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Thursday, April 18, 2013

BMW Ketten Schicksal des Elektroautos

Daimler zögert, Audi lässt die Finger davon – nur BMW setzt voll aufs E-Auto. Warum eigentlich? Weil Stromer profitabel sein werden, sagt der Autobauer. Doch er hat auch gar keine andere Wahl



Harald Krüger hält ein grau-schwarzes Bauteil die Höhe, triumphierend, beinahe wie eine Trophäe. Es ist etwa einen halben Meter lang, gebogen und hat in der Mitte ein Loch. Das Teil ist aus dem Stoff, aus dem Zukunft der Autoindustrie ist, zumindest bei BMW.
Es ist aus Kohlenfaserstoff, Carbon. Irgendwann wird es in ein Auto eingebaut, vorn am Cockpit, durch die Öffnung winden sich dann dicke Kabelstränge. "Heben Sie es mal hoch, dann sehen Sie, wie leicht das ist", sagt Krüger. Leicht ist wichtig, Leichtgewichte werden für den künftigen Erfolg von BMW entscheidend sein.
Harald Krüger ist neuer Produktionsvorstand von BMW, er glaubt an das Automobil aus Carbon, das Elektroauto i3, das der Premiumhersteller ab Jahresende in Leipzig vom Band laufen lässt. "Dieses Automobil wird die Branche revolutionieren", sagt er.
Das klingt, als sei er wirklich überzeugt davon. Und ein bisschen beschwörend. Es wird ein Erfolg, wenn genug Leute dieses Auto kaufen, wenn nicht, wird es schwierig für BMW.

Carbon ist ganz schön schwer


Kein anderer Autobauer hat sich beim Thema Elektrofahrzeuge so weit aus dem Fenster gelehnt. Erzrivale Audi hat den reinen Stromern jüngst ganz den Stecker gezogen und setzt auf Hybride, Modelle mit Elektro- und Verbrennungsmotor, Daimler lässt es vorsichtiger angehen.
 
Bei BMW ist man dagegen sicher, dass die Zeit reif ist für das E-Auto. Einiges spricht dafür, dass es so kommt und sich Elektromotoren in Autos zumindest teilweise durchsetzen.
Aber ein bisschen ist es mit der Elektromobilität wie mit diesem Carbon-Bauteil, das so stolz in Leipzig präsentiert wird: Es ist zweifellos deutlich leichter als eine vergleichbare Komponente aus Stahl oder Alu. Aber ist immer noch überraschend schwer, eine kleine Enttäuschung, wenn man es anfasst.
Jahrelang hat BMW mit dem Elektroauto aus Carbon ein neues Zeitalter in der Autoindustrie versprochen, eine ganz neue Technologie und ein gutes Gefühl für die Fahrer, weil hinten keine giftige Luft rauskommt, sondern nur noch heiße.

Die i-Reihe soll profitabel sein


In Leipzig verspricht Krüger auskömmliche Margen, Rendite. Das ist neu. Die BMW-i-Reihe – neben dem i3 wird es noch einen großen Bruder i8 geben – werde sich rasch rechnen, kündigt der Produktionschef in Leipzig an. "Wir gehen davon aus, dass wir vom Serienstart an mit jedem BMW i3 Geld verdienen."
Die i-Reihe werde dazu beitragen, das Versprechen der BMW Group gegenüber ihren Anteilseignern einzulösen: "Langfristige Profitabilität und eine langfristige Rendite von acht bis zehn Prozent im Segment Automobile."
Auch oder gerade wegen der Elektroautos. Wenn es den Münchnern tatsächlich gelingt, vom Start an mit den E-Autos Gewinn zu machen, wäre das die eigentliche Revolution.

Floss eine Milliardensumme?


BMW hat sich das Elektro-Projekt beängstigend viel kosten lassen. "Wir haben viel Geld investiert, insgesamt 655 Millionen Euro in die Standorte der Carbon-Produktionskette und unser Kompetenznetzwerk E-Mobilität in Dingolfing und Landshut", sagt Krüger.
Die Beteiligung bei SGL Carbon ist da allerdings nicht eingerechnet. Nicht sagen will er, was die Entwicklung der i-Reihe insgesamt gekostet hat. Nur so viel: "Die Einmalaufwendungen für die Entwicklung und Produktion haben wir in den vergangenen Jahren bereits verkraftet."
Insider sagen, in die i-Autos ist bislang ein Milliardenetat geflossen. Die Münchner haben die zurückliegenden Boomjahre genutzt, die Stromer anzuschieben – wenn es möglich war, dieses Experiment mit der Elektromobilität zu wagen, dann jetzt in Zeiten voller Kassen. Und ein Experiment ist das Elektroauto, auch wenn es wie im Fall von BMW als Edel-Stromer daherkommen wird.

