungen ging der Bahn dann auf, dass ihre Belegschaft drastisch altert – seither versucht sie, neues Personal zu gewinnen. Schon ohne die neue Vereinbarung mit den Gewerkschaften kommt sie per Saldo auf 2500 neue Mitarbeiter in diesem Jahr.

Hoffman macht Biegelinie

Nach dem Sicherheitsveto von Piloten will die Politik die Flugrouten am BER neu prüfen lassen. Die sogenannte Hoffmannkurve sei lediglich per Flugsimulation theoretisch getestet und zur Lärmbelastung geprüft worden - nicht auf Sicherheit.

Die Flugrouten am BER müssen auf den Prüfstand – dies fordern die verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Der Verband der Verkehrspiloten müsse die erheblichen Sicherheitsbedenken gegenüber der sofort nach dem Start gen Osten eingeleiteten 145-Grad-Kurve der Deutschen Flugsicherung (DFS) und dem Bundesaufsichtsamt (BAF) vortragen. Die Vereinigung Cockpit hatte erst infolge von Tagesspiegel-Recherchen davon erfahren, da sie in die Flugroutendiskussion nicht von den Behörden eingebunden worden war – anders als in Frankfurt am Main.

Unter Kapitänen macht schon der Begriff einer „Stuntkurve“ die Runde.
Die Route, bei der sie Sekunden nach dem Abheben zum Lärmschutz der im Osten liegenden Gemeinden in 25 Grad Schräglage gehen sollen, hatte der Eichwalder Privatpilot Marcel Hoffmann der Fluglärmkommission vorgeschlagen und damit DSF und BAF überzeugt. Eine Kurve ab 182 Meter Höhe ist aber laut Piloten eigentlich nur erlaubt, um in bergigen Regionen überhaupt Flugverkehr ermöglichen zu können. „Flugrouten sind immer nur vorläufig, und diese muss untersucht werden“, sagt der SPD-Verkehrsexperte Ole Kreins. Wenn die Piloten warnen, dass kein Kapitän freiwillig so tief lange und scharfe Kurven fliege, weil man bei Vogelschlag oder einem Triebswerksausfall mitten im Manöver mit Drehmoment nicht so effektiv reagieren könne wie beim Geradeaussteigflug, müsse man darauf hören. Dem Appell schloss sich Oliver Friederici von der CDU an: „ Sicherheitsbedenken müssen die Behörden eingehend prüfen.“ BER-Experte Martin Delius (Piraten) bezweifelt, dass ein Kurvenflug, bei dem man wegen geringeren Auftriebs mehr Schub geben muss, überhaupt Lärm senke. Und Harald Moritz (Grüne) fordert völlig neue Flugroutenverfahren: „Piloten müssen eingebunden werden.“

Der Bürgermeister von Königs Wusterhausen, Lutz Franzke (SPD), sagte, in der Fluglärmkommission habe die Flugsicherung die Hoffmannkurve als Vorschlag vorgelegt. „Eine flugtechnische Abwägung ist nicht gemacht worden“, sagte Franzke, ein Mitglied der Kommission. Die Kurve sei lediglich per Flugsimulation theoretisch getestet und zur Lärmbelastung geprüft worden. „Die Route klang erst einmal frappierend einfach. In der Tiefe ist das nach meiner Wahrnehmung aber noch nie beraten worden.“ Es habe lediglich die Aussage gegeben, dass die Route, im Volksmund auch „Fleischerhakenkurve“ genannt, technisch möglich sei. Die Doppelkurve sei „ein Doppelschwenk unter Volllast. Die Maschinen müssen schnell an Höhe gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass Piloten damit ein Problem haben.“ Aber angesichts der schwierigen Lage in der Fluglärmkommission mit verschiedenen Gemeinden, ihren unterschiedlichen Interessen und langwieriger Kompromisssuche „schafft man sich damit kein Gehör“.
Franzke erwartet die Ergebnisse einer Unterarbeitsgruppe, die Parallelstarts am BER prüfen soll, im Frühjahr. Dann könnten Flugzeuge länger geradeaus fliegen. „Große Teile der Hoffmann-Kurve wären entbehrlich.“ Königs Wusterhausen klagt auch gegen die neuen Routen.

Koalition Tarifverhandlungen mehr Arbeit in allen Teilen der Stadt

So viel steht auch nach dem verlorenen Volksentscheid fest: Das Land Berlin gründet sein eigenes Stadtwerk. Jetzt wird über die Finanzierung diskutiert.

SPD-Umweltpolitiker Daniel Buchholz hofft auf 5,5 Millionen Euro. Die Linke fordert 20 Millionen, die Grünen 50 Millionen Euro. Die CDU dagegen sieht die Finanzierung eines Stadtwerks ohne Businessplan skeptisch. Derzeit laufen die Gespräche in der Koalition. Am Ende der Unterredungen werden SPD und CDU wohl ein Gesamtpaket präsentieren: Geld für einen „Masterplan Tegel“ und mehr Geld für das Stadtwerk als die geplanten 1,5 Millionen Euro. Der Kompromiss könnte dem Vernehmen nach lauten: je vier bis fünf Millionen für Tegel und das Stadtwerk.
Die Entwicklung des Flughafengeländes Tegel ist für die CDU ein wichtiges Projekt.

Vor einem Jahr hatten sich SPD und CDU im „Herbst der Entscheidungen“ darauf verständigt, für einen „Masterplan Tegel“ sogar eine Anschubfinanzierung von 70 Millionen Euro zu gewährleisten. Von dieser Summe spricht heute niemand mehr. Allerdings geht die CDU mindestens von zehn Millionen Euro aus. Das Stadtwerk war für die Union nie eine Herzensangelegenheit. „Wir sind in Gesprächen über die Finanzierung. Es gibt noch keine Einigung in der Koalition“, sagte Heiko Melzer, Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Die SPD dagegen wirbt seit langem für ein landeseigenes Stadtwerk. „Wir wollen ein funktionierendes, erfolgversprechendes Stadtwerk“, sagte Torsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD–Fraktion.

Deshalb wird es wohl auf ein „Kompensationsgeschäft“ hinauslaufen. Ein Wort, das man in der Koalition nicht gern hört. Beiden Fraktionen ist bewusst, dass sie sich bewegen müssen. CDU und SPD betonen, der Ausgang des Volksentscheids sei auch ein Zeichen dafür, dass die Koalition die richtige Richtung eingeschlagen und ein Gesetz zur Gründung eines Stadtwerks verabschiedet habe. Jetzt muss die Finanzierung funktionieren und die Übertragung der Berliner Wasserbetriebe in 100-prozentiges Landeseigentum. „Nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses zum Vertragsentwurf zum Rückkauf der Veolia-Anteile kann die Transaktion vollzogen werden“, sagte ein Sprecher der Finanzverwaltung. Der Kaufpreis für die RWE-Anteile betrug 618 Millionen Euro, die 24,95 Prozent kann das Land für 590 Millionen Euro von Veolia erwerben

Nach dieser Transaktion wird es dem Vernehmen nach einen Wechsel an der Spitze des BWB-Aufsichtsrates geben: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) löst wie berichtet CDU-Wirtschaftssenatorin und Rekommunalisierungskritikerin Cornelia Yzer ab. „Über die künftige Besetzung der Gremien wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein“, sagte ein Sprecher der Finanzverwaltung. Nußbaum hält selbst auch wenig vom Stadtwerk und räumte ihm im Haushaltsentwurf nur 1,5 Millionen Euro pro Jahr ein. „Das ist jetzt Gegenstand der Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus“, heißt es dazu aus der Finanzverwaltung.

Monday, August 12, 2013

Indien geben Sie den elitären Club der Seestreitkräfte auf

Indien gewinnt den Rüstungswettlauf gegen China, lässt den ersten selbst gebauten Flugzeugträger vom Stapel und beweist Seemacht-Status. Peking betrachtet das mit Argwohn.


Man möge sich diesen Tag doch bitte rot im Kalender vermerken, denn dies sei ein großer Tag für die gesamte indische Nation, sagte ein sichtlich von nationaler oder auch eigener Größe überwältigter und stolzer A. K. Antony. Dem indischen Verteidigungsminister gebührte die Ehre, Indiens Eintritt in den elitären Club der Nationen zu verkünden, die sich Besitzer eines eigenen Flugzeugträgers nennen dürfen. Mehr noch: Besitzer eines Flugzeugträgers, den sie selbst geplant und gebaut hat.
"Mutig" ist sein Name: "INC Vikrant". 37.500 Tonnen, bestückt mit Mig-29K-Jets, leichten Kampfflugzeugen und Kamov-31 Hubschraubern sowie einer Vielzahl komplexer Waffensysteme. Antonys Ehefrau Elizabeth taufte den Koloss nun nach ziemlich genau viereinhalb Jahren Bauzeit in der Werft von Kochi im südlichen Bundesstaat Kerala.
Es sei ein "stolzer Moment für das Land, das nun selbstständig und autark" Kriegsschiffe bauen könne, sagte der Minister. Indien sei einen wichtigen Schritt auf seiner langen Reise des Schiffbaus vorangekommen. "Wir haben die Fähigkeit und die Technologie, uns mit den Besten in der Welt zu messen."

