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Saturday, March 30, 2013

Beruhigt Schäuble verdächtig Ms. M &

Das Ringen um die Milliarden für die Mittelmeerinsel zeigt, wie gnadenlos Retter und Gerettete in der Euro-Zone miteinander umgehen. Die "Welt am Sonntag" schildert, wie es hinter den Kulissen zuging.
Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem nur noch Süßigkeiten helfen. Die Laune im fünften Stock des Brüsseler Justus-Lipsius-Gebäudes ist zu so später Stunde auf dem Tiefpunkt. Christine Lagarde spürt, dass es so nicht weitergehen kann. Zur Aufheiterung verteilt die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) daher M&M-Bonbons an ihre Verhandlungspartner.
Vor allem aber, so berichten Teilnehmer, beruhigt sie zwei Stockwerke weiter oben Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister wird immer ungeduldiger, weil er über Stunden nicht in die Verhandlungen mit Zyperns Präsidenten eingreifen darf – eine höchst ungewohnte Situation für den mächtigsten Minister der Euro-Zone. Schäuble fürchtet, dass hier gerade ein Deal vereinbart wird, der ganz und gar nicht im Sinne Deutschlands ist.
Eine Sorge, die sich als unbegründet erweist. Die Verhandlungen mit Zypern sind zwar chaotisch, schlimmer als alles, was man mit den Griechen erlebt habe, klagen Teilnehmer später. Doch am Ende des zweiten Krisengipfels steht eine Einigung, die sich mit dem deckt, was der IWF und Deutschland von Anfang an gefordert hatten. Schäuble bekommt seinen Willen, ohne im entscheidenden Moment überhaupt im Raum zu sitzen.
Doch bis es am frühen Montagmorgen der vergangenen Woche so weit ist, erleben die anwesenden Politiker eine Reihe von Merkwürdigkeiten. Nach drei Jahren regelmäßiger Nachtsitzungen zur Rettung einzelner Euro-Länder glaubt so mancher Teilnehmer, längst alles gesehen zu haben.

Doch dann kommt die Zypern-Misere, zuerst mit einem Kompromiss, den so offenbar keiner gewollt hat, dann mit tagelanger Funkstille zwischen den Parteien und einem in seltener Offenheit geführten Machtkampf. Aus Gesprächen der "Welt am Sonntag" mit Teilnehmern des Sitzungsmarathons ergibt sich ein eindrucksvolles Sittengemälde der Euro-Rettung.

Die Vorgeschichte


Schon Monate vor den entscheidenden Nachtsitzungen von Brüssel beginnen die Verhandlungen über Zyperns Schicksal. Nur nimmt die Öffentlichkeit davon kaum Notiz. Bereits im vergangenen Sommer stellt Zypern einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM. Damals aber sorgt sich ganz Europa um Spanien und Italien, wen kümmert da ein Inselstaat mit nicht einmal 900.000 Einwohnern? Die Troika aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) ist ohnehin vor Ort, sucht nach Lösungen für die Probleme.
Die Ursache des Desasters sind die beiden Großbanken des Landes: Bank of Cyprus und Laiki, auch bekannt als Popular Bank. Für den IWF ist der Fall von Anfang an klar, die beiden Banken müssten rekapitalisiert oder abgewickelt werden. Deutschland teilt diese Ansicht. Dafür müsste man aber wieder einmal Steuermilliarden aufbringen oder die Gläubiger der Banken zur Kasse bitten. Ein solcher Schuldenschnitt könnte allerdings zu ähnlicher Unruhe führen wie ein Jahr zuvor im Falle Griechenlands.
Weil die Zeit noch nicht drängt, schiebt man das Problem vor sich her, bis in Zypern Ende Februar der kommunistische Präsident Dimitris Christofias abtritt und ihm der Konservative Nicos Anastasiades nachfolgt. Nun hoffen die Europäer auf mehr Kooperation der Regierung in Nikosia. "Nach der Wahl geht es Schlag auf Schlag", berichten Verhandlungsteilnehmer. Eine zunächst verworfene Idee der EU-Kommission steht plötzlich im Zentrum der Beratungen: eine Abgabe auf Bankguthaben. Damit, so die Überlegung, könnte man das Geld für die Bankenrettung besorgen, ohne den Gläubigern formal die Rückzahlung ihrer Forderungen zu verweigern.
Der Vorteil: Wenn es keine Pleiteerklärung der Banken gibt, schreien die Ratingagenturen nicht, drohen die Hedgefonds nicht mit Klagen. Die Lasten von Laiki und Bank of Cyprus würden außerdem auf die Kunden aller 60 bis 70 Banken des Landes verteilt. Das wäre technisch eine rein fiskalische Maßnahme des Staates und kein Schuldenschnitt. So weit die Theorie. Doch damit geraten die Retter auf einen Irrweg. Später werden sie ihn bitter bereuen.

