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Monday, March 18, 2013

Dank der Schuldenkrise spart Milliarden Schäuble

Weil viele Anleger in der Krise in deutsche Staatsanleihen investieren, kann der Bund hohe Zinsersparnisse verzeichnen. Insgesamt 15 Milliarden Euro werden so eingespart. Es könnten sogar mehr werden.
 
Die Flucht der Anleger in deutsche Staatsanleihen beschert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Zinsersparnis von mindestens 15 Milliarden Euro. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) dürfte dieser sogenannte "Sicherer-Hafen-Effekt" noch höher ausfallen, je länger die Euro-Schuldenkrise dauert.
Die extrem niedrigen Zinsen auf den Schuldenberg des Bundes geben Schäuble kräftig Rückenwind bei der Sanierung des Haushalts. Für ihn sind sie Ausdruck des Vertrauens in die Politik der Bundesregierung. Für die Opposition handelt es sich dagegen um Krisengewinne, die Schäuble in den Schoß fallen.
In anderen Euro-Ländern, die wegen der Krise große Mühe haben, ihre Staatsschulden im Griff zu behalten, dürften die Berechnungen des IfW für Stirnrunzeln sorgen. Schon länger fordern einige Regierungen, Deutschland solle sich stärker für das Wirtschaftswachstum im Währungsraum engagieren und habe auch die finanziellen Spielräume dazu.

Schäuble spart dank "Sicherer-Hafen-Effekt"


IfW-Experte Jens Boysen-Hogrefe sagte, allein 2013 liege die Ersparnis Schäubles durch den "Sicherer-Hafen-Effekt" bei ungefähr zwei Milliarden Euro.
Bei der Analyse ging das IfW in zwei Schritten vor: Zunächst wurde ermittelt, in welchem Umfang der Bund seit 2009 vom allgemeinen Rückgang des Zinsniveaus profitiert hat. Demnach hätte Schäuble bis 2023 über 80 Milliarden Euro mehr Zinsen bezahlen müssen, wenn er sich zum durchschnittlichen Zinssatz der Vorjahre hätte verschulden müssen.
Im zweiten Schritt isolierte das IfW den "Sicherer-Hafen-Effekt". Dazu setzte es die vom Bund gezahlten Zinsen ins Verhältnis zum EZB-Leitzins und bestimmte die Ersparnis durch das günstigere Zinsverhältnis.

Bundespapiere günstiger als EZB-Zins


Dabei stellte sich heraus, dass die Investoren erst ab 2011 massiv in Bundesanleihen flüchteten: Seitdem sind Bundespapiere im Vergleich zum EZB-Zins deutlich günstiger als zuvor. In der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft Frankreich habe sich das Zinsverhältnis dagegen kaum verändert, sagte Boysen-Hogrefe. Auch am Montag ließ sich der Effekt an den Märkten wieder ablesen.
Wegen des Zypern-Rettungspakets, das eine Zwangsabgabe auf Bank-Einlagen vorsieht, war die Unsicherheit an den Märkten groß. Es wurde eine neuerliche Eskalation der Schuldenkrise befürchtet. Die Folge: Bundesanleihen waren stark nachgefragt.
Viele Krisenländer mussten Anleger dagegen zuletzt mit viel höheren Zinsen locken – oder sind weiter ganz vom Kapitalmarkt abgeschnitten.

Deutschland will mehr einnehmen als ausgeben


Die Zinsersparnis hilft Schäuble – neben den hohen Steuereinnahmen und den Überschüssen der Sozialkassen – bei der Rückführung der Neuverschuldung. So konnte die Regierung in ihren Eckwerten für den Bundeshaushalt 2014 die Zinsausgaben gegenüber bisheriger Planung um vier Milliarden Euro niedriger ansetzen.
2015 rechnet die Koalition damit, dass der Bund zur Finanzierung seiner Ausgaben keine neuen Schulden mehr machen muss, in den Jahren danach sollen Überschüsse anfallen. Andere Euro-Länder sind dagegen noch immer weit davon entfernt, wieder solide zu haushalten oder die EU-Vorgaben zur Neuverschuldung einzuhalten.
Die Bundesregierung muss jährlich etwa ein Fünftel ihres Schuldenbergs von 1,3 Billionen Euro durch die Ausgabe neuer Papiere umschulden. Der Zinsdienst beträgt rund 30 Milliarden Euro – das ist nach dem Arbeitsetat ihr zweitgrößer Posten.
Schäuble sieht Deutschland wegen der Konsolidierung als Vorbild für Europa. Die französische Regierung musste dagegen zuletzt einräumen, dass ihr diesjähriges Etat-Defizit bei 3,7 Prozent liegen dürfte – deutlich über der EU-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Niedrige Zinsen als Ausdruck von Vertrauen


In Frankreich gibt es keinen "Sicherer-Hafen-Effekt", und auch das Wirtschaftswachstum fällt schwächer aus. Bei der Vorstellung der Haushalts-Eckwerte 2014 hatte Schäuble vergangene Woche betont, die niedrigen Zinsen für deutsche Staatsschulden seien ein Ausdruck von Vertrauen der Kapitalmärkte: "Dafür muss man sich nicht entschuldigen."
Dagegen erklärte die Grünen-Haushaltsexpertin Priska Hinz: "Diese Krisengewinne fallen Deutschland in den Schoß." Die Sonder-Rendite dürfe nicht als Signal verstanden werden, dass eigene Konsolidierungsbemühungen nicht mehr notwendig wären.
"Angela Merkel und ihre Regierung ignorieren angesichts der außergewöhnlichen Entlastungen den tatsächlichen Handlungsdruck für strukturelle Reformen." Ihr SPD-Kollege Carsten Schneider sagte, Schäubles Planung basiere auf dem Prinzip Hoffnung.
Durch die zunehmende Haftungsgemeinschaft in Europa und durch Verunsicherungen in der Euro-Zone könne sich die Lage drastisch ändern. Dann entstünden sofort Mehrausgaben, schließlich habe Schäuble den Schuldenberg um über 100 Milliarden Euro erhöht.

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