Erste Liga des Schiffbaus


Damit hat Antony wohl recht, denn Indien zählt nun zur ersten Liga von Schiffbaunationen wie USA, Großbritannien, Russland und Frankreich, die Flugzeugträger bauen können und in ihrer Flotte führt. Selbst der große asiatische Rivale China ist so weit noch nicht fortgeschritten. Zwar unterhält auch die chinesische Marine einen Flugzeugträger, doch der ist ein "Erbstück" aus Russland. An einem Eigenbau wird emsig geforscht und gearbeitet, aber dazu wird es wenn weit nach den Indern kommen.
Trotz aller Vorschusslorbeeren für den 260 Meter langen und 60 Meter breiten Stahlriesen mahnte der Minister zur Eile: Alle an dem Prestigeprojekt Beteiligten – Produzenten, Zulieferer und Aktionäre – sollten nun vereint darauf hinwirken, dass der Träger termingerecht ausgeliefert werden könne. Das Schiff muss noch ausgestattet werden und umfangreiche Tests bestehen, bis die indische Marine den "Mutigen" Ende 2018 in die Weltmeere entlassen kann. Schon jetzt hängen die Konstrukteure dem vorgegebenen Zeitplan drei Jahre hinterher – aus Mangel an Koordination, wie der Minister monierte.
Keine Frage: Die Inder wollen ihr rasch wachsendes geostrategisches und wirtschaftliches Gewicht auf die Weltmeere ausdehnen. "Die offenen Meere erobern" heißt die Devise, umgerechnet 4,2 Milliarden Euro hat die Regierung für dieses ambitionierte Vorhaben im aktuellen Jahresbudget eingestellt. Indiens Stärke ist nach wie vor die Landstreitmacht, die im Kampf mit China um die Hegemonie sowie im Grenzstreit mit Pakistan auch wichtiger bleiben wird als die Seestreitkräfte.

Maritime Großprojekte


Aber Indien fährt zunehmend zweigleisig und achtet darauf, auch zu Wasser seine Interessen im Indischen Ozean und die Handelsrouten rund um den Subkontinent zu sichern. Erst am vergangenen Samstag nahm die indische Marine den Reaktor seines ersten selbst entworfenen und gebauten Atom-U-Boots in Betrieb.
Der 1982 in der Sowjetunion vom Stapel gelaufene und grundsanierte Träger "Admiral Gorschkow", der fortan "Vikramaditya" heißen und nach den Wünschen der Inder umgebaut wird, soll die indischen Seestreitkräfte noch in diesem Jahr ergänzen. Mittel- bis langfristig plane Indien mit drei Trägern, sagt Ex-Generalmajor Ramesh Chopra: "Einen im Osten, einen im Westen und einen in den Docks." 

In Chaos Bahn viele der Schuld - der Client

Wer einfache Antworten auf das Mainz-Debakel hat, unterschätzt das Problem. Die Bahn hat zu viel gespart. Weil die Politik es wollte. Und der Kunde nicht bereit ist, für mehr Leistung mehr zu zahlen.

Mainz und Umgebung sind phasenweise vom Schienenverkehr der Deutschen Bahn abgeklemmt: Das klingt nach Subsahara-Afrika. Mit dem Selbstbild der Deutschen jedenfalls, unter den Nationen der Welt durch Effizienz und Verlässlichkeit herauszuragen, lassen sich diese Zustände nicht vereinbaren.
Bei allem verständlichen Ärger über die Bahn sollte die Diskussion aber auch die Komplexität des Problems widerspiegeln. Richtig ist: Wer direkt betroffen ist, wird Bahn-Aufsichtsrat Patrick Döring (FDP) verstehen, der die auf den Standort Mainz spezialisierten Fahrdienstleiter aus dem Urlaub bugsieren will.
Solch ein Ansinnen schlicht als "unsozial" zurückzuweisen, wie es die Gewerkschaft EVG tut, sollte den Begriff "sozial" dringend mal wieder im Wörterbuch nachschlagen. Richtig ist aber auch, dass die Bahn über Jahre zu wenige Fahrdienstleiter ausgebildet hat und die, die sie beschäftigt, medioker bezahlt.
Von einem Mitarbeiter, der selbst im Schichtdienst vielleicht 2500 Euro brutto im Monat verdient, wird der Arbeitgeber nicht dasselbe erwarten dürfen wie von einem Manager, der das Fünf- oder Zehnfache erhält.

Die alte Bahn war verlässlicher, aber unbezahlbar


Richtig ist: Die Bahn hat auf das sich anbahnende Chaos nicht wie ein moderner Dienstleister reagiert, sondern im Stile eines Liegenschaftsamtes; richtig ist zudem, dass sich die Bahn in den Nullerjahren, einen Börsengang vor Augen, kleingespart hat – was die aktuellen Probleme mit verursacht hat.
Richtig ist aber auch, dass die alte Bundesbahn in vielem zwar verlässlicher war, doch am Ende auch unbezahlbar; und dass es nicht die Bahn selbst war, die entschieden hat, halb Fisch (Bundesbehörde) und halb Fleisch (normales Unternehmen) zu sein.
Das war die Politik – unterstützt von einer Bevölkerungsmehrheit, die einerseits störungsfreien Pendel- und Reiseverkehr als Grundrecht betrachtet, die aber andererseits nur wenig dafür bezahlen will. Beides passt nur bedingt zusammen. Die Mainzer merken das gerade.

Friday, August 9, 2013

Brasiliens reichster Mann verliert fast alles

Er war der vermögendste Mann Brasiliens und wollte der reichste der Welt werden. Nun hat Eike Batista innerhalb eines Jahres 99 Prozent seines Vermögens verloren – die Geschichte eines tiefen Falls

Das Leben meinte es gut mit Eike Batista. Als Sohn eines Minen- und Energieministers und späteren Präsidenten des verstaatlichten Minenkonzerns Vale zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur standen ihm von Anfang an viele Türen offen. Batista nutzte seine Chance und baute ein Imperium auf. Seine Firmen machten gute Geschäfte mit Öl und Gas – waren aber auch erfolgreich in der Hotel- und Unterhaltungsbranche.
Das Resultat: Batista avancierte zum reichsten Mann Brasiliens. Der 56-Jährige war laut "Economist" selbst davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis er Carlos Slim als reichsten Mann der Welt ablösen sollte.
Mit seinem Ehrgeiz hat sich Batista jedoch übernommen: Im März 2012 laut Bloomberg noch satte 34,5 Milliarden Dollar schwer, begann in der Folge sein rasanter Abstieg.

Aktionäre und Geldgeber immer nervöser


Als sich die Euphorie um die wirtschaftliche Perspektive Brasiliens letztes Jahr zu legen begann, wurde es für Batista immer schwieriger, Investoren davon zu überzeugen, weiter Geld in seine Firmen zu investieren – erst recht nach den in diesem Frühling ausgebrochenen Unruhen und Demonstrationen auf den Straßen des Landes.
Aktionäre und Geldgeber wurden immer nervöser und zogen Kapital aus seinen Firmen ab – Batistas Vermögen schmolz dahin.
 