Nissan verlangt nur 21.000 Euro


Dass sich die E-Mobile zunächst im Massenmarkt durchsetzen werden, ist wenig wahrscheinlich. Renault-Nissan, Peugeot-Citroen und Mitsubishi setzen bislang darauf, dass ein breites Publikum elektrisch fahren wird oder Flottenbetreiber auf die Stromer umschwenken.
Dafür wurden entweder bestehende Modelle zu E-Autos umgerüstet oder wie im Fall des Nissan Leaf erstmals ein Elektroauto marktreif entwickelt, das bezahlbar ist: Es gibt ihn künftig ab 21.000 Euro.
Aber das ist immer noch viel Geld für einen Kleinwagen, und es ist fraglich, ob die bisherige Zielgruppe von Nissan darauf abfahren wird. Was bisher als E-Auto angeboten wird, verschmähen die Kunden weitgehend. Zu teuer, zu wenig schick, mit der Batterie kommt man nicht weit genug. Und überhaupt: Wo will man Dinger laden?

BMW will Preis nicht verraten


BMW will ein ganz anderes Publikum ansprechen: Gutverdiener in Ballungsräumen, Menschen, die technikaffin und umweltbewusst sind. Die Trendsetter sein wollen – und bereit sind, für einen mittelgroßen Viersitzer schätzungsweise 40.000 Euro auszugeben.
Den genauen Preis für den i3 will BMW vorerst nicht verraten. Die Frage ist, ob diese Strategie reicht, mit den i-Mobilen von Beginn an schwarze Zahlen zu schreiben.
Der Aufwand, den BMW für die Autos mit Carbon-Kern treibt, ist immens. Das Rohmaterial Kohlenfaserstoff wird aus Japan bezogen und an die Westküste der USA geschippert.

Extra lange Produktionsketten


Dort werden die Fäden gesponnen, die man später zu sogenannten Gelegen formt, die Rohteile für die Autokomponenten. Die Bayern machen Produktionsschritt eins im US-Staat Washington in Moses Lake, weil dort genug bezahlbare, umweltfreundliche Energie zur Verfügung steht – aus riesigen Wasserkraftwerken.
Dafür wurde extra ein Werk aus dem Boden gestampft. Die Fäden werden in den bayerischen Werken weiterverarbeitet und schließlich in Leipzig zu Autos montiert. Produktionsketten sind lang in der Autoindustrie. Diese ist es besonders.
Dabei ist Carbon als Werkstoff nicht nur so spröde und widerspenstig, sondern auch sündhaft teuer. Karosserieteile aus Carbon sind je nach Qualität des Materials bis zu 50 Mal teuer als vergleichbare aus Stahl.

Die Stückzahlen sind Peanuts


Und dann ist da noch die ebenfalls kostspielige Batterie, die BMW von Samsung bezieht. Große Stückzahlen könnten die vergleichsweise hohen Produktionskosten drücken, doch bislang kann man nur spekulieren, wie viele i3 die Münchner künftig pro Jahr vom Band laufen lassen.
Die Kapazitäten im Werk Leipzig lassen darauf schließen, dass es zunächst 50.000 Stück sein werden. Für ein Elektroauto wäre ein jährlicher Ausstoß in dieser Größe, der am Ende auch seine Kunden findet, ein gigantischer Sprung nach vorn. Gemessen an den sonst üblichen Stückzahlen in der Branche sind das Peanuts.
Die Erklärung Krügers, wie man dennoch eine profitable Produktion aufbauen will, ist derweil so überraschend wie simpel. Das Geheimnis ist das Verhältnis von verbautem Carbon und installierter Batterieleistung.

Viel leichter als Aluminium


Je leistungsfähiger die Batterie ist, desto schwerer ist sie. Und desto teurer. Je mehr Carbon also verbaut wird, desto kleiner kann die Batterie ausfallen. Die BMW-Ingenieure rechnen vor, dass ein Kilogramm Carbon deutlich günstiger sei, als ein Kilo Batterie-Akku.
Also setzen sie auf viel Carbon, einen Kohlenfaserstoff-Kern für das Auto, der von einer Hülle aus Aluminium ummantelt wird. Carbon ist viel leichter als Aluminium, für einen i3 aus Alu müssten riesige - im Vergleich zu Carbon 30 Mal so schwere – und daher kaum bezahlbare Batterien an Bord sein.
Die Luftfahrtindustrie hatte Carbon längst vor den Autobauern für die Massenfertigung entdeckt und sich fast die Zähne an dem schwierigen Werkstoff ausgebissen. Laut Produktionsvorstand Krüger hat BMW die Materie derweil im Griff.
Vor zehn Jahren habe man mit der Serienfertigung von Dächern aus Carbon für den M3 CSL begonnen, seither haben man nicht nur die nötige Qualität erreicht, sondern "die Fertigungszeit erstmals auf Minuten verkürzt", wie Krüger sagt. "Für die Produktion des i3 konnten wir die Taktzeit für die Fertigung von Carbon-Karosseriekomponenten nochmals um 30 Prozent senken."

