n-de

Friday, May 17, 2013

Wie rogue Anwälte drohen Weg NSU

Rechtsanwälte versuchen, weitere angebliche Opfer des Nagelbomben-Anschlags in der Kölner Keupstraße zu finden. Weitere Nebenkläger könnten jedoch zu einer Aufspaltung des Gerichtsprozesses führen

Abdulla Özkan hat die ersten Prozesstage im NSU-Verfahren erlebt und musste immer wieder seinen Ärger bändigen. Der 39-jährige Kölner sitzt als Nebenkläger im Saal des Oberlandesgerichts München und ärgerte sich darüber, dass die Verteidigung den Prozess mit Anträgen ausbremste. "Wann geht es los", fragte er seinen Anwalt, der ihn immer wieder leise beruhigte. Özkan missfiel auch das unbekümmerte Auftreten der Angeklagten Beate Zschäpe und ihrer Anwälte.
"Sie kam, als ob nichts passiert wäre. Sie kam sehr aufgemöppelt da hin, als ob sie auf eine Party geht. Sie hat mit ihren Verteidigern gelacht und geschmunzelt. Ich fand das schade, dass sie nicht ernst geblieben ist. Sie zeigt sehr viel Schwäche als Mensch. Wenn mir ein Mensch ins Gesicht lacht, dann zeigt er keine Reue", sagt Özkan.
Es klingt nicht so, als ob die Opfer, die die beispiellose Terrorserie des nationalsozialistischen Untergrunds überlebt haben, wirkliche Erleichterung verspüren, dass das Gerichtsverfahren eröffnet wurde. "Mein Eindruck ist, dass da gespielt wird, dass der Prozess verzögert wird. Ich kann mir noch kein Bild machen, Für mich ist es sehr schwer zu verstehen, was da jetzt geschieht", sagt Nebenkläger Özkan.
Er befand sich im Friseurladen in der Keupstraße, einer Geschäftsmeile mit hohem Migrantenanteil in Köln-Mülheim, als im Juni 2004 eine Nagelbombe vor der Tür detonierte. Es wurde erst Jahre später als Attentat des NSU erkannt. Damals war Attila Özer ebenfalls im Laden. Jetzt sitzt der 38-Jährige neben Özkan. Auch er ist ein Nebenkläger. Beide haben seit der verheerenden Explosion gesundheitliche Probleme und sind in Behandlung. Der Anschlag hat alles bei ihnen verändert.
 

"Irgendwann muss einmal Schluss sein"


Attila Özer hat den Prozess mit zwiespältigen Gefühlen wahrgenommen. Es hilft ihm zwar, dass der Prozess begonnen hat. Doch ihn stört vor allem, dass offenbar fremde Rechtsanwälte versuchen, angebliche Opfer als neue Nebenkläger ins Verfahren zu bringen. "Das Gericht muss prüfen, was das für Leute sind. Das ist nicht korrekt, jetzt zu kommen und zu sagen, ich bin verletzt. Jetzt nach zwölf Jahren, das kann nicht sein", sagt Özer.
Anwalt Eberhard Reinecke bekräftigt, man wisse nun seit eineinhalb Jahren, wer hinter dem Anschlag gesteckt habe: "Nach allem Verständnis, irgendwann muss einfach mal Schluss sein." Es klinge "unglaubwürdig", wenn sich Opfer jetzt erst meldeten.
Reinecke teilt mit sechs weiteren Rechtsanwälten die Sorge, dass unseriöse Kollegen sich mit angeblichen Opfern ins NSU-Verfahren "einschleichen" könnten. Der Vorsitzende der "Interessengemeinschaft Keupstraