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Friday, March 15, 2013

Wirtschafts WISER - "Ohne Euro sterben Italy"


Der neue Chef der Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt warnt vor Spekulationen um einen Euro-Austritt Italiens. Er fürchtet einen Dominoeffekt, den die Währungsunion nicht überleben würde.

Die Welt: Sie sind zum Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen bestimmt worden. Haben Sie mit etwas Sekt angestoßen?
Christoph Schmidt: Bisher nicht...
Die Welt: Dann sind Sie sehr genügsam, denn als Sie 2009 in den Sachverständigenrat berufen wurden, war das ähnlich.
Schmidt: Stimmt. Das liegt daran, dass ich mich immer rund um die Fastenzeit zurückhalte. Nicht unbedingt aus spirituellen Gründen, aber es ist gut, manchmal etwas kürzer zu treten.
Die Welt: Kritikern werfen Ihnen vor, dass der Rat an Bedeutung verloren hat. Wie wollen Sie das ändern?
Schmidt: Ich sehe diese Kritik entspannt – zumal dieser Vorwurf nicht durch Beweise belegt ist. Sicherlich haben wir den einen oder anderen Adressaten mit unseren Positionen zur Euro-Krise überrascht, vielleicht sogar verärgert. Aber wichtig ist doch, dass wir eine sehr umfassende Analyse der Ursachen der Euro-Krise geliefert haben, inklusive konsistenten Vorschlägen zu ihrer Überwindung. Wenn man kurzfristig Euro-Bonds einführt, kann man nicht langfristig wieder auf mehr Eigenverantwortung der Staaten setzen, um die Krise zu lösen. Dass sich der ordnungspolitische Gedanke nun durchsetzt, die kurzfristige Lösung der Krise von der langfristigen Gestaltung des Euro-Raums zu unterscheiden, ist definitiv unser Verdienst

Die Welt: Das heißt, Sie haben den vom Rat vor zwei Jahren vorgeschlagenen Schuldentilgungspakt nicht aufgegeben – obwohl er so wenig Gehör fand?

Schmidt: Ich freue mich jedenfalls, dass viele Kommentatoren momentan einen zweiten Blick darauf werfen. Es war damals etwas unglücklich, dass nur der von uns vorgeschlagene Schuldentilgungsfonds von der Öffentlichkeit aufgegriffen wurde. Aber wir haben immer einen Pakt gemeint, der den sehr deutschen Gedanken des Fordern und Fördern beinhaltet. Wenn das den meisten Beteiligten jetzt klar geworden ist, wäre das zumindest eine klare Alternative zur jetzigen EZB-Lösung. Denn die Europäische Zentralbank stützt zwar in der Krise, aber sie fordert nicht. Es gibt keinerlei Auflagen, keine Schritte für weitreichende Strukturreformen. Das einzufordern, ist immer noch die Stärke unseres Paktes.

Die Welt: Aber reicht die politische Energie überhaupt noch für größere Schritte aus angesichts der Reformmüdigkeit, die in vielen Ländern um sich greift?

Schmidt: Ich halte die Euro-Krise noch für lösbar. Aber nach Jahren der Haushaltskonsolidierung und des schwachen Wachstums, das sich in hohen Arbeitslosenzahlen niederschlägt, wird es immer schwieriger, die Menschen bei der Stange zu halten. Die Reformbereitschaft der Bevölkerung ist stark strapaziert worden.

Die Welt: Befürchten Sie noch höhere Arbeitslosenzahlen in Europa?

Schmidt: Das ist schwer vorherzusagen. Zumindest für Deutschland können wir aber konstatieren, dass uns die Reformen der vergangenen zehn Jahre deutlich widerstandsfähiger gegenüber der damaligen Situation gemacht haben. Die Griechen, Spanier oder Italiener müssen nun ihre Arbeitsmärkte ebenfalls liberalisieren und andere Strukturreformen anpacken, daran führt kein Weg vorbei.

Die Welt: Gilt das auch für Frankreich, das von Kritikern bereits als neuer "kranker Mann Europas" bezeichnet wird?