Der finanzielle Druck auf Batistas Holding EBX stieg, er brauchte dringend frisches Geld. Batista habe versucht, Anteile seiner Eisenerz-, Kohle- und Goldminenkonzernen zu verkaufen, berichten mit Batistas Holding EBX in Verbindung stehende Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Wenig Umsatz, kaum Gewinn


Ein großes Problem bei vielen Projekten von Batistas Firmen war, dass sie sich noch in einem frühen Stadium befanden und nur wenig Umsatz und praktisch keinen Gewinn generierten. Laut "Economist" verstärkte dies zunehmend seine Abhängigkeit von neuen Kapitalspritzen.
Seine Firmen wurden an der Börse extrem hoch bewertet, obwohl sie kaum damit angefangen hatten, effektiv an den Großprojekten zu arbeiten. Extrem belastend für seine Unternehmen kam die rapide Abkühlung der zuvor brummenden brasilianischen Wirtschaft hinzu: Das Wachstum ging von 7,5 Prozent im Jahr 2010 auf ein Prozent im vergangenen Jahr zurück.
Der tiefe Fall kam mit verpassten Produktionszielen der für die EBX-Gruppe wichtigen Tochter OGX, der Öl- und Gasfirma des Konzerns. Diese war 2008 mit 4,1 Milliarden Dollar der größte Börsengang in der Geschichte Brasiliens.
Um von den riesigen Erdölvorkommen vor der brasilianischen Küste zu profitieren, standen die Investoren ursprünglich Schlange. Wollten sie ihr Geld nicht bei der vom Staat kontrollierten Petrobas anlegen, blieb ihnen nur die Alternative namens OGX. Das Unternehmen konnte jedoch nicht wie versprochen liefern – und verfehlte im vergangenen Jahr die Prognosen bei Weitem. Die Folgen: verlorene Glaubwürdigkeit und ein Kurseinbruch der Aktie um 90 Prozent.

Retten, was zu retten ist


Batista versuchte in der Folge verzweifelt, Aktien seiner funktionierenden Firmen wie MPX (Energieerzeugung) und MMX (Minen) zu verkaufen, um die finanziellen Löcher zu stopfen und so sein Firmenimperium zusammenzuhalten. Gelungen ist ihm dies nicht – im Gegenteil.
Der nächste Tiefschlag folgte: Ein großer Investmentfonds aus Abu Dabi, Mubadala Development, zog sein Geld aus Batistas Holding EBX ab. Batistas Imperium schuldet dem Fonds laut Bloomberg nun 1,5 Milliarden Dollar.
Inzwischen ist Batistas Vermögen komplett weggeschmolzen – laut dem "Bloomberg Milliardärs-Index" steht es aktuell noch bei 200 Millionen Dollar. Ein bescheidener Wert, wenn man die ganze Geschichte kennt.

Japan Defizit erreicht unglaubliche Dimensionen

Eine Billiarde Yen, das sind 7,8 Billionen Euro. Kein Land der Welt ist so stark verschuldet wie Japan. Und niemand traut dem Land ernsthaft zu, aus dieser Billiardenfalle je wieder herauszukommen

Japans Finanzministerium muss bald Astronomen einstellen. Denn für Ökonomen sind die Schulden-Dimensionen des Landes kaum mehr greifbar. Japans Schulden sind auf das astronomische Niveau von einer Billiarde Yen angestiegen.
Das ist eine Eins mit 15 Nullen. Wie Nippons Finanzministerium mitteilte lag die Verschuldung Ende Juni exakt bei 1.008.628.100.000.000 Yen. In Euro umgerechnet sind das mehr als 7,8 Billionen Euro.
Die absolute Zahl ist ein Hingucker, aber auch in Relation zur Wirtschaftskraft bricht das Land der aufgehenden Sonne in neue Dimensionen auf. Es hat zweieinhalb Mal so viel Schulden aufgehäuft wie das Land jährlich erwirtschaftet. Alle Japaner müssten zweieinhalb Jahre allein für den Abbau der Verbindlichkeiten arbeiten.
Mit einer Schuldenquote von rund 240 Prozent ist Japan unangefochtener Spitzenreiter im weltweiten Ranking. Nach einer Übersicht der Ratingagentur Fitch ist kein Land der Welt so stark verschuldet.
Selbst Griechenland sieht mit einer Schuldenquote von 176 Prozent solide aus. Die 240 Prozent dürften noch nicht der Schuldengipfel gewesen sein. Allein in diesem Jahr dürfte das Haushaltsdefizit rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.

Eine außergewöhnliche Situation


Japans Situation ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Nicht einmal im Zweiten Weltkrieg gerieten die Staatsfinanzen derart aus dem Ruder wie heute. Nach 1945 konnte sich das Land über eine Hyperinflation weitgehend seiner Verbindlichkeiten entledigen. Doch seither wächst der Schuldenberg stetig an.
 

Seit dem Platzen der Immobilienblase zu Beginn der 1990er-Jahre beschleunigt sich der Trend in besorgniserregendem Tempo. Seither jagt ein teures Konjunkturprogramm das nächste und die Einnahmen wollen einfach nicht steigen. Das liegt auch an der Abneigung der Japaner gegenüber jeglicher Art von Steuererhöhungen.
Auch jetzt wieder zögert Ministerpräsident Shinzo Abe, die Mehrwertsteuer wie angekündigt im kommenden Jahr von fünf auf acht Prozent anzuheben. Eigentlich sollte die Konsumsteuer, die in Deutschland bei 19 Prozent liegt, 2015 sogar auf zehn Prozent angehoben werden.
Bei vielen Akteuren an den Finanzmärkten wird Japan als das nächste Griechenland gehandelt. Niemand traut dem Land ernsthaft zu, aus der Billiardenfalle herauszukommen. Beim aktuellen Schuldenstand bräuchten die Spekulanten die Zinsen nur wenig nach oben zu treiben, um Nippon in Bedrängnis zu bringen.

Wenn die Zinsen steigen


Jeder Prozentpunkt, den der Finanzminister mehr zahlen müsste, würde den Staatshaushalt mit umgerechnet 80 Milliarden Euro Mehrkosten belasten. Und tatsächlich pumpt sich Japan das Geld vor allem an den Finanzmärkten. Das Finanzministerium hat sich vorwiegend über kurz- und langlaufende Anleihen finanziert.
Doch 95 Prozent der Schuldscheine liegen bei inländischen Sparern. Das erklärt auch, warum das Land trotz der Rekordschulden nur einen lächerlichen Zinssatz von durchschnittlich 1,26 Prozent zu zahlen hat. Allerdings leidet das Land unter einer alternden Bevölkerung. Sollten die Japaner ihre Gelder für den eigenen Lebensabend abziehen, könnte es eng werden.
"Japan wird irgendwann auf ausländisches Kapital angewiesen sein. Und dann wird die Schuldenbombe hochgehen", sagt Carl Weinberg, Chefökonom beim Analysehaus High Frequency Economics. Er hält es für problematisch, dass das Land keine Handelsbilanzüberschüsse mehr erwirtschaften würde.

Warnungen von IWF und OECD


Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) warnen Tokio, endlich die Wende einzuleiten. "Die Schuldendynamik zu stoppen und umzukehren ist kriegsentscheidend", heißt es bei der OECD. Ganz ähnlich klingt das beim IWF: "Japan muss beim Schuldenabbau ambitionierter werden und endlich auch Strukturreformen einleiten", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde.
Doch Regierungschef Abe setzt erst einmal auf Schuldenmachen und auf die Notenpresse gesetzt. Als Teil seines Wirtschaftsplans, der unter dem Namen Abenomics fungiert, hat er einen neuen Zentralbankgouverneur installiert, der Billionen Yen in die Märkte pumpt. Die Bank von Japan kauft Staatsanleihen und hält so die Zinsen weiter niedrig. Gleichzeitig gibt Abe große Summen für Infrastrukturprojekte aus.
Ob der dritte Teil seiner Abenomics, die Strukturreformen, jemals in die Tat umgesetzt werden, bezweifeln viele Experten. Schließlich sind die Japaner nicht nur höheren Steuern gegenüber abgeneigt. Sie akzeptieren auch keine Einwanderung, die das Land dringend bräuchte, um mit seinen demografischen Problemen endlich fertig zu werden.
Und so wird das Land wohl eher Astronomen einstellen, die mit hohen Schuldenzahlen arbeiten können, als Ökonomen, die mit stringenten Reformprogrammen zu arbeiten gewohnt sind
 
 

Da die Snowden Obama plant beschleunigte Reform

Viele Amerikaner halten den Whistleblower Edward Snowden für einen Hochverräter. Präsident Obama scheint aber zu verstehen, was Snowden antreibt. Ohne ihn hätte sein Reformprozess noch nicht begonnen

Ohne Angela Merkel oder Deutschland zu nennen, hat sich Barack Obama vor befreundeten Kritikern der Datenspäh-Affäre verneigt. Es dürfe den USA nicht gleichgültig sein, wie die NSA und ihr Vorgehen in Übersee gesehen würden, sagte der US-Präsident bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington. Seine Vier-Punkte-Reform, die mehr Transparenz und Kontrolle über die "National Security Agency" schaffen will, sieht auch Empfehlungen durch ein Expertengremium von "Außenseitern" vor. Es wäre gut, wenn sie auch auf das alliierte Ausland hören wollten. Denn wie Obama sagte: "Nicht nur, was wir tun, hebt uns hervor, sondern wie wir es tun."
Ausdrücklich nahm er "einige der lautesten Kritiker" der USA aus (sicher war China gemeint, mutmaßlich Russland, Kuba und einige lateinamerikanische Staaten), die nicht die amerikanische "Zurückhaltung" gegenüber regierungskritischen Bürgern zeigten: "Sie werfen Leute ins Gefängnis für das, was sie online schreiben."
Neben der Verbeugung vor kritischen Freunden, die er gleichwohl daran erinnerte, dass die NSA zum Schutz ihrer Staaten vor Terrorangriffen handele, bemühte sich der Präsident, die Enttäuschung seiner linksliberalen Wähler zu mildern. Er gab zu, dass er als Senator selbst "gesunde Skepsis" gegen einige der staatlichen Späh-Programme gezeigt habe.
 
