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Monday, April 15, 2013

Wie viel Gold heute wert?

Es wirkt wie David gegen Goliath: Großinvestoren und private Sparer liefern sich derzeit einen heftigen Kampf um den Goldkurs. Doch entscheiden wird ihn in diesem Jahr wohl eine dritte Partei

An den Finanzmärkten ist ein Kampf zwischen David und Goliath ausgebrochen. Es geht um die Frage, ob Gold als sicherer Hafen und wertstabile Ersatzwährung ausgedient hat.
Und wie im Alten Testament legen sich die Kleinanleger, die weiter an das Edelmetall glauben, mit den machtvollen Hegdefonds-Managern an, die sich panikartig von ihren Beständen trennen und damit die Kurse in den freien Fall schicken.
Am Montag ist es zu einem dramatischen Ausverkauf gekommen. Innerhalb weniger Stunden stürzte der Goldpreis um mehr als acht Prozent ab. Das war der größte Tagesverlust seit über 30 Jahren. Die Notierungen fielen unter die Marke von 1400 Dollar je Unze.
Zu einem Kursmassaker kam es beim kleinen Bruder Silber. Der Unzenpreis rutschte um mehr als elf Prozent ab, mit 23 Dollar fielen die Notierungen auf das tiefste Niveau seit Herbst 2010.
Vor allem Gold hatte sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Reservewährung und sichere Bastion in der Finanz- und Immobilienkrise erworben. Anleger, Investoren und Notenbanken stockten sukzessive ihre Bestände auf. Zwölf Jahre in Folge stieg das gelbe Metall im Wert. Doch das könnte nun vorbei sein
 

"Nichts wie raus, die Todesglocken läuten"


Investmentbanken und Profi-Anleger setzten Gold in großem Stil auf die Verkaufslisten. Es tauge nicht länger als "sicherer Hafen", sagt Spekulanten-Legende George Soros. Die "Todesglocken" läuten, meinen Experten der Citigroup. Nichts wie raus, riet Wall-Street-Riese Goldman Sachs seinen Kunden. Bei den großen Adressen haben die Verkaufsempfehlungen verfangen.
"Wir sehen panikartige Verkäufe, Investoren wollen selbst zu Tiefkursen aus Gold und Silber heraus", berichtete Lee Oliver von der Citi. Vor allem chinesische Banken hätten in großem Stile Bestände liquidiert.
Und auch Tyler Broda von Nomura zeigte sich überrascht von der "Geschwindigkeit des Ausverkaufs". Der Ansturm der Investoren war so groß, dass vorübergehend die Internetseite des führenden Edelmetallhändlers Kitco zusammenbrach. Die New Yorker Rohstoffbörse Comex verzeichnete im Gold-Handel mit mehr als 588.000 Kontrakten ein Rekordvolumen.
Es gehört zu Crashs, dass diese unerwartet über die Anleger hereinbrechen. Am vergangenen Freitag hatte sich bereits Nervosität breit gemacht, als der Goldpreis unter wichtige Chartlinien gefallen war.
Vom Rekordhoch ist das gelbe Edelmetall 26 Prozent und damit weit mehr als ein Fünftel gefallen. Börsianer sprechen in diesem Fall von einem Bärenmarkt. In diesem befindet sich der kleine Bruder Silber schon länger. Vom Rekord hat sich der Wert mehr als halbiert.

Gold-Fans können sich die Baisse nicht erklären


Für die Anhänger der Edelmetalle ist die Baisse unerklärlich. Denn die Unwägbarkeiten der klassischen Währungssysteme sind nicht geringer geworden. Erst zuletzt hatte die Bank von Japan angekündigt, die Geldmenge radikal zu verdoppeln. Auch die US-Notenbank Fed macht wenig Anstalten, die rotierenden Notenpressen anzuhalten. Das Grundinteresse an alternativen Währungen sollte daher hoch bleiben.
Und die politischen Risiken bleiben hoch wie die Scharmützel auf der koreanischen Halbinsel, die wirtschaftliche Depression im Süden Europas oder die Vogelgrippe in China zeigen. Auch hiervon sollte das Krisenmetall Gold profitieren.
Entsprechend agieren die privaten Sparer. Sie nutzen die Schwäche bei den Edelmetallen und kaufen zu. "Das Verhältnis von Käufern zu Verkäufern pendelte sich in den vergangenen Wochen bei rund neun zu eins ein.
Auch heute sehen wir überwiegend Kauforders von Kunden", hat Benjamin Summa von Pro Aurum, einem der führenden Edelmetallhändler beobachtet. "Die Kundennachfrage reicht jedoch insgesamt noch nicht an die rekordhohen Umsätze der Jahre 2008 oder 2010 heran. Hier fehlen noch etwa 30 bis 35 Prozent."

