n-de

Saturday, April 6, 2013

Warum brauchen wir in Steueroasen weiter

Nach den Datenlecks droht vielen Steuerparadiesen das langsame Aus. Doch das wäre ein Jammer: Denn erst der Druck aus dem Ausland hat den Deutschen ein fein austariertes Steuersystem gebracht.

Der Kampf gegen Steuerparadiese war stets ein mühsamer. Da mag die berüchtigte deutsche Kavallerie nach jahrelangem Dauerfeuer das Schweizer Bankgeheimnis zerschießen. Und vielleicht werden auch Luxemburg und Österreich irgendwann dem Drängen nachgeben und die Neugier deutscher Finanzämter befriedigen.
Doch die Aussicht, darüber hinaus Dutzende weiterer Staaten dazu zu bewegen, von lukrativen Geschäftsmodellen abzulassen, war immer schlecht. Was sollen beispielsweise die Cayman-Inseln, abgesehen vom Tourismus vielleicht, auch machen? Ein Standort für die Schwerindustrie werden wollen?
Doch nun ist es erstmals realistisch, dass Steueroasen in großem Stil austrocknen – einfach, indem ihnen ein wesentlicher Teil der Nachfrage entzogen wird. Es wird leider wohl immer den Tyrannen geben, der die Reichtümer wegschaffen will, die er seinem Volk abgepresst hat; es wird den Terroristen und den gemeinen Großkriminellen geben, die beide qua Berufswahl auch finanziell nur im Verborgenen agieren können.
Aber ein Großteil des Geschäfts von Steueroasen – nämlich Privatpersonen bei der Vermeidung von Steuern auf legal erwirtschaftetes Geld zu helfen – könnte bald wegbrechen. Zu deutlich macht spätestens die "Offshore-Leak"-Enthüllung dieser Woche, dass Fluchtkapital in der modernen Informationswirtschaft kein sicheres Versteck mehr hat auf der Welt.

Nicht nur der Flüchtling profitiert

Das ist eine gute Nachricht – für die deutschen Finanzminister. Doch dass das unterm Strich auch eine gute Nachricht sein soll für den steuerzahlenden Normalbürger, ist gar nicht so sicher. Es mag erfreuen, wenn Steuerflüchtlinge gefasst, bestraft und abgeschreckt werden.
Nur sollte man dabei nicht übersehen, dass nicht nur der Flüchtling von der Existenz von Steueroasen profitiert.
In nahezu allen Industrieländern ist die Besteuerung mittel- und ganz hoher privater Einkommen heute deutlich moderater, als sie es vor 30, 40 Jahren war. Vielfach werden ideologische Gründe dafür verantwortlich gemacht, man muss nur "Thatcher" oder "Reagan" raunen.
Tatsächlich aber war etwas anderes im Spiel: Globalisierung und moderne Informationstechnologie haben Kapital mobiler gemacht – und damit Gutverdienern neue, in Teilen illegale Ausweichmöglichkeiten verschafft. Das kann man gut finden oder nicht.
Der dramatischen Expansion des Wohlfahrtsstaats jedenfalls, die in den 70er-Jahren noch unaufhaltsam schien, hat es Grenzen gesetzt. Und so war am Ende nicht nur Spitzenverdienern, ob steuerehrlich oder nicht, gedient. Sondern auch der breiten Bevölkerung.

SPD erhöht den Spitzensteuersatz nicht


Aktuell schreit die SPD wieder nach massiven Steuererhöhungen selbst für die Mittelschicht – und macht glaubhaft den Eindruck, sie nach einem etwaigen Sieg bei der Bundestagswahl auch beschließen zu wollen. Wahr ist aber auch: Zuletzt sind die Sozialdemokraten immer nur dann als radikale Steuererhöhungspartei in Erscheinung getreten, wenn sie im Bund gerade in der Opposition waren.
Keine SPD-geführte Bundesregierung seit 1975 hat den Spitzensatz bei der Einkommensteuer erhöht. Und warum wohl? Weil so viele Millionäre sozialdemokratisch wählten? Weil die Kernanhängerschaft der SPD große Sympathien für die da oben auf der Einkommensskala hegte? Natürlich nicht.
Einmal im Amt, waren sozialdemokratische Finanzminister von Lahnstein bis Steinbrück klug genug zu erkennen, dass der Versuch, Bessergestellte mit einer konfiskatorisch hohen Besteuerung drangsalieren zu wollen, nach hinten losgehen musste – und zwar auch und gerade deshalb, weil das Aufkommen von Steueroasen den deutschen Fiskus in einem bis dato ungekanntem Ausmaß dem internatonalen Steuerwettbewerb ausgesetzt hat.
Umgekehrt wurde dieser Wettbewerb nie so stark, dass der Staat in Deutschland oder anderen Industrieländern seine grundlegenden Aufgaben nicht mehr finanzieren könnte. Der oft beschworene gnadenlose Steuersenkungswettlauf blieb aus.
Und so ist es auch bis heute nicht so, dass sich Bessergestellte systematisch der Solidargemeinschaft entziehen. Zuletzt vereinigten jene fünf Prozent an der Spitze der Skala in Deutschland 22 Prozent der verfügbaren Einkommen auf sich – trugen aber einen fast doppelt so hohen Anteil, nämlich 42 Prozent, zum Einkommensteueraufkommen bei.
Letztlich haben die Deutschen jahrelang in einem Gleichgewicht gelebt: Wegen der verbreiteten Sorge vor Überschuldung wurden Steuern zwar nicht gesenkt; aber immerhin war der Steuerwettbewerb stark genug, um wesentliche Erhöhungen zu verhindern.
Gut möglich, dass das "Offshore-Leak" dieses Gleichgewicht zerstört. Es wäre ein Jammer.

No comments:

Post a Comment