Vielleicht sei sein Irrtum gewesen, fuhr Obama erstaunlich selbstkritisch fort, zu meinen, dass die Aufsicht und Kontrolle ("checks and balances") durch den Kongress und das FISC-Geheimgericht ("Forein Intelligence Surveillance Court") für jeden ersichtlich ausreichten, um den Anschein von Missbrauch zu verhindern: "Und nur um den Anschein geht es hier." Wäre er nicht in einem Staatsamt, gab er mit Blick auf misstrauische Jungwähler ein, würde er dieser Aufsicht vielleicht auch nicht trauen.

"Ich glaube nicht, dass Snowden ein Patriot war"


Obamas zweiter Reform-Punkt befasst sich ausdrücklich damit, dem FISC-Gericht mehr deutliche Gegenstimmen zu verordnen, die gegen die Argumente der Regierung für eine Ausspähung gehört würden. Was immer von diesem Reformpaket umgesetzt wird – für eine Änderung des "Patriot Act", die nach dem 11. September 2001 neu geschaffene Grundlage für staatliche Spähangriffe, benötigt der Präsident die Zustimmung des Kongresses. Sollte die sich im Repräsentantenhaus, wo die republikanische Mehrheit wenig Neigung zur Zusammenarbeit zeigt, nicht finden lassen, kann Barack Obama die blockierte Reform der Opposition anlasten.
Seine Zustimmungsrate ist im Durchschnitt der wichtigsten Umfragen auf 44 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit zwei Jahren. "Ich glaube nicht, dass Mister (Edward) Snowden ein Patriot war", sagte Obama, und kann sich in den USA der Zustimmung der überwiegenden Mehrheit sicher sein. Doch selbst gegenüber dem Mann, den viele Amerikaner für einen Hochverräter halten und ihn in die tiefste Hölle wünschen, machte der Präsident ein Zugeständnis.

Obama scheint zu begreifen, was Snowden antreibt


Zwar habe er eine Überarbeitung der Späh-Praktiken der NSA angeordnet, noch bevor die Lecks Snowdens sie enthüllten. Und er hätte es vorgezogen, einen ordentlichen, gründlichen (nicht öffentlichen) Weg zur Reform zu beschreiten. Doch gestand Obama ein, dass ohne Snowden und seine Wirkung im Ausland der Reformprozess von NSA und FISC noch lange nicht in Gang käme. "Als der allgemeine Eindruck in der Welt entstand, wir würden einfach irgendwelche Informationen absaugen und damit machen, was wir wollen", habe seine Regierung handeln müssen.
Mit anderen Worten: Edward Snowden, Patriot oder nicht, Landesverräter oder Held, erzwang genau, was er erzwingen wollte. Der Präsident sprach: "Wie andere Leute soll er herkommen, mit einem Anwalt vor Gericht gehen und für sich einstehen." Doch der frühere Sozialarbeiter und Verfassungsrechtler Barack Obama scheint durchaus zu begreifen, was Snowden antreibt.

Saturday, August 3, 2013

Für den Erfolg in einer Karriere ohne Uni

Jahrelang zog es Abiturienten nur an die Universität – deswegen fehlen jetzt tausende ausgebildete Fachkräfte. Wirtschaftsvertreter fordern ein Umdenken – und werben für die Berufsausbildung

Marjon Hopman braucht Leute, die anpacken – doch sie findet keine. Vor zehn Jahren hat sie das 200-jährige Herrenhaus Schloss Basthorst bei Schwerin mit ihrem Mann ersteigert und dann zu einem Hotel mit Golfplatz und Wellnesslandschaft umgebaut.
19 Zimmer und Suiten beherbergt es, ein Restaurant sowie zwei Bars. Das Geschäft läuft gut. Doch Hopmans Personaldecke ist löchrig. Genau sieben Fachkräfte fehlen ihr, für das Restaurant, die Zimmer, die Küche, den Rezeptionsbereich.
Hopman bemüht sich um Nachwuchs: Sie geht in Schulen und wirbt für ihr Hotel, bietet Praktika an, hat ein Lehrlingswohnheim gebaut und Bonusprogramme eingeführt. "Ich finde trotzdem nicht genügend Mitarbeiter", sagt sie.
Nicht nur die Hochqualifizierten werden in Deutschland knapp, sondern auch und vor allem die Fachkräfte mit einem beruflichen Abschluss. Bei Kellnern, Klempnern oder Pflegekräften ist der Engpass größer als bei studierten Vermessungstechnikern, Ärzten oder Mechatronikern

Ganze 119 so genannte Engpassberufe, bei denen die Zahl der Stellenangebote die gemeldete Zahl der Arbeitslosen im Juni übersteigt, hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für die "Welt am Sonntag" definiert. Die "Fachkraft Gastronomieservice", die Hopman sucht, ist auch dabei.

Studium nur für jeden fünften Engpassberuf


Mehr als drei Viertel der Engpassberufe werden von Fachkräften ohne Studium ausgeübt, ergibt die "Engpassanalyse". Davon sind 55 Prozent Berufe, zu denen eine berufliche Ausbildung allein befähigt, 23 Prozent sind sogenannte Spezialistenberufe, die neben der Ausbildung auch Fortbildungen voraussetzen.
Einen Hochschulabschluss braucht man dagegen nur für jeden fünften der Engpassberufe. Die Arbeitgeber kennen das Problem: "Fachkräfteengpässe zeigen sich mehr und mehr auch bei beruflich Qualifizierten.
Vier von zehn Unternehmen, die Stellenbesetzungsprobleme haben, suchen derzeit ohne Erfolg dual ausgebildete Fachkräfte", sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Gerade in technischen Berufen und im Gesundheitswesen hätten bereits heute viele Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, hält die Lage in vielen Branchen und Berufen bereits für "dramatisch" – im Zuge der demografischen Entwicklung werde sie sich noch verschärfen.
Denn wenn es insgesamt weniger Jugendliche gibt, werden die Azubi-Zahlen wohl kaum steigen. "Das hat vor allem mit dem Imageverlust vieler dieser Berufe zu tun", sagt Esser.

Duale Ausbildung immer weniger beliebt


Dass die derzeit im Ausland so viel gelobte duale Ausbildung in Deutschland eine so geringe Anziehungskraft ausübt, ist eine Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten begonnen hat. Seit den 50er-Jahren habe sich die Mittelschicht stetig vergrößert, immer mehr Eltern wollten, dass ihre Kinder Abitur machen und studieren, sagt Friedhelm Pfeiffer, Bildungsexperte vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
"Wenn der Wohlstand steigt, wollen die Eltern mehr Bildung für ihre Kinder." Diese Bildungsexpansion hat sich in der vergangenen Dekade fortgesetzt: Im Jahr 2000 erwarben 37 Prozent der Schulabgänger die Hochschulreife. Heute sind es 50 Prozent. Der Anteil der Schüler, die ein Gymnasium besuchen, statt früh eine Lehre zu beginnen, ist rapide gestiegen.
Zur dualen Ausbildung nach dem Abitur wird den Schulabgängern selten geraten: Die Berufsberatung der Gymnasiallehrer sei vor allem auf akademische Karrieren ausgerichtet und lotse die Abiturienten an die Universitäten, sagt BIBB-Präsident Esser: "Es gibt keine gleichberechtigte Orientierung von Studium und beruflicher Ausbildung."