Der erste Showdown


Das Wochenende um den 16. März scheint günstig für eine Einigung. Zyperns Geldreserven werden knapp, das erhöht die Kompromissbereitschaft. Und am darauffolgenden Montag werden die zyprischen Banken wegen eines Feiertags geschlossen sein, sodass die Institute einen Tag länger Zeit haben, die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Für Freitagabend ruft Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem zur Sondersitzung nach Brüssel.
Die Finanzminister versammeln sich gegen 17 Uhr im fünften Stock des Ratsgebäudes Justus Lipsius. Außerdem mit dabei: IWF-Chefin Lagarde, EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen und EU-Währungskommissar Olli Rehn. Präsident Anastasiades wartet im Raum seiner Delegation im siebten Stock.
Selbstbewusst geht Zyperns Finanzminister Michalis Sarris in die Verhandlungen: Jegliche Belastung von Bankkunden sei inakzeptabel. Welten krachen aufeinander. Der IWF und die Euro-Länder machen klar, dass mehr als zehn Milliarden Euro an Hilfskrediten nicht denkbar seien. Den Rest der diagnostizierten Finanzlücke von 17,5 Milliarden Euro müsse der zyprische Finanzsektor füllen.
IWF-Chefin Lagarde bleibt bei ihrer Linie: Sie will sich auf die beiden Großbanken konzentrieren – deren Anleger sollen bis zu 40 Prozent ihres Geldes verlieren, nur Ersparnisse unter der Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro blieben ungeschoren.

Rehn wirbt für Solidaritätsabgabe


EU-Kommissar Rehn dagegen wirbt erneut für die "Solidaritätsabgabe" bei allen Banken. Damit könnten wohl auch die Zyprer eher leben, für die – das wird bald klar – herbe Einschnitte für bestimmte Großanleger eine Horrorvision sind. Wieder verengt sich die Diskussion auf die Abgabe. In den folgenden zehn Stunden wird um Prozentpunkte gefeilscht. Gegen Mitternacht kristallisiert sich ein Vorschlag heraus: 12,5 Prozent Abgabe auf Einlagen über 100.000 Euro, 3,5 Prozent auf die darunter.
Maltas Finanzminister Edward Scicluna, der neben Schäuble sitzt, berichtet später: "Es dauerte fast zehn lange Stunden, bevor Seele und Körper des zyprischen Finanzministers erschöpft genug waren, dass er der Vereinbarung zustimmte." Ihm sei das eine Lehre fürs Leben gewesen. Von der sprichwörtlichen Pistole am Kopf, die Scicluna erwähnte, will in Berlin natürlich keiner etwas wissen. Dass Schäuble aber, wenn es darauf ankommt, eisenhart sein kann, weiß hier jeder. Und dass er dabei Leute vor den Kopf stößt, anders als Lagarde.
Mit dem gefundenen Kompromiss geht Dijsselbloem auf Präsident Anastasiades zu. Nach einer halben Stunde ist er zurück. "Er macht es nicht", sagt der Niederländer. Der Zyprer schaltet auf stur. Doch die Finanzminister lassen nicht locker. EZB-Direktor Jörg Asmussen gibt dem Präsidenten zu verstehen, dass die Zentralbank die Notkredite für die zyprischen Banken, im Fachjargon ELA genannt, ohne eine Einigung nicht länger aufrechterhalten könne.
Irgendwann nach ein Uhr morgens ist Anastasiades am Ende, wohl auch körperlich. Er gibt nach, allerdings unter einer Bedingung: Er könne sich nicht vorstellen, die Einlagen über 100.000 Euro mit einer zweistelligen Abgabe zu belegen. "Die Einlagen unter 100.000 Euro haben ihn gar nicht interessiert", berichtet ein konsternierter Teilnehmer. Um 3.30 Uhr an diesem Samstagmorgen ist es geschafft: Für Einlagen unter 100.000 Euro soll die Abgabe 6,75 Prozent betragen, für die darüber 9,9 Prozent. Das bringt 5,8 Milliarden Euro ein. Auch die Deutschen stimmen zu. Dijsselbloem verkündet das Ergebnis. Der Deal steht. Die Finanzminister fliegen nach Hause.

