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Tuesday, March 12, 2013

Berlusconi in Panik - "Sie wollen mich am Kreuz!"

Vor drohenden Urteilssprüchen wegen Steuerhinterziehung und Förderung der Prostitution verschanzt sich Silvio Berlusconi in einer Klinik. Doch die Angst vor seinen Feinden verfolgt ihn

"Die wollen mich am Kreuz", soll Silvio Berlusconi auf dem Krankenbett geflucht haben. Dabei müsste er eigentlich strikt Ruhe bewahren, sich schon gar nicht aufregen. So hat es ihm sein Arzt verschrieben: Seit Freitag liegt der berühmte Patient nämlich im Mailänder Krankenhaus San Raffaele, um endgültig eine Bindehautentzündung auszuheilen.
Nun schnellte auch noch sein Blutdruck in die Höhe. Aber es sind wohl weder die Krankheit noch die vielen Medikamente, die Berlusconi so sehr zu schaffen machen, sondern ein alter Verfolgungswahn. Die Justiz habe es mal wieder auf ihn abgesehen, "die wollen mich verhaften", soll er panisch gesagt haben.
Da kam die Bindehautentzündung gerade noch im rechten Moment: Sie enthob Berlusconi der Pflicht, im Gerichtssaal anzutreten. Gerüchte, dass er sich in der Klinik verschanzt, um dem Schlimmsten zu entgehen, kursieren allerorten. Erst am vergangenen Donnerstag war er wegen der illegalen Weitergabe von Ermittlungsergebnissen erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.
 

Unangenehmer Prozess um junge Prostituierte


Denn schon als er am Freitag im Ruby-Prozess antreten sollte, warteten die Staatsanwälte von Mailand vergebens. Berlusconi hatte sich stattdessen im Krankenhaus präsentiert, die Ärzte stellten ihm ein Attest aus. Das lange erwartete Urteil musste noch einmal verschoben werden, wahrscheinlich wird es nun am 18. März gesprochen.
Im Prozess geht es um nächtliche Sex-Partys in Berlusconis Villa in Arcore, die Anklage der Staatsanwaltschaft spricht von einem "Prostitutions-System in Arcore". Dafür dürfte Silvio Berlusconi höchstwahrscheinlich verurteilt werden.
Noch mehr Angst dürfte Berlusconi aber ein Eilverfahren machen, das die Staatsanwälte von Neapel durchsetzen wollen. Hier geht es um Stimmenkauf. Berlusconi soll 2006 den Senator Sergio De Gregorio mit drei Millionen Euro bestochen haben, von dessen damaliger Partei im Mittelinks-Lager zum Volk der Freiheit von Berlusconi übergelaufen zu sein. Der Verdacht erhärtete sich, als vor zwei Wochen ein Geständnis De Gregorios bekannt wurde, das der Senator jetzt noch bekräftigte.

200-Quadratmeter-Krankenzimmer, persönliche Pflegerin


Im März steht auch eine Entscheidung im Berufungsprozess zum sogenannten Mediaset-Verfahren an, in dem es um Steuerhinterziehung geht. Und der ehemalige Staatssekretär und Berlusconi-Vertraute Nicola Cosentino aus Neapel dürfte am Freitag verhaftet werden, wenn die parlamentarische Immunität aufgehoben wird.
Cosentino ist wegen Beihilfe zu Mafia-Verbrechen verurteilt und war bereits aus den Kandidatenlisten für die Parlamentswahlen im Februar geflogen.
Unterdessen hat Silvio Berlusconi sich im San-Raffaele-Krankenhaus erst einmal bequem eingerichtet: Im siebten Stock bezog er eine Suite, 200 Quadratmeter groß, mit einem Konferenzsaal, einer Küche und einem Zimmer für eine private Krankenschwester ausgestattet.
Sein Privat-Doktor Alberto Zapillo, bekannt für seine Geheimrezepte, mit denen er Berlusconi sonst so fit hält, schwört, dass sein Patient "nicht über Politik spricht und nur die allerengsten Vertrauten zu sich lässt". Nicht einmal Parteisekretär Angelino Alfano, der ihn am Montag besuchen wollte, wurde vorgelassen.

Mussolinis Enkelin kämpft für Berlusconi


Dabei hatte der treue Alfano am Montag eine ungewöhnliche Protestaktion organisiert: Über 100 getreue Parlamentarier, Parteimitglieder, ehemalige Minister der Berlusconi-Regierung und andere politische Mitstreiter marschierten zum Mailänder Justizpalast und auch hinein, bis direkt vor den Gerichtssaal, in dem der Ruby-Prozess stattfindet. Sie sangen die Nationalhymne, allen voran schwang Alessandra Mussolini, Enkelin des faschistischen Diktators, eine italienische Flagge.
Angelino Alfano machte sich zum Sprachrohr der Protestler: "Der Versuch, Berlusconi auf juristischem Wege beiseite zu schaffen, wird nicht gelingen. Wir werden ihn verteidigen, wir werden seine und unsere Geschichte mit aller Kraft verteidigen." Die ehemalige Bildungsministerin Maria Stella Gelmini protestierte: "Irgendwann ist mal Schluss. Wir mussten reagieren!"

Italiens Präsident schreitet ein


Aber die Protest-Aktion blieb nicht ohne Folgen. Staatspräsident Giorgio Napolitano protestierte seinerseits und ließ Angelino Alfano am Dienstag bei sich antreten. Er erteilte Alfano einen Rüffel, in dem er sofortigen "Verantwortungssinn" forderte, "um das Klima zu verbessern." Die Justiz müsse respektiert werden und ihre "Freiheit der Meinungsäußerung, Autonomie und Unabhängigkeit" dürfe in keinem Fall in Frage gestellt werden.
Er bedauere speziell "die präzedenzlose politische Demonstration im Inneren des Mailänder Justizpalastes." Aus demselben Grund hatte Napolitano am Dienstagabend auch den Obersten Richterrat in den Präsidentenpalast bestellt. Alfano kommentierte nur mit den Worten: "Wir werden Berlusconi weiter verteidigen."
Die neuerliche Farce um Berlusconis Ärger war auch Inhalt der täglichen Kolumne des italienischen Journalisten Massimo Gramellini, der in der Tageszeitung "La Stampa" über die Berlusconis Bananenrepublik spottete: "Man sagt einfach so: Südamerika. Aber gewisse Dinge passieren nicht einmal dort."
Das ganze sei wie eine schlechte Seifenoper mit "einem Berlusconi als Polyphem in der Hauptrolle". Der einäugige Riese wurde in der griechischen Sage von Odysseus geblendet. Die Rolle des Helden in der Causa Berlusconi ist jedoch noch frei.

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