Der Weg des Verzichts


Zudem komme man für die Carbon-Karosserie im Vergleich zu bisherigen Modellen mit einem Drittel der Bauteile aus. "Und wir brauchen für den Karosseriebau nur noch die halbe Produktionsfläche", so Krüger.
Alles zusammengenommen haben man die Herstellungskosten der ultraleichten Bauteilen seit Fertigung der ersten Dächer für den BMW-Klassiker M3 bis heute um die Hälfte senken können. Aus Mosaiksteinchen wie diesen setzt sich der Plan zusammen, der sich möglichst rasch rechnen soll.
Bleibt das Problem der teuren Batterie, und um das zu lösen sind die Münchner einen Weg gegangen, den sie sonst selten einschlagen: den des Verzichts. Der i3 wird keinen mächtigen Riesenakku an Bord haben, der ihn so weit wie heute denkbar trägt.
"Wir haben uns ganz bewusst für eine Reichweite von 130 bis 160 Kilometern entschieden", sagt Harald Krüger. Das ist deutlich weniger, als beispielsweise die französischen Hersteller anpeilen. Kundentests hätten ergeben, dass der geringe Radius jenen reiche, die sich für E-Autos interessierten.

Auch Chinesen fahren nur 49 Kilometer


"Eine Reichweite von 150 Kilometern ist für die weit überwiegende Mehrheit der Kunden völlig ausreichend. Die tägliche Fahrstrecke beträgt im weltweiten Durchschnitt 40 bis 50 Kilometer", rechnet Krüger vor.
In China liege sie exakt bei 49 Kilometern. Ob zur Freude am Fahren aber auch gehört, sich ins Auto zu setzen und mehrere Hundert Kilometer am Stück zu fahren, einfach mobil zu sein ohne ständige auf die Reichweite schielen zu müssen, wird sich zeigen.
Das E-Auto von BMW wird also ein Stadtauto und damit wohl bei der angepeilten Kundengruppe in der Liga Zweitwagen antreten. Die Frage ist, wer so viel Geld für ein City-Gefährt ausgeben will.

Nur noch 95 Gramm pro Kilometer


Nach Ansicht von Daniel Schäfer, dem Verantwortlichen für die Produktionsplanung des i3, werden es durchaus auch Kunden sein, die aufs Geld schauen: "Die Betriebskosten eines Elektroautos liegen bei einem Drittel eines Modells mit Verbrennungsmotor", sagt er.
Neben dem Preis für Strom sei die Wartung deutlich günstiger. Für 3,50 Euro kann man die Batterie des i3 voll laden. Zusammen mit den Umweltaspekten und den erwartet zunehmend hohen Auflagen für Benziner und Diesel seien das Gründe genug, auf einen der Stromer der Premiumklasse umzusteigen – das glauben sie ganz fest bei BMW, und etwas anderes bleibt den Münchnern auch gar nicht übrig. Denn kaum ein Autobauer steht derart unter Zugzwang.
Die Umweltauflagen der Regierungen für die Hersteller steigen stetig. In China gibt es Zulassungsbeschränkungen in Metropolen. In den USA und Japan gelten ebenfalls immer strengere Umweltgesetze, in der EU darf der durchschnittliche Ausstoß der Flotte eines Herstellers ab 2020 nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer betragen.
Für einen Hersteller kleiner Autos wie Fiat ist diese Auflage lästig, für die Franzosen anspruchsvoll, aber machbar. Für Premiumautobauer wie BMW, Mercedes oder Audi, die überwiegend stark motorisierte Modelle bauen, aber eine gigantische Herausforderung.

BMW ist zum Erfolg verdammt


Volkswagen-Tochter Audi tut sich dabei leicht, das E-Auto zu beerdigen. Die Ingolstädter brauchen es nicht zwingend, weil ihre Werte im Kontext aller VW-Modelle gemessen werden. BMW aber muss die Grenzwerte allein schaffen.
Derzeit stößt die BMW-Flotte im Durchschnitt 146 Gramm pro Kilometer aus, und das ist bereits das Ergebnis harter Arbeit und jahrelanger Anstrengungen. Eine weitere Optimierung der Verbrennungsmotoren wird immer aufwendiger, immer teurer, irgendwann haben auch die besten Ingenieure alles ausgereizt.
Aber es wird nicht reichen, die Grenzwerte der EU zu erfüllen, ohne Elektroautos wird BMW die Ziele ohne Zweifel verfehlen und müsste ab 2020 empfindliche Strafzahlungen hinnehmen. "Die Alternative wäre, dass wir ab 2020 nur noch 1er und Minis verkaufen" hat Konzernchef Norbert Reithofer jüngst erklärt. Das ist natürlich keine Alternative, und daher ist BMW bei den Elektroautos zum Erfolg verdammt.

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