Die verlorene Woche


Was dann geschieht, haben die Minister nicht erwartet: Die Delegationen haben noch nicht ausgeschlafen, da bricht eine Welle der Empörung los. Die Abgabe für Kleinsparer stößt europaweit auf Kritik. Den Beteuerungen aus Berlin und Frankfurt, die Zyprer selbst hätten auf dieser Regelung bestanden, glaubt keiner. Zu widersinnig erscheint es, dass sich eine Regierung nicht um die Klein- und Normalverdiener des eigenen Landes geschert haben soll. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt vor Vertrauten durchblicken, dass sie wenig begeistert ist von dem Ergebnis, das ihr Finanzminister aus Brüssel mitgebracht hat.
Auch in Zypern selbst kommt der Deal schlecht an. Man kann spekulieren, ob das an einer plötzlich entdeckten Sorge um die Kleinsparer liegt oder an der Hoffnung, die Unzufriedenheit der Europäer für eine vorteilhaftere Lösung nutzen zu können. Jedenfalls lehnt das Parlament in Nikosia den Brüsseler Kompromiss am Dienstagabend ab – einstimmig. "Die hatten das von Anfang an geplant, um uns zu erpressen", raunt einer der Verhandlungsteilnehmer später.
Euro-Gruppe-Chef Dijsselbloem versucht zu retten, was zu retten ist. Schnell beruft er eine Telefonkonferenz der Finanzminister ein. Er schlägt vor, die Einlagen unter 100.000 Euro auszusparen und dafür die höheren Guthaben stärker zu belasten. Während des Gesprächs rechnet EU-Kommissar Rehn vor, wie hoch die Abgabe für die Vermögenden ausfallen müsste, um die geforderten 5,8 Milliarden Euro zu erreichen: 15,6 Prozent.
Doch der zyprische Finanzminister Sarris gibt trocken zurück, er habe kein Mandat, darüber zu verhandeln. "Wir sehen uns nach neuen Geldquellen um", verkündet er auf Englisch. Mehrfach wird er gefragt: "Welche neuen Quellen?" Sarris bleibt im Vagen. Nach drei Stunden wird die Telefonkonferenz abgebrochen. Fortschritte: keine.

Zypern hofft auf Hilfe aus Moskau


Wie die neuen Geldquellen für Nikosia aussehen sollen, wird am Dienstag deutlich: Sarris fliegt nach Moskau, um mit der russischen Regierung zu verhandeln. Moskau hatte Zypern bereits 2011 mit Krediten über 2,5 Milliarden Euro unterstützt. Nun hoffen die Zyprer auf weitere Hilfen, schließlich haben reiche Russen viel Geld bei den Banken der Insel geparkt und entsprechend viel zu verlieren. Doch erste Gespräche bringen kein Ergebnis. Im Fernsehen sind Bilder vom Finanzminister eines Zwergstaates zu sehen, der auf seiner Betteltour im großen Moskau ziemlich verloren wirkt.
Die Europäer werden derweil nervös, sie bezweifeln, dass die zyprische Regierung einen brauchbaren Plan B hat, von dem ständig die Rede ist. Vertreter der Troika versuchen ungeduldig, Sarris zu erreichen. Doch der bleibt bis Freitagmorgen in Moskau und ist für die Verhandlungsführer nicht zu sprechen.
In Zypern lanciert Präsident Anastasiades derweil die Idee eines "Solidaritätsfonds". Dafür soll unter anderem die Rentenkasse der Insel geplündert werden – Hauptsache, die Konten werden verschont. EU-Politiker bis hin zu Kanzlerin Merkel lassen schnell durchblicken, dass sie diesen Plan für inakzeptabel halten. "Das wird nicht fliegen", heißt es auch im Umfeld der Troika.
Dort ist man ohnehin genervt von der zyprischen Regierung: Sie informiert nur bruchstückhaft über ihre Überlegungen, die Details des Plans B entnehmen Troika-Vertreter im Wesentlichen zyprischen Medien, in denen die Spekulationen ins Kraut schießen. Die Politiker in Nikosia nehmen die Europäer in diesen Tagen als kompromisslos und unnachgiebig wahr und haben das Gefühl, ihre Alternativvorschläge würden nicht in Erwägung gezogen. Es ist eine verlorene Woche.

