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Sunday, April 21, 2013

"Das Boot hatte ein Kind. Sollte ihm das Herz brechen"

Das Versteck des mutmaßlichen Marathon-Bombers wird zur Attraktion in dem Vorort Watertown. Nur der Entdecker taucht unter. Er trauert um sein geliebtes Boot. Es wurde über den Haufen geschossen.

Ein Motorboot aus den 80er Jahren, von Kugeln durchsiebt, mit Blutspuren verschmiert: Nach dem Trauma von Boston ist das letzte Versteck des mutmaßlichen Marathon-Bombers im Vorort Watertown zur großen Attraktion geworden. In den Stunden der Großfahndung waren Bewohner und Touristen mit einem Ausgehverbot belegt. Nach der Ergreifung des Täters strömen sie jetzt in die Franklin Street in Watertown – an den Ort, an dem der Schrecken zu Ende ging.
Nur Dave Henneberry, dem das Boot gehört und der darin den Verdächtigen Dzhokhar Tsarnaev erspähte und den Fahndern den entscheidenden Hinweis gab, ist auf Tauchstation gegangen. Der Mann, der sich als Held von Boston feiern lassen könnte, sei "schockiert und völlig verzweifelt", sagt sein Nachbar George Pizzuto. Denn Henneberrys heiß geliebtes Boot wurde beim Drama vom Freitag über den Haufen geschossen.
"Er schaute und merkte, dass irgendetwas mit dem Boot nicht stimmte", beschrieb Pizzuto dem Sender ABC News die entscheidenden Momente vom Freitagabend. "Er holte eine Leiter, stellte sie an das Boot und stieg hoch. Er sah Blut und er sah etwas, was er für einen Körper hielt, im Inneren des Bootes. Also zog er sich schleunigst zurück und rief die Polizei." Der Rest ist bekannt: Nach einem Schusswechsel und kurzen Verhandlungsversuchen ergibt sich Tsarnaev schwer verletzt den Sicherheitskräften und wird ins Krankenhaus gebracht.


"Der Mann, der den Täter fand, ist ein Held"


Der Sender Fox 25 zeigte die Bilder des kugeldurchsiebten Bootes. Zwar steckt es jetzt zwecks Spurensicherung unter einer Plane. Doch an der gelben Polizeiabsperrung drängen sich Kamerateams aus der ganzen Welt, Touristen, Anwohner. "Ich musste einfach herkommen", sagt Dave Lawrence aus New York, der für eine Konferenz in Boston weilt. "Der Mann, der den Täter fand, ist ein Held. Ich will ihm die Hand schütteln."
Greg Turner verlegte seine Joggingstrecke extra in die von weißen Holzhäusern gesäumte Franklin Street. "Die Bomben waren schon schrecklich. Aber was hier passierte, ist unglaublich", sagt er, während Polizeibeamte die Schaulustigen zurückdrängen.
Auch Nachbarn wollen ihre Erlebnisse teilen, sich den Schrecken von der Seele reden. "Wir saßen am Fenster und schauten in die Hauseinfahrt, als wir aus heiterem Himmel ein Sonderkommando mit Gewehren im Anschlag sahen", sagt Rebecca Heavey. "Polizisten waren auf unserem Auto. Dann sahen sie uns und riefen, wir sollten verschwinden. Es war fürchterlich. Und plötzlich fielen Schüsse. Und wir wussten nicht, was geschah." Wenn sie daran denke, laufe ihr noch immer ein Schauer über den Rücken.

Spendenkampagne auf Facebook


Henneberry, der Entdecker des Täters, ist nach der Aufhebung des Ausgehverbotes verschwunden. Er scheut die Öffentlichkeit. Nach Feiern sei ihm nicht zumute, sagte sein Nachbar Pizzuto. "Das Boot war sein Baby. Es war unglaublich, wie er sich darum gekümmert hat. Und dann haben sie ihm gesagt, es sei total zusammengeschossen. Es muss ihm das Herz brechen."
Vielleicht wird sich Henneberry bald aber berappeln, vielleicht wird er sich über seinen Beitrag zur Ergreifung des Täters freuen. Und vielleicht kann er auch bald wieder in See stechen: Auf Facebook wurde schon eine Spendenkampagne gestartet. Damit sich der Held von Watertown bald ein neues Boot kaufen kann.

AFP/ds


 

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