OECD macht Druck


Dabei spielte auch internationaler Druck eine Rolle: Immer wieder hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert, dass es in Deutschland zu wenige Hochschulabsolventen gibt. Wirtschaftsvertreter wie Handwerkspräsident Otto Kentzler regen sich darüber auf: "Wir brauchen beides, berufliche und akademische Bildung. Abi und Studium werden jedoch blind gepusht", kritisiert er.
Doch die Entscheidung, zu studieren, ist nicht irrational: Ein Hochschulabschluss gleicht einer Beschäftigungsgarantie. Eine repräsentative Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung (HIS) in Hannover des Prüfungsjahrgangs 2000/2001 ergab, dass nur ein Prozent der Absolventen zehn Jahre nach dem Examen arbeitslos war.
Und die Verdienstmöglichkeiten der Akademiker sind im Durchschnitt wesentlich besser. Vor allem in der Dienstleistungs- und Gesundheitsbranche schrecken niedrige Löhne Azubis ab.
Auch deshalb werden zwischen 2010 und 2030 nur sieben Millionen Menschen in die mittlere Qualifikationsebene des Arbeitsmarkts eintreten, während 11,5 Millionen ausscheiden, wie das BIBB gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet hat.

Wirtschaftsvertreter fordern Umkehr


Bei den Akademikern prognostizieren sie dagegen unterm Strich ein Plus: 3,2 Millionen gehen in den Ruhestand, 4,9 Millionen Menschen mit Universitätsabschluss kommen neu hinzu. Die Institute gehen davon aus, dass der Bedarf an Fachkräften mit speziellen beruflichen Qualifikationen höher als das Angebot bleibt.
Angesichts dieser düsteren Perspektive fordern Wirtschaftsvertreter nun eine Umkehr von der einseitigen Werbung für die akademische Karriere. "Viele Schulabgänger treffen Entscheidungen für den weiteren Lebensweg, ohne die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten zu kennen", sagt DIHK-Vize Dercks. "Dadurch gehen auch solche Schulabgänger beispielsweise zur Uni, die in einem dualen Beruf bessere Karrierechancen hätten."
Unterstützung bekommen die Wirtschaftsvertreter inzwischen auch von der OECD: Am deutschen Arbeitsmarkt hätten berufliche Qualifikationen einen "ebenso hohen Stellenwert wie andere Bildungsabschlüsse", heißt es im jüngsten OECD-Bildungsreport.
Wer sich spezialisiere und fortbilde, der könne auch mit einer beruflichen Qualifikation gut verdienen, argumentiert das BIBB. Zwar verdienen Akademiker im Durchschnitt rund 160 Prozent des Einkommens von Beschäftigten mit Berufsausbildung – doch diese Lücke könne durch eine Fortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt "deutlich reduziert werden".

Beim Verdienst können Fachleute aufholen


So verdienten Männer mit Abitur, Berufsausbildung und Fortbildungsabschluss rund 130 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aller männlicher Erwerbstätigen mit Berufsausbildung, ergab eine Befragung des BIBB.
Marjon Hopman auf Schloss Basthorst versucht, Mitarbeiter mit Aufstiegsperspektiven zu locken. Die Bezahlung ist in der Gastronomie nicht üppig – ein Kellner kann je nach Erfahrung auf 1000 bis 1400 Euro netto kommen.
Hopman beteuert aber, dass die Aufstiegschancen gut seien: "Wer motiviert ist und ein paar Jahre Erfahrung hat, kann auch Restaurantmanager werden." Die Hotelchefin versucht, die Jobs dadurch attraktiv zu machen, dass ihre Angestellten viel Verantwortung tragen und mitgestalten dürfen, die Hierarchien seien flach. "Das ist das Allerwichtigste", glaubt sie.
Das weiß auch Marc Staiger, Geschäftsführender Gesellschafter beim Ventilhersteller Staiger bei Stuttgart. Er tut sich schwer, gute Industriemechaniker zu finden – auch einer der Engpassberufe.

Arbeit attraktiver machen


Staiger wirbt mit einem "guten, partnerschaftlichen Arbeitsklima eines Familienunternehmens" und einem "guten Gesundheitsmanagement". Das Unternehmen beteilige sich an der Mitgliedschaft im Fitnesscenter, und ein Physiotherapeut gibt vor Ort Ratschläge zur idealen Körperhaltung bei der Arbeit.
Fachkräfte dürfen den Arbeitsalltag mitgestalten, indem sie ihre eigenen Schichtpläne anpassen und Prozesse optimieren. Die Herausforderung sei, die Leute zu halten, sagt Staiger. Viele seien nicht zufrieden als Facharbeiter, wollten weiterkommen.
Er finanziert manchen deshalb sogar die Meisterausbildung. An der Gehaltsschraube will er jedoch nicht drehen: "Geld ist nur ein Faktor von vielen, allein damit kann man seine Mitarbeiter nicht langfristig binden."
Große Unternehmen wie BMW bieten ihren Azubis mit Abitur sogar an, ihnen ein Studium parallel zur Ausbildung zu absolvieren. Auch die Verbände engagieren sich: Um motivierte Abiturienten in die duale Ausbildung zu holen, setzen die Handwerkskammern bundesweit systematisch darauf, Studienabbrecher anzuwerben, indem sie ihnen etwa verkürzte Ausbildungszeiten anbieten.
Heike Solga, Bildungsexpertin vom Wissenschaftszentrum Berlin, sieht diese Flexibilisierung und Öffnung der dualen Ausbildung als richtigen Weg, um dem Mangel an Facharbeitern zu begegnen. Sie warnt jedoch davor, junge Leute vom Studium abzuhalten. "Die Wirtschaft braucht auch weiterhin die Hochschulabsolventen", sagt sie.

Mitarbeiter nachqualifizieren


Die Berufsausbildung attraktiver zu machen, um die Abiturienten anzuwerben, ist ein Weg. Doch Solga zufolge müssen die Unternehmen sich auch damit abfinden, Facharbeiterstellen mit den Leuten zu besetzen, die keinen oder nur einen schlechten Schul- oder Ausbildungsabschluss haben.
Das heißt aber auch, dass sie diese Mitarbeiter nachqualifizieren müssen. Bundesweit ist laut BIBB dazu nur jede fünfte Firma bereit. Nachschulungen seien teuer für die Unternehmen, sagt Solga.
"Man sollte daher Betriebe bei der Integration dieser Jugendlichen unterstützen", sagt Solga. Mittelständler Staiger besetzt seine Stellen bereits öfter mit Leuten, die formal nicht so gut ausgebildet, aber motiviert sind – und investiert auch ohne Förderung in ihre Qualifizierung.
Um den Fachkräftemangel nicht zur Wachstumsbremse werden zu lassen, hält der DIHK außerdem die Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer für notwendig. Die Öffnung kommt spät: Erst vor einem Monat ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Zuwanderung für beruflich Ausgebildete aus Nicht-EU-Staaten erleichtert.
Die "Blue Card" für Hochqualifizierte gibt es dagegen schon seit einem Jahr. Auch Staiger sieht Zuwanderer als Option – doch noch hat er Zweifel, ob sich ausländische Mitarbeiter in einem schwäbischen Dorf integrieren lassen. "Wir haben keine Berührungsängste, aber wir sind hier auf dem Land", sagt er. Trotzdem: "Versuchen würde ich es."
 

Statussymbole der Deutschen ist unbezahlbar

Neun der zehn wichtigsten Wünsche der Deutschen gibt es nicht zu kaufen. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht laut einer Studie die Zeit. Weitere Ergebnisse sind deutlich überraschender.

Beim Streben nach Status schauen die Deutschen verstärkt auf Dinge, die man sich mit Geld nicht kaufen kann. Für besonders erstrebenswert halten sie es etwa, Zeit für sich zu haben, körperlich fit zu sein oder viele Sprachen zu sprechen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung der Berliner Strategieagentur Diffferent, die der "Welt am Sonntag" exklusiv vorliegt.
"In vielen Bereichen ist eine Sättigung eingetreten", sagt der Autor der Studie, Dirk Jehmlich, Director Trends & Innovation bei Diffferent. "Ein Smartphone zu besitzen zum Beispiel ist per se kein Statussymbol mehr." Eher könnte künftig das Gegenteil der Fall sein.
Mehr als die Hälfte der Befragten nannte eine bewusste Auszeit von Handy und Internet als Möglichkeit, um sich von anderen abzugrenzen. Immerhin 45 Prozent fanden eine solche Auszeit auch für sich selbst erstrebenswert. Ihre Freunde treffen die Menschen übrigens lieber in Person als virtuell.
Allem Hype um die sozialen Netzwerke zum Trotz: Lediglich 16 Prozent der Befragten findet es erstrebenswert, viele Kontakte auf Facebook oder Xing zu haben. 60 Prozent dagegen wünschen sich "im echten Leben" einen großen Freundeskreis.
 