Die Rolle der EZB


Für Druck auf den Kessel sorgt schließlich eine Institution, die bei den früheren Rettungsrunden zwar stets eine zentrale Rolle gespielt hat, sich aber oft im Hintergrund hält: die Europäische Zentralbank (EZB). In den Monaten zuvor hatte sie alles dafür getan, die Lage in Europa zu beruhigen: Sie stellte unbegrenzte Staatsanleihenkäufe in Spanien oder Italien in Aussicht, und als sich die Euro-Länder im vergangenen Jahr monatelang nicht auf eine neue Hilfstranche für Griechenland einigen konnten, hielt die EZB das Land mit ELA-Notkrediten für die Banken geduldig über Wasser.
Doch im Falle Zyperns ist die rote Linie der EZB überschritten: Auch ELA-Hilfen sind nur für solvente Banken erlaubt, ein Kriterium, das Laiki und Bank of Cyprus nicht erfüllen – und ohne ein europäisches Rettungspaket ist auch keine Abhilfe in Sicht. Per Veto verweigert der EZB-Rat Zypern weitere Hilfen.
Und während das verschwiegene Gremium über solche Beschlüsse sonst nichts an die Öffentlichkeit dringen lässt, setzen die Notenbanker diesmal ein Zeichen: Am Donnerstagmorgen geben sie bekannt, dass man die ELA-Mittel – mehr als zehn Milliarden Euro – zurückziehen müsse, wenn es bis zum Montag kein Rettungspaket gebe. In diesem Fall wären die Großbanken der Insel pleite. Für die Zyprer heißt das: Ein Spiel auf Zeit ist keine Option mehr.

Der zweite Showdown


Plötzlich scheint alles ganz schnell zu gehen. Am Freitagabend ventilieren Troika-Kreise eine mögliche Paketlösung: Abwicklung der Laiki-Bank plus modifizierte Sparerabgabe, die Einlagen unter 100.000 Euro außen vor lässt. Das zyprische Parlament billigt ein entsprechendes Abwicklungsgesetz für Banken. Am Samstagnachmittag bestätigt ein Sprecher der zyprischen Regierung sogar eine Einigung auf Details: 20 Prozent Abgabe bei der Bank of Cyprus, vier Prozent bei den übrigen Banken.
In europäischen Verhandlungskreisen wird von einer nahenden Einigung gesprochen, die die Euro-Gruppe am Sonntagabend beschließen solle. Haben die Daumenschrauben Wirkung gezeigt? Ist Zyperns Widerstand gebrochen? "Die Gespräche zum Abschluss des Anpassungsprozesses für Zypern sind auf einem guten Wege", sagt Asmussen der "Bild am Sonntag".
Doch als diese Ausgabe erscheint, ist der Optimismus bereits verflogen. Noch am Samstagabend treffen sich Troika-Vertreter, darunter Asmussen und der einflussreiche Koordinator der Euro Working Group, Thomas Wieser. Beim gemeinsamen Abendessen entpuppt sich die Lage als verfahren: Die Rückmeldungen, die von Troika-Vertretern aus Nikosia kommen, machen wenig Hoffnung.
Die Zyprer sind beim zentralen Thema Bankenabwicklung plötzlich wieder hartleibig. Bis ein Uhr nachts dauern die Gespräche, und am Ende ist klar: Das Finale am Sonntag wird kein Spaziergang.

Angst vor einer neuen Finte


Ab zehn Uhr unterrichten die Troika-Leute um Asmussen und Wieser die Delegationen Frankreichs und Deutschlands, EZB-Präsident Mario Draghi und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Um 12 Uhr versammelt sich eine hochrangige Runde um Draghi und IWF-Chefin Lagarde in van Rompuys Räumen im fünften Stock des Justus-Lispius-Gebäudes.
Die Zyprer verspäten sich. Die EU-Granden argwöhnen eine neue Finte und sind bereits angesäuert, als Präsident Anastasiades mit seiner Delegation gegen 14 Uhr endlich eintrifft. Groß ist das Misstrauen. Van Rompuy bittet den Zyprer direkt zum Vieraugengespräch.
Gegen 15 Uhr wird im achten Stock des Ratsgebäudes ein verspätetes Mittagessen serviert. Mit dabei: Anastasiades, Lagarde, Draghi, van Rompuy, Euro-Gruppe-Chef Dijsselbloem und EU-Kommissionspräsident Juan Manuel Barroso. Hochrangiger geht es nicht auf europäischer Ebene. Es gibt Lamm und gefüllte Kartoffeln – und dazu deutliche Worte.
Zypern müsse seine Banken restrukturieren und den überbordenden Finanzsektor verkleinern, bekommt Anastasiades zu hören. Der fühlt sich gnadenlos in die Mangel genommen. Ganze drei Mal droht er während des zweistündigen Gesprächs mit seinem Rücktritt. Die EU-Vertreter geben sich dennoch unbeeindruckt. Ohne Ergebnis geht die Runde auseinander. Die Verhandlungen stehen auf Messers Schneide. Näher denn je scheint die erste Pleite eines Euro-Landes.

