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Saturday, January 12, 2013

Und Europa jetzt verteidigt die Freiheit in der Wüste

 Lange galt Mali als afrikanisches Musterland. Dann traten Islamisten einen Feldzug an. Frankreich ist entschlossen, "vor den Toren Europas" einen Terrorstaat zu bekämpfen – ein Soldat starb bereits

In den letzten sechs Monaten hatte François Hollande stets betont, er werde keine Truppen nach Mali entsenden. Ein Versprechen, das der französische Präsident am Freitag kurzerhand über den Haufen warf. Jagdflugzeuge, Hubschrauber und einige Hundert Soldaten von Spezialeinheiten Frankreichs sind nun in Zentralmali im Einsatz.

Sie bekämpfen dort radikale Islamisten, die den Norden Malis kontrollieren. Eine Region, die fast doppelt so groß wie Deutschland ist.

Es sind drei extreme Gruppierungen, die dort einen exterritorialen Staat gebildet haben: Ansar al-Dine, die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mujao) und al-Qaida im Maghreb (AQIM).

Sie waren "Trittbrettfahrer" der Tuareg-Rebellion, die im März vergangenen Jahres das riesige Gebiet in nur drei Monaten erobert hatten. Nach Ausrufung eines unabhängigen Staates Azawad wurden die Tuareg von den radikalen Islamistengruppen vertrieben.

Ein religiöses Paradies

Rigoros diktierte man den Bewohnern der Städte Gao, Timbuktu und Kidal die Einhaltung der Scharia: Rauchen, Fernsehen, Musik und Alkohol sind nach islamischem Recht verboten. Es gab Steinigungen, mehreren vermeintlichen Dieben wurde die Hand abgehackt.

Ein religiöses Paradies, das zunehmend strenggläubige Muslime aus aller Welt anzog. Rekruten aus Nigeria, Algerien, Libyen, dem Irak oder Pakistan wurden in Trainingslagern zu Dschihadisten ausgebildet. Eine Entwicklung, die die benachbarten Staaten Malis, aber auch die westlichen Staaten mit Sorge beobachteten. Einen afrikanischen Gottesstaat, ähnlich wie einst in Afghanistan unter der Ägide der Taliban, wollte man nicht tolerieren.

Im Dezember autorisierte der UN-Sicherheitsrat die Internationale Unterstützungsmission in Mali (AFISMA). Eine 3000 Mann starke Eingreiftruppe der Ökonomischen Gemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Ecowas), die von europäischen Militärs ausgebildet werden sollte.

Die EU hatte sich im vergangenen Jahr dazu bereit erklärt. Auch Soldaten der Bundeswehr sollten mit von der Partie sein. Wobei jedoch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nun eine deutsche Beteiligung ausschloss. Zuerst müsse es einen "tragfähigen Fahrplan für die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung" geben, sagte Westerwelle in Berlin. "Eine allein militärische Lösung wird es nicht geben."

Islamisten überschritten rote Linie

Im März vergangenen Jahres hatte es in Mali einen Putsch gegeben. Die Armee setzte den demokratisch gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré ab, nachdem sie sich während der Tuareg- Rebellion als Kanonenfutter missbraucht sah.

Die malischen Soldaten waren chancenlos gegen die Kämpfer des Nomadenvolks, die mit schweren Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg zurückgekommen waren.

Frankreich hat, im Gegensatz zu Deutschland, keine Vorbehalte gegen einen militärischen Eingriff. Die Islamisten überschritten eine rote Linie, als sie am vergangenen Donnerstag die Kleinstadt Konna einnahmen. Sie bedrohten damit den strategisch wichtigen Militärflughafen von Sevare und das ebenfalls nahe liegende Mopti.

Die Stadt in Zentralmali mit 100.000 Einwohnern, die als das Tor zum Süden des Landes gilt. Von hier aus sind es noch rund 600 Kilometer in die Hauptstadt Bamako.

Alleingang durch UN-Resolution gedeckt

"Das ist in der Tat eine signifikante Veränderung der Lage", sagte US-General Carter F. Ham, der Leiter des Afrikakommandos der USA. Der französische Präsident fand drastischere Worte: "Die Islamisten versuchen der Existenz Malis den Todesstoß zu versetzen", erklärte Hollande. "Frankreich wie auch seine afrikanischen Partner und die internationale Gemeinschaft können das nicht hinnehmen."

In Laufe nur eines Tages wurden die Islamisten aus dem strategisch wichtigen Ort Konna vertrieben. Und dabei wird es vermutlich nicht bleiben.

"Französische Truppen unterstützten die malische Armee im Kampf gegen terroristische Elemente", erklärte Hollande in Paris vor erstaunten Pressevertretern. "Die Operation wird so lange dauern, wie es eben nötig ist."

Der französische Alleingang in Mali ist durch die Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrats gedeckt. Aber auch durch ein offizielles Hilfegesuch der malischen Regierung an die ehemalige Kolonialmacht, von der man 1960 unabhängig geworden war. Die Intervention Frankreichs kam überraschend, man hatte sie aber offensichtlich längst vorbereitet. Truppenkontingente waren bereits im Senegal, in Burkina Faso und an der Elfenbeinküste stationiert.

Spezialeinheiten seit Monaten in Mali

Zudem gab es Berichte, dass sich französische Spezialeinheiten seit Monaten in Mali befanden. Frankreich kann auch vorgeben, die Interessen von über 6000 ihrer Staatsbürger zu schützen, die im Land ansässig sind. Das Militär und der Geheimdienst haben zudem mit al-Qaida eine Rechnung offen.

Im August 2010 versuchte ein Kommando Michel Germaneau, der von den Terroristen entführt worden war, vergeblich zu befreien. Damals stürmten Elitetruppen ein Lager von Schmugglern statt das der Islamisten. Die Falschinformation war vom algerischen Geheimdienst (DRS) gekommen.

In der Region halten sich vehement Gerüchte, dass die Islamisten im Norden Malis vom DRS logistisch unterstützt werden.

USA sagen logistische Hilfe zu

Einen Schatten auf die Intervention wirft der erste getötete französische Soldat. Der Hubschrauberpilot sei verwundet worden und später seinen Verletzungen erlegen, gab der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian bekannt. Aber Frankreich sei zum Kampf entschlossen, "um einen Terrorstaat vor den Toren Frankreichs und Europas" zu verhindern.

Bei einem französischen Alleingang wird es nicht bleiben. Die USA haben zugesagt, logistische Hilfe zu leisten, schlossen aber einen Einsatz von Bodentruppen aus.

Wie es mit der Intervention weitergeht, wird hinter den Kulissen zwischen Washington, Paris und afrikanischen Regierungen verhandelt. Man will die Islamisten ein für alle mal loswerden. Aber es soll kein zweites Afghanistan entstehen, in dem islamistische Terroranschläge zum Alltag gehören.

Der Sprecher von Ansar al-Dine, einer der größten Rebellengruppen, bat bereits die aufrechten Muslime der Region um ihre Unterstützung. Die Gefahr, dass seine Worte Gehör finden, ist groß. Noch mehr Dschihadisten werden herbeieilen, um ihren bedrohten Brüdern beizustehen. Anschläge in Paris oder anderen europäischen Städten sind nicht ausgeschlossen. Frankreich hat ein gefährliches Abenteuer begonnen, dessen Ausgang ungewiss ist.

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