 

Zeit ist das Wichtigste


Für die Studie hat Diffferent eine repräsentative Stichprobe von rund 2000 Menschen online befragt. Außerdem wurden 30 Interviews mit Unternehmensvorständen und Wissenschaftlern zum Thema Statussymbole geführt.
Ganz hoch im Kurs stehen der Umfrage zufolge die immateriellen Güter. Neun der top zehn Begehrlichkeiten gibt es nicht zu kaufen. Auf Platz eins rangiert die Zeit für sich selbst, die 90 Prozent der Befragten durch alle Altersschichten erstrebenswert finden.
Auch ein "unbefristeter Arbeitsvertrag", "Kinder haben", "eine Ehe führen", "richtig gut kochen können", "stets über die Weltpolitik informiert sein" und "sich ehrenamtlich engagieren" schaffen es auf die vordersten Plätze. Für die Autoren der Studie deutet das darauf hin, dass die Mehrheit der Menschen lieber zur Wissens- und Bewusstseinselite als zur Geldelite gehören möchte.
Diese Bewusstseinseliten indes sind für Unternehmen besonders begehrte Kunden. "Sie sind oft die Vorreiter und Trendsetter der Gesellschaft", sagt Jehmlich. Sie stehen für ihre Werte ein. Das fänden andere Menschen gut und folgten. "Deshalb steht diese Gruppe beim Marketing besonders im Fokus."

Unternehmen reagieren auf Begehrlichkeiten


Das gilt zum Beispiel bei der Deutschen Bahn. Kunden, denen eine nachhaltige Mobilität wichtig ist, hatte der Konzern schon lange. In den vergangenen Jahren allerdings sei ihre Zahl "erheblich gewachsen", berichtet Marketingvorstand Manuel Rehkopf.
Zudem hätten Angehörige der Bewusstseinselite ganz gewichtigen Einfluss: "Dieses Segment ist besonders sprachmächtig und somit ein wichtiger Multiplikator", sagt Rehkopf.
Kein Wunder, dass die Bahn mit einzelnen Aktionen direkt auf diese Gruppe abzielt. Seit April bezieht der Konzern etwa den Strommix für sämtliche Bahncard-Kunden zu 100 Prozent aus regenerativen Energien. Man wolle glaubhaft zeigen, dass man es ernst meine mit der Verantwortung, sagt Rehkopf.
Unter den Top-zehn-Statussymbolen der Diffferent-Rangliste lässt sich tatsächlich nur die Nummer vier mit Geld kaufen: das eigene Haus oder die Eigentumswohnung. Die Immobilie finden 80 Prozent aller Befragten erstrebenswert, unter den Jungen zwischen 18 und 29 Jahren liegt der Anteil sogar bei 84 Prozent.

Jung und konservativ


Überhaupt tendieren die jüngeren Befragten zu konservativen Werten: 77 Prozent – fünf Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt aller Deutschen – möchten eine Ehe führen. Und immerhin noch 59 Prozent finden es erstrebenswert, "einen gepflegten Garten" zu haben.
Noch wichtiger ist es den Jungen allerdings, einen Partner zu finden, den andere Menschen für gut aussehend halten (64 Prozent), und ein Smartphone zu besitzen (68 Prozent).
Bei den Älteren dagegen überwiegt schon der Wunsch, eine Auszeit von diesen elektronischen Geräten zu nehmen. Studienleiter Jehmlich hält das für typisch: "Man muss viele Dinge erst besitzen, um zu bemerken, dass man sie nicht braucht."
So kommt es, dass in einer alternden und immer reicheren Bevölkerung immaterielle Statussymbole immer wichtiger werden. Je älter die Menschen, desto weniger Dinge kaufen sie, um andere damit zu beeindrucken.

Eindruck schinden


Unter den 18- bis 29-Jährigen gaben immerhin noch 42 Prozent zu, dass sie sich etwas leisten, um bei ihren Freunden Eindruck zu schinden. Bei den über 50-Jährigen waren es nur noch 14 Prozent. "Erlebnisse und Services stehen mehr und mehr im Vordergrund", sagt auch Jehmlich.
Das heißt in den Augen des Gesellschaftsforschers aber nicht, dass die Menschen künftig unabhängig werden von materiellen Bedürfnissen. "Immaterielle Statussymbole stehen nicht im Widerspruch zu den Statusklassikern. Zeit zu haben, muss man sich leisten können. Auch Moral kann teuer sein", sagt Jehmlich. "Menschen, die nach Ruhe und Selbstbestimmung streben, landen dann doch oft wieder beim Boot oder dem abgeschiedenen Ferienhaus. Jedes immaterielle Symbol benötigt ein Produkt, in dem es sich manifestiert. Und das ist die Chance fürs Marketing."
Davon ist auch die österreichische Markt- und Motivforscherin Helene Karmazin überzeugt. Der Wunsch nach positiver Unterscheidung sei in unserer Gesellschaft nach wie vor zentral. "Materielle Statuszeichen haben also keineswegs ausgedient – an ihnen kann man eben den Status relativ einfach ablesen, da sie sichtbar sind", sagt Karmazin.
Wirkliche Eliten setzen diese Statuszeichen noch immer ein, "wenn auch mit großem Geschmack". Daneben träten heute die Demonstration von moralischer Gesinnung, Zeitsouveränität oder eines perfekten Körpers. Schwierig an diesen neuen Entwicklungen sei es, solche immateriellen Werte in "beobachtbare Zeichen" zu übersetzen, sagt Karmazin. "Ein Auto ist leicht zu klassifizieren, aber eine moralische Gesinnung?"

Auto ist immer noch Statussymbol


Die Diffferent-Befragung gibt Anhaltspunkte für die neuen und alten Statussymbole. 48 Prozent der Deutschen nennen noch immer das Auto an erster Stelle. Es folgen Computer und Smartphones mit 16 Prozent noch vor Mode, Unterhaltungselektronik, Uhren und Schmuck.
Bei den Marken schafft es der Computer-Riese Apple auf den ersten Platz (mit zwölf Prozent der Nennungen). Unter den Automarken siegt Audi noch vor Mercedes-Benz, BMW und Porsche. Audi-Marketingvorstand Luca de Meo setzt auf die Verbindung von Produkt und Gesinnung.
"Premium-Automobile müssen heute in Nachhaltigkeitsfragen genauso überzeugen, wie sie es bei Sportlichkeit, Komfort und Sicherheit tun", sagt er. Auch er sieht allerdings den eindeutigen Trend, "den Besitz von Gütern mit immateriellen Werten zu verknüpfen". Diese Werte allerdings lassen sich mit Geld eben nicht kaufen.

Wechsel von Krisenländern bieten Investitionsmöglichkeiten

In Spanien erwacht die Bauindustrie, Italiens Finanzwirtschaft regt sich, und Portugal wächst mit Rohstoffen. In Europa zeigen sich Wachstumssignale. Der Anleger, der sie erkennt, kann profitieren

Volkswagen investiert 785 Millionen Euro in sein Werk in Pamplona. Renault will in seinen spanischen Fabriken 1300 Mitarbeiter zusätzlich einstellen, bei Nissan sind es 1000. Und Ford verlegt gleich seine gesamte Mondeo-Produktion aus Belgien nach Valencia. Vier Beispiele aus einer einzigen Branche. Ist die Krise folglich endlich vorbei, ist das der Beginn eines neuen Wirtschaftswunders in Südeuropa?
Das wäre sicher übertrieben. Doch unbestreitbar kamen in den vergangenen Wochen zunehmend positive Signale aus vielen der Euro-Länder, die zuletzt oft unter dem wenig schmeichelhaften Begriff "Peripherie" zusammengefasst wurden.
Es sind bisher nur kleine Zeichen einer Erholung. Doch sie könnten eine Trendwende ankündigen. Und wer als Anleger davon profitieren will, der muss jetzt handeln, denn wenn erst alle erkennen, dass die Zeit des Niedergangs zu Ende ist, dann ist es, wie bei allen Turnaround-Geschichten, zu spät.
Die frischen Triebe einer konjunkturellen Blüte verstecken sich in drögen Statistiken wie jener zum italienischen Geschäftsklima. Es ist den jüngsten Zahlen vom Montag zufolge von 90,2 auf 91,7 Punkte gestiegen. Sie verstecken sich in einem gestiegenen Wirtschaftsklima-Index in Portugal.
 
Dieser zeigt positive Signale für alle Unterbereiche und steigt bereits seit Januar kontinuierlich. Sie verstecken sich in einem optimistischen Ausblick der spanischen Einkaufsmanager. Der entsprechende Index ist von März bis Juni von 44,2 auf 50 Punkte gestiegen.