Viele schimpfen über "ungeheuerliche Manipulation"


Auch in den einschlägigen Foren für Gold bleiben die Kleinanleger optimistisch. Viele schimpfen über "ungeheuerliche Manipulation". Andere machen sich Mut und sagen einen baldigen Kollaps des herrschenden Papiergeldsystems voraus. Auch der World Gold Council hält die fundamentalen Aussichten trotz der Turbulenzen intakt.
Experten nennen für den jüngsten Crash vor allem einen Grund, nämlich mögliche Notverkäufe von Zypern. Die dortige Notenbank könnte gezwungen werden, für schief gelaufene Geldgeschäfte mit den Privatbanken einen Teil ihres 460 Millionen Euro schweren Goldschatzes zu verkaufen.
Das wäre das erste Mal in der Euro-Krise, dass ein Land an seine eisernen Reserven heran muss und könnte als Vorbild für weitere Problemländer dienen.
Viele Euro-Schuldenstaaten sitzen auf gewaltigen Edelmetallbeständen. Doch anstatt sie zu verkaufen, haben sie bisher Finanzhilfe der Euro-Zone beantragt. Athen hortet einen beachtlichen Goldschatz von 112 Tonnen.
Die glänzenden Barren in den Tresoren der griechischen Nationalbank sind selbst nach dem Crash noch rund 3,7 Milliarden Euro wert. Würde Athen sein Gold verkaufen, könnte der griechische Staat – zumindest rechnerisch – einen Teil der Schulden ohne fremde Hilfe selber tilgen.

Analyst sieht Unzenpreis auf 1050 Dollar abrutschen


Auch das Krisenland Portugal verfügt über umfassende Edelmetallbestände, die noch aus der Zeit des Diktators Salazar herrühren. Statt ein weiteres Hilfsprogramm in Anspruch zu nehmen oder das alte zu verlängern, könnte Lissabon seinen Goldschatz von 12,5 Milliarden Euro zu Geld machen. Damit ließen sich 6,2 Prozent der Verbindlichkeiten auf einen Schlag tilgen. Aber auch Italien verfügt mit 2452 Tonnen über nennenswerte Schätze, die rund vier Prozent der Schulden ausmachen.
Sollte auch nur ein Teil der Reserven versilbert werden, könnten die Preise weiter ins Rutschen kommen. In den vergangenen Wochen hatten sich bereits Institutionelle von Beständen getrennt.
Ablesen lässt sich das an den börsennotierten Gold-Fonds. Hier sind Unzen von umgerechnet rund 200 Tonnen auf den Markt gekommen. Wichtige Investoren wie Jim Rogers halten sich daher trotz des Crashs mit Käufen zurück.
"Es könnte sich um jene Korrektur handeln, die der Goldpreis benötigt", sagte die Investorenlegende. Er werde erst kaufen, wenn der Preis weiter falle. Nach Ansicht von Nomura-Analyst Broda könnte der Unzenpreis sogar bis 1050 Dollar je Unze abrutschen, bevor sich wieder genügend große Käufer für das Edelmetall finden.

David könnte den übermächtigen Goliath besiegen


"Die Situation bei Gold und Silber wird in den kommenden Tagen weiterhin extrem turbulent bleiben. Es kann zu enormen Kursschwankungen in beide Richtungen kommen", sagt Pro-Aurum-Mann Summa.
Das Zünglein an der Waage im Kampf zwischen Privaten und Institutionellen spielen die Notenbanken. Sollten die Institute der schwachen Euro-Staaten ihre Unzen behalten und andere Notenbanken aus Russland oder China ihre Bestände weiter aufstocken, dürften sich die Preise stabilisieren.
Seit 2008 sind die Goldreserven in den Tresoren der Notenbanken gestiegen. Setzt sich der Trend fort, könnte am Ende David den übermächtigen Goliath besiegen.

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