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Tuesday, March 12, 2013

SPD feiert Schroeder Lalla des Irak-Krieges

Nach langer Abwesenheit tritt Ex-Kanzler Gerhard Schröder erstmals wieder vor der SPD-Fraktion auf. Lob für die Agenda 2010 gibt es hier nicht – aber Zuspruch für sein damaliges Nein zum Irak-Krieg.
Er zeigt sich wie früher. Federnd und flott ist sein Gang. Demonstrativ strahlt er. Wie einst als Bundeskanzler zieht Gerhard Schröder am Dienstagnachmittag über die Flure des Reichstagsgebäudes. Als er um 14.17 Uhr den SPD-Fraktionssaal betritt, applaudieren die Abgeordneten höflich. Es dauert aber eine ganze Weile, bis sich die Parlamentarier nach und nach ein wenig schwerfällig erheben.
Nein, demonstrativ und stürmisch ist der Beifall nicht, den der Alt-Bundeskanzler bei seinem ersten Besuch in der SPD-Fraktion seit seiner Abwahl vor gut sieben Jahren erfährt. Schröder sitzt wenig später am Tisch des Fraktionsvorstandes, zu seiner Linken Frank-Walter Steinmeier, rechts von ihm Fraktionsvize Gernot Erler.
Schröder trägt eine staatsmännisch dunkelblaue Krawatte zum Haifischkragen und bleckt seine Zähne. Immerhin applaudieren ihm die eigenen Leute so lange, dass er die Fotografen nach zwei, drei Minuten ermahnt: "Das muss reichen! Wir wollen ja keinem Konkurrenz machen!" Es ist, wie gewohnt, eine kleine Spitze, die Schröder – formuliert im pluralis majestatis – den eigenen Truppen präsentiert.

Fraktion nun deutlich dezimiert


"Aufstand in der SPD gegen Schröder!", hatte die "Bild"-Zeitung vor ziemlich genau zehn Jahren ohne jede Übertreibung getitelt. Knapp drei Dutzend Sozialdemokraten revoltierten damals, kurz vor Ostern 2003, offen gegen ihren eigenen Bundeskanzler.
Ein "Mitgliederbegehren" der Partei sollte die kurz zuvor von Schröder verkündete Agenda 2010 zu Fall bringen. "Wir sind die Partei", behaupteten die Initiatoren, unter ihnen zwölf SPD-Bundestagsabgeordnete. Es war eine Bedrohung der eigenen Regierungspolitik. Die rot-grüne Mehrheit bestand aus gerade einmal vier Abgeordneten.
Knapp zehn Jahre und eine halbe Ewigkeit später, am Dienstagmittag ist der einst so kritisierte Gerhard Schröder Gast in der SPD-Bundestagsfraktion. Es ist der erste Besuch Schröders bei den Abgeordneten seiner Partei seit seiner Abwahl als Regierungschef.
Die Fraktion ist seither deutlich dezimiert. Eingeladen wurde Schröder, um an sein Nein zum Irakkrieg zu erinnern. Das zeigt wieder einmal: Mit den Arbeitsmarktreformen, im In- und Ausland gelobt, tut sich die SPD noch immer schwer. Erst allmählich schleicht sich die Überzeugung ein, Schröder habe zur richtigen Zeit das Richtige getan.

Steinmeier ist von sich überzeugt


Der eigentliche Architekt der Agenda, Frank-Walter Steinmeier, ist vom eigenen Wirken nach wie vor überzeugt. Manchmal zeigt sich Steinmeier beleidigt, selbst wenn nur Details des Reformprogramms kritisiert werden.
Doch auch Steinmeier will es der von ihm geführten Fraktion nicht allzu schwer machen – und begründet Schröders Visite im Fraktionssaal der SPD mit dem ebenfalls vor zehn Jahren formulierten Nein zum Irakkrieg. Dieses mutige Votum Schröders, gesprochen gegen weite Teile der Öffentlichkeit und aus dem Ausland kritisiert von einer gewissen Angela Merkel, ist sein zweites Vermächtnis. Heute, bei der SPD, dient es als Brücke, auch um die Agenda zu würdigen.
Viel ausführlicher als geplant, eineinhalb Stunden lang, diskutiert Schröder mit den Abgeordneten. Er sei Pensionär, ruft Schröder den Abgeordneten zu, daher habe er genug Zeit, und alle Fragen seien erlaubt. Natürlich geht es um den Irakkrieg, und der Altkanzler stellt fest, in der Politik solle man sich niemals auf höhere Mächte berufen. Es handelt sich um eine indirekte Kritik am damaligen US-Präsidenten George W. Bush, der seine Intervention im Irak mit einem Zwiegespräch mit Gott erklärt hatte.

Schröder will Türkei in der EU


Schröder bietet an, auch über die Agenda zu reden, berichten Teilnehmer anschließend. Den mangelnden Reformeifer seiner Nachfolgerin kleidet er fast in Reinform. Er beschreibt Angela Merkels Politik mit den Worten: "Die Zeit zu handeln jedes Mal verpassen, stattdessen die Dinge sich entwickeln lassen."
Schröder aber widmet sich auch ganz anderen Themen: Er plädiert für eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU, er verweist darauf, wie wichtig Russland sei ("nicht nur wegen Gas"). Die von der schwarz-gelben Bundesregierung voran getriebene Energiewende, begründet mit der japanischen Tsunami-Katastrophe, karikiert Schröder. "Ich kenn' die Nordsee", sagt er trocken.
Seine ehemalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sitzt unter den Abgeordneten. Schröder und "HWZ" kennen sich seit den 70er-Jahren, als sie bei den Jusos aktiv waren. Manchen Strauß haben sie miteinander ausgefochten. "Ich seh' Heidi da", ruft Schröder fröhlich, und stellt – wie schon anlässlich ihres 70. Geburtstages kürzlich – noch einmal klar, sie hätten niemals ein Verhältnis miteinander gehabt.

"Heidi, es ist zum Verzweifeln"


Wenig später kommt er auf die Parteifreundin zurück, da blickt er auf den von Rot-Grün beschlossenen Schuldenerlass für Staaten der "Dritten Welt". Jene Passage leitet Schröder ein mit den Worten: "Heidi, es ist zum Verzweifeln, ich muss Dich noch einmal loben." Schröders Anekdoten und Sprüche kommen bei den Abgeordneten gut an. "Eindrucksvolle Selbstbeweihräucherung", bringt es einer ironisch auf den Punkt. Die große Gerd-Show, sie kommt bei der von Umfragewerten nicht eben verwöhnten SPD gut an.
Wie wenig der 68-jährige Schröder seine Lust am Spott verloren hat, das zeigt er am Nachmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Proppenvoll ist der Presseraum der SPD-Fraktion, so viele Journalisten waren schon lange nicht mehr hier. "Der eine oder andere von Euch ist älter geworden", begrüßt Schröder die Reporter. Es folgt ein kurzweiliges Frage- und Antwortspiel.
"Schön" sei es in der Fraktion gewesen, sagt der Altkanzler, und er freue sich, wie die SPD die Agenda inzwischen schätze. Natürlich müsse man manches "justieren", fügt er hinzu. Die Agenda seien ja nicht die Zehn Gebote, und er, sagt Schröder wenig bibelfest, sei nicht Moses. Über Jürgen Trittin mokiert er sich ein wenig, fügt dann aber hinzu, "auf meinen Freund Jürgen" habe man sich immer verlassen können. Die schlechten Umfragewerte der SPD kommentiert Schröder so, wie er es einst als Kanzler tat, auf Niedersächsisch: "Hinten sind die Enten fett." 
 

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