Spanien verlässt allmählich den Schrumpfkurs


Natürlich findet all dies auf einem extrem niedrigen Niveau statt. Die Verbesserung der Daten führt dazu, dass beispielsweise die Wirtschaft in Spanien im zweiten Quartal nur noch um 0,1 Prozent geschrumpft ist, nach einem Rückgang von 0,5 Prozent in den ersten drei Monaten. Dennoch ist sie eben weiter geschrumpft. Die Zahlen geben jedoch Hoffnung, dass es damit nun bald vorbei ist. "Die Rezession könnte bald der Vergangenheit angehören", sagt Jonathan Stubbs, Aktienstratege bei der Citigroup.
Besonders positiv daran: Die besseren Aussichten gehen zu einem guten Teil auf die Reformen der vergangenen Jahre zurück. In Spanien ist dies klar zu erkennen. "Die Arbeitskosten dort sind seit Mitte 2009 um rund acht Prozent gesunken", sagt Paul Jackson, Aktienstratege bei der Société Générale.
In Deutschland und Frankreich dagegen sind sie beispielsweise um fünf bis sechs Prozent gestiegen. "Diese Differenz mag nicht riesig erscheinen, aber sie dürfte jenen Firmen helfen, die im direkten Wettbewerb mit europäischen oder globalen Konkurrenten stehen."

Autohersteller entdecken Südeuropa neu


Dazu gehört beispielsweise der Automobilsektor. Immerhin war Spanien bis zur Finanzkrise der fünftgrößte Autoproduzent der Welt. Durch den Absatzrückgang fiel das Land dann aber auf Rang neun zurück. Nun jedoch entdecken viele Hersteller den Standort neu, wie die zu Beginn genannten Beispiele zeigen, und die niedrigeren Arbeitskosten sind ein wichtiges Argument dabei.
Portugal wiederum profitiert von der leichten Aufhellung der Lage im Nachbarland, denn aufgrund seiner geografischen Lage ist es stark von dessen Wirtschaft abhängig. Zudem hat Portugal seinen Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren so stark liberalisiert wie kein anderes Euro-Land. Auch in Italien gab es in dieser Hinsicht einige Fortschritte, wenngleich dort einiges auf halbem Wege stecken blieb. In Italien war die Krise allerdings nie so schwer wie in den anderen südeuropäischen Staaten.
Südeuropa scheint das Schlimmste also hinter sich zu haben. Land ist in Sicht. Tatsächlich hat auch der Aktienmarkt dies schon zu einem gewissen Teil nachvollzogen. Auf Sicht von einem Jahr liegen zumindest die Börsen von Madrid und Lissabon leicht vor dem Deutschen Aktienindex (Dax). Doch der Absturz davor war so enorm, dass sie noch weit davon entfernt sind, mit dem deutschen Index aufzuschließen. Dazu bedürfte es erst einer breiten Wiederentdeckung dieser Anlageregionen durch die Investoren.

Internationale Investoren sind zurückhaltend


Doch noch sind diese zurückhaltend. "Trotz erster Lichtblicke scheinen insbesondere internationale Anleger dem Braten nicht so recht zu trauen", stellt Markus Reinwand, Aktienstratege bei der Landesbank Hessen-Thüringen, fest. "Unter den institutionellen Investoren mag sich für Euro-Aktien im Gegensatz zu den weiter hoch im Kurs stehenden US- und Yen-Titeln derzeit kaum jemand wirklich erwärmen."
Das ist jedoch letztlich nur gut für private Investoren. Denn wenn die Großen die Story von der Trendwende in Südeuropa erst mal für sich entdeckt haben, ist es für Kleinanleger ohnehin wieder zu spät. Dann haben sie binnen weniger Tage die Kurse in die Höhe getrieben und alle anderen haben das Nachsehen.
Doch wie kann man nun auf ein Ende der Rezession und einen konjunkturellen Aufschwung in Südeuropa setzen? Für Paul Jackson wäre der ideale Kandidat für ein Investment in Spanien eine Firma, die über einen hohen Arbeitskostenanteil verfügt, viel exportiert und zudem noch relativ geringe Margen hat. Diese würden sich in einem Aufschwung dann besonders schnell ausweiten. "Viel Glück dabei, das in Spanien zu finden", schränkt er dann aber gleich selbst ein.

Privatanleger sollten größere Firmen suchen


Firmen, die dem Ideal immerhin nahekommen, verfügen wiederum über eine relativ geringe Marktkapitalisierung, sind also eher klein und daher für Privatanleger wenig geeignet. Jackson zählt dazu beispielsweise den Automobilzulieferer CIE Automotive, den Produzenten von Eisenbahnfahrzeugen CAF oder auch Uralita, einen Hersteller von Baumaterialien und Chemikalien.
Besser dürfte es sein, auf größere Firmen zu setzen, die zwar nicht ganz so unmittelbar von einer Trendwende profitieren, aber zu den Gewinnern gehören, wenn der Aufschwung allmählich an Breite gewinnt. Hierzu zählt vor allem der Finanzsektor, und hierin stellt Jonathan Stubbs in Italien vor allem den Versicherungskonzern Generali und die Bank Unicredit heraus.
Ihr Vorteil: Sie sind stark im Heimatmarkt verankert und der Gewinntrend verbessert sich derzeit. Bei den spanischen Banken wie Banco de Sabadell, Banco Popular Espanol, Bankinter oder Caixabank ist das Argument vor allem die geringe Bewertung an den Börsen.

Fonds sind eine Alternative zu Einzelaktien


Auch Energieversorger dürften von einem generellen Aufschwung profitieren. Dazu gehören beispielsweise die italienischen Firmen Enel und Terna Rete Elettrica sowie in Portugal der Gaslieferant Galp Energie. In Spanien schließlich dürfte der Baukonzern Ferrovial zu den größten Gewinnern gehören, wenn mit einer allgemeinen wirtschaftlichen Erholung auch die Bautätigkeit in dem Land allmählich wieder anzieht.
Trotzdem bleiben auch bei diesen relativ großen Firmen stets die Unwägbarkeiten, die mit der Anlage in Einzeltitel verbunden sind. Daher dürften für viele Anleger Fonds eine Alternative sein. Zumindest für Italien gibt es dabei eine ganze Reihe gemangter Fonds, so beispielsweise den Oyster Italian Value (WKN 926291) oder den Credit Suisse Italy (WKN 974241). Im Falle Spaniens gibt es mit dem Mediolanum Challenge Spain Equity (WKN 803308) immerhin noch einen Fonds im Angebot.
Portugal dagegen können Anleger nur über den Fidelity Iberia Fonds ins Visier nehmen (WKN A0LF04), der sowohl auf Spanien als auch Portugal setzt, wobei der Schwerpunkt natürlich in Spanien liegt. Daneben gibt es noch einige Indexfonds auf den Madrider Ibex 35 (z. B. von db-xtrackers, WKN DBX0HR) und den Mailänder FTSE MIB Index (z. B. von iShares, WKN A0MZWP) Den portugiesischen PSI 20 Index bildet ein entsprechender Fonds von Comstage ab (ETF048).

Monday, July 22, 2013

Deutschland hat ein Problem der Asylpolitik neuen Schüler

Ein Trend verstärkt sich: Die Zahl der Asylanträge in Deutschland steigt um 90 Prozent. Demnächst kommen 5000 Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg. Doch noch weiß keiner, wo sie unterkommen

"Für einen Arzt bist du aber sehr schüchtern, Kamal," lacht Mageda Abou-Khalil. Vorsichtiger Händedruck, leise Stimme. Kamal ist 26, Syrer und vor drei Monaten im Übergangswohnheim für Flüchtlinge an der Eduard-Grunow-Straße in Bremen angekommen. Das Heim unter Leitung von Mageda Abou-Khalil wurde erst Mitte April eröffnet, es verströmt noch den Geruch neuer Räume. Große Fenster, weiß verputzte Wände, warmer Holzboden. Eigentlich sollte aus dem vierstöckigen Gebäude ein Hostel werden, doch angesichts der vielen fehlenden Plätze zur Unterbringung von Asylsuchenden entschied sich die Stadt anders.
Nun wohnen 50 Menschen aus Iran, Afghanistan, Nigeria und Syrien hier. Man kann dieses Heim als einen Glücksfall bezeichnen. Zwar ist auch hier, wie in ganz Deutschland, der Platz knapp, aber die Zimmer sind größer als vorgeschrieben, die Atmosphäre freundlich.
Mageda Abou-Khalil, die noch ein zweites Heim in Bremen leitet und als junge Frau aus dem Libanon nach Deutschland kam, vermittelt Deutsch-Kurse, macht Behördengänge und hilft bei der Wohnungssuche. Nur, es gibt in Bremen keine Wohnungen. Kaum für Normalbürger, noch weniger für Menschen wie Kamal.