Schmidt: Ich würde Frankreich noch nicht als kranken Mann Europas bezeichnen. Aber es besteht die Gefahr, dass uns dieses Land noch große Sorgen bereiten könnte. Man kann eigentlich nur hoffen, dass die sozialistische Regierung nicht alle ihre Wahlversprechen erfüllt. Für Frankreich geht es darum, unter anderem durch eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes auf einen neuen Wachstumspfad zu kommen. Auch wenn dieser Weg unbequem sein mag.

Die Welt: Für das reformmüde Italien hat FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle einen Euro-Ausstieg ins Spiel gebracht.

Schmidt: Da wäre ich sehr vorsichtig. Natürlich kann niemand die genauen Folgen eines solchen Schrittes vorhersagen. Aber ich sehe die ernsthafte Gefahr eines Dominoeffekts, sobald ein so bedeutender Mitgliedstaat wegbricht. Wenn Italien ausscheiden sollte, würde die Währungsunion wohl nicht überleben. Investoren könnten in diesem Fall die Integrität der Euro-Zone insgesamt infrage stellen. Das kann zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.

Die Welt: In Deutschland fragen sich viele, ob ein Zusammenbruch des Euro billiger käme als Rettungsmaßnahmen.

Schmidt: Deutschland muss seiner Verantwortung für Europa auch weiterhin gerecht werden. Man kann als Mitglied des Euro-Raums nicht die Zinsvorteile mitnehmen und sagen, ansonsten geht mich die Krise nichts an. Deutschland wird in jedem Fall große Lasten tragen müssen. Das gilt sowohl für den Fall, dass die EZB weiterhin die Wackelkandidaten des Euro stützt, wie auch für den Fall, dass die Fiskalpolitik in Europa künftig stärker die Verantwortung übernehmen sollte. Natürlich birgt das große Belastungen. Aber wenn der Euro-Raum auseinanderbrechen sollte, wäre das immer noch die wesentlich teurere Lösung, davon bin ich überzeugt.

Die Welt: Auch in Deutschland sind aber längst nicht alle zufrieden mit dem Reformkurs. Kritiker werfen der Agenda 2010 vor, dass sie die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet hat.

Schmidt: Ziel der Reform war es, wieder mehr Langzeitarbeitslose in Jobs zu bringen. Das ist auf beeindruckende Weise gelungen, es sind Millionen neuer Arbeitsplätze entstanden, und zwar nicht nur im Niedriglohnsektor. Sicher ist das Lohnniveau teilweise gesunken, aber das hängt auch damit zusammen, dass Menschen, die wieder Arbeit bekommen haben, oft eher gering qualifiziert waren. Die Gesamtbilanz ist deshalb klar positiv – gerade wenn man die Situation hier mit der in anderen europäischen Ländern vergleicht.

Die Welt: Ist nicht dennoch etwas dran am Vorwurf, die Ungleichheit nehme zu?

Schmidt: In praktisch allen entwickelten Volkswirtschaften gibt es die Tendenz, dass sich hohe und niedrige Einkommen auseinanderentwickeln. In anderen Ländern wie den USA ist dies noch weitaus stärker ausgeprägt als in Deutschland. Wir haben einen sehr aktiven Sozialstaat. Natürlich müssen die Menschen das Gefühl haben, dass es fair zugeht. Aber die Diskussion über zunehmende Ungleichheit ist überzogen. Deutschland könnte eigentlich stolz auf sein Modell der sozialen Marktwirtschaft sein.

Die Welt: Die verbreitete Forderung, Reiche stärker zur Kasse zu bitten, würden Sie also nicht unterschreiben?

Schmidt: Gerechtigkeitsfragen kann man kaum nach strengen ökonomischen Prinzipien beantworten, da geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um Werturteile. Ich habe aber den Eindruck, dass wir schon relativ stark umverteilen. Wir sollten auf Wachstum und Chancengleichheit setzen, nicht darauf, das Marktergebnis noch stärker zu korrigieren. Sonst besteht die Gefahr, dass der Kuchen, den man verteilen kann, viel kleiner wird.

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