Der Acht-Punkte-Plan


Doch kurz darauf meldet sich der Parteichef des Präsidenten bei Wieser und Asmussen, bittet um weitere Gespräche. Im siebten Stock des Ratsgebäudes sitzt nun eine hochrangige Expertengruppe zusammen, zwei Etagen weiter unten wartet die Prominenz um van Rompuy, Lagarde und Draghi. Pendeldiplomatie setzt ein. Innerhalb von vier Stunden erarbeiten Asmussen, Wieser und Rehn mit Zyperns Finanzminister einen Acht-Punkte-Plan, der später den Anhang zur Erklärung der Finanzminister bilden wird.
Er enthält Zumutungen, die die Zyprer kurz zuvor noch kategorisch abgelehnt hatten: Die Laiki-Bank wird aufgespalten, Guthaben über 100.000 Euro sind größtenteils verloren, der Rest wird an die Bank of Cyprus überführt, deren Kunden jenseits der Einlagensicherungsgrenze auch geschröpft werden. Die generelle Sparerabgabe, die die zyprische Regierung stets favorisiert hatte, ist endgültig vom Tisch. Immerhin sichert die EZB im Gegenzug den zyprischen Banken weitere Unterstützung zu.
Damit steht eine mögliche Kompromisslinie, aber noch hat ihr der zyprische Präsident nicht zugestimmt. Das Treffen der Euro-Gruppe, das um 18 Uhr beginnen sollte, wird indes immer weiter verschoben. Schäuble und die übrigen Finanzminister warten im Ratsgebäude, ohne eingreifen zu können. Ungeduld macht sich breit. Lagarde verteilt irgendwann ihre M&Ms. Sie ist freundlich, versucht in dieser festgefahrenen Lage Brücken zu bauen.
Gegen 22 Uhr gibt Dijsselbloem den Finanzministern das Zwischenergebnis der Gespräche mit Anastasiades bekannt: "Er bewegt sich nicht." Während es für die Präsidentenrunde im achten Stock ein Abendessen gibt, platzt den Ministern der Kragen: Sie wollen den Zyprern ein letztes schriftliches Angebot unterbreiten, dann zurück in ihre Hotels gehen und sich morgens um sieben Uhr wieder treffen.
Doch da kommen plötzlich Signale der Kompromissbereitschaft. Nach Mitternacht kommt die Euro-Gruppe wieder zusammen, und nun geht es voran. Die Finanzminister setzen eine zweiseitige Erklärung auf, den Kern der Einigung bildet der am frühen Abend ausgehandelte Acht-Punkte-Plan: Laiki wird abgewickelt, die Bank of Cyprus restrukturiert, die Kleinsparer bleiben verschont.

Epilog


In Zypern herrscht Katerstimmung. Zwar hat man die Bank of Cyprus gerettet, doch die Einschnitte für die Kunden sind so schmerzhaft, dass reiche Privatleute der Insel ebenso den Rücken kehren dürften wie so manches Unternehmen. Der erste Deal sei für die Insel wesentlich besser gewesen, zitiert das "Wall Street Journal" einen Regierungsvertreter. "Wir haben geblufft und verloren. Das war ein Fiasko."
In der Bundesregierung gibt man sich dagegen zufrieden. Nun sei beschlossen worden, was man selbst von Anfang an gefordert habe, heißt es. Im zweiten Anlauf hat sich vor allem Lagarde durchgesetzt, Schäuble damit ebenfalls.
Den Automatismus, dass Steuerzahler für alle Probleme der Banken einstehen müssen, haben die beiden durchbrochen. Deutschlands Popularität in Europa dagegen hat erneut gelitten. Schäuble geht es wie Lagardes IWF: Der ist bei den Empfängern seiner Hilfen traditionell verhasst.

 

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