1,8 Millionen Syrer auf der Flucht


Er bewohnt ein kleines Zimmer. Zehn Quadratmeter mit Bett, Tisch, Kühlschrank, Fernseher und Bad. Keine Bilder, keine persönlichen Erinnerungsstücke. "Er fühlt sich einsam hier", erzählt Mageda Abou-Khalil, die für alle Bewohner die erste Ansprechpartnerin und oft einzige Zuhörerin und Psychologin ist.
Jetzt übersetzt sie, was Kamal auf arabisch erzählt. Kamal hat in Syrien als Arzt gearbeitet, und sein Fehler war es, ärztliche Neutralität zu wahren. Er behandelte Oppositionelle wie Regierungstreue. Dann kamen die Morddrohungen, von beiden Seiten, und Kamal floh mit seinen Eltern und den sieben Geschwistern in die kurdischen Gebiete Syriens. Von dort gelangte er alleine nach Deutschland. Seine Familie blieb.
Seit Beginn des Bürgerkriegs sind so wie Kamal Tausende syrische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Ende März versprach Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dann, Deutschland werde ein Kontingent von 5000 syrischen Flüchtlingen aufnehmen. Die ersten sind bereits da, die Mehrheit folgt in den nächsten Wochen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind bereits rund 1,8 Millionen Syrer in die Nachbarländer geflohen, vor allem nach Jordanien, in den Libanon und die Türkei sowie den kurdischen Nord-Irak.

Libanon erstickt unter der Last


Dabei steht nur ein Teil der Menschen einer Auswahl für das deutsche Aufnahme-Programm zur Verfügung. Denn zum einen können längst nicht alle 1,8 Millionen Menschen durch das UNHCR erfasst werden, da viele informell über die Grenzen kamen und nun bei Verwandten oder in rasch angemieteten Wohnungen und Behelfsunterkünften leben.
Zum anderen will sich Deutschland nach Angaben des Innenministeriums auf Flüchtlinge konzentrieren, die derzeit im Libanon leben. Denn das Land, halb so groß wie Hessen, droht unter der Last der Bürgerkriegsflüchtlinge zu ersticken.
Offiziell registriert sind im Libanon – Stand 31. März 2013 – rund 509.000 Flüchtlinge, das libanesische Innenministerium vermutet, dass es doppelt so viele Menschen sind. Und die meisten von ihnen hatten nicht vor, eine Reise nach Europa zu unternehmen, sondern planten, irgendwann nach Syrien zurückzukehren.

1600 Menschen für den Wiederaufbau


Deutschland als Ziel kam meist nur bei denen infrage, die hier Verwandte haben. Daher forderten Flüchtlingshilfswerke, dass man die Menschen nicht im Rahmen eines formellen und auf Dauer angelegten Kontingent-Programms holen sollte, sondern es ihnen durch eine Lockerung der Visa-Bestimmungen erleichtern sollte, für einige Zeit nach Deutschland zu reisen. Auf diesem Wege sind einige tausend Menschen aus Syrien nach Deutschland gekommen.
Doch schon weil ein Ende des Bürgerkriegs gar nicht absehbar ist, sollen nun auch Menschen im Rahmen des formellen Kontingent-Programms für längere Zeit nach Deutschland kommen. Neben Schwerverletzten sowie Kleinkindern und Müttern will die Bundesregierung besonders solche Menschen berücksichtigen, die wegen ihres Bildungsstands oder ihres politischen Engagements einen Beitrag für einen Wiederaufbau des Landes leisten können. Rund 1600 Personen aus dieser Gruppe will Deutschland aufnehmen.

Höhere Akzeptanz in der Bevölkerung


In den Bundesländern ist man skeptisch. "Wer kann bei der Auswahl prüfen, ob diese Menschen auch tatsächlich wieder zurück gehen werden und wollen? Außerdem wird das humanitäre Kontingent dadurch geschmälert", heißt es aus einem Landesministerium. Doch man kann darin auch eine Chance sehen. "Es ist zumindest ein interessanter Ansatz, der auch bei der Bevölkerung die Akzeptanz erhöhen könnte", sagt Evelyn Jäger, Referatsleiterin für die Aufnahme und Integration von Migranten in Schleswig-Holstein.
Eine Auswahl nach Bildungsstand würde auch bedeuten, dass Christen überproportional vertreten wären. Zwar beträgt ihr Anteil an der syrischen Gesamtbevölkerung nur 8,5 Prozent, doch unter den Flüchtlingen scheinen sie stärker vertreten zu sein. Hinzukommt, dass Christen in Syrien eher der Mittel- und Oberschicht angehören, sodass sie dem Bildungskriterium eher gerecht werden könnten.

Ein Anstieg der Asylanträge um 90 Prozent


Aber wohin mit diesen Flüchtlingen? Egal in welches Bundesland man blickt, überall sind die Flüchtlingsheime überfüllt oder hangeln sich an der Kapazitätsgrenze entlang. Und die Zahl der Asylanträge steigt immer weiter. Bis Ende Juni dieses Jahres wurden in Deutschland rund 43.000 Asylanträge gestellt. Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt knapp 22.500. Das ist ein Anstieg um rund 90 Prozent.
Und diese Zahl beinhaltet nicht die Flüchtlinge aus sogenannten Resettlement-Programmen, die Deutschland aus Drittstaaten aufnimmt, so wie die 99 Iraker, die in der letzten Woche aus der Türkei in Hannover ankamen. Auch die 5000 Syrer werden nicht mit eingerechnet, da sie direkt einen Aufenthaltsstatus erhalten und theoretisch sofort in Deutschland arbeiten könnten.
Den größten Teil der Asyl-Antragsteller bilden Menschen aus Russland, viele von ihnen aus Tschetschenien. Der starke Zustrom aus dieser Region wurde wahrscheinlich durch Gerüchte ausgelöst, die sich in der Nordkaukasischen Republik verbreiten. Man erzählt sich dort, Deutschland sei bereit, 40.000 Tschetschenen aufzunehmen. "In einigen Dörfern verkaufen ganze Straßen ihr ganzes Vermögen, um die Schlepper zu bezahlen", sagt Swetlana Gannuschkina, Leiterin der Nichtregierungsorganisation "Bürgerlicher Beistand".

Die Hoffnung, aufgenommen zu werden


Swetlana Gannuschkina vermutet, dass die Schlepper die Gerüchte verbreiten könnten. Dass die Menschen so leicht die Lügen glauben, hänge aber vor allem mit der Aussichtslosigkeit der Situation zusammen. Mit der fehlenden Rechtsstaatlichkeit und der Willkür des Präsidenten Ramsan Kadyrow.
"Die Situation erinnert an die schlimmsten Stalin-Zeiten", sagt Gannuschkina. Menschen werden entführt und ermordet, es gebe aber keine Ermittlungen in den Fällen. Die Verwandten von Opfern wenden sich aus Angst nicht an die Staatsanwaltschaft und nur selten an Menschenrechtler. "Die Menschen fliehen und sind bereit, an alles zu glauben, was ihnen die Hoffnung gibt, aufgenommen zu werden."
Diese Hoffnung wird in Deutschland dann zu einer Zahl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wagt eine Prognose für die Zahl der Asylanträge: "Wir rechnen damit, dass die 100.000-Marke in diesem Jahr überschritten wird", sagt Christiane Germann vom BAMF.
Bei dem chronischen Mangel an Plätzen, könnte diese Entwicklung katastrophal sein. "Wir haben ein ganz grundsätzliches Problem mit der Unterbringung von Flüchtlingen in ganz Deutschland", sagt David Lukaßen von der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen in Bremen. Nach den 90er Jahren sei die Zahl der Flüchtlinge so stark zurückgegangen, dass Heime leer standen. "Leere Heime muss man natürlich rechtfertigen. Also wurden sie mangels Bedarf geschlossen."
Und heute suchen die Länder händeringend nach Lösungen zur Unterbringung. Das können Zelte oder Wohncontainer sein. Wer es dann wie Kamal in ein Wohnheim wie das in Bremen schafft hat großes Glück, sofern Glück hier überhaupt eine Kategorie sein kann. Wo die 5000 Flüchtlinge in einigen Wochen unterkommen sollen, weiß bis jetzt noch niemand so recht.

Mitarbeit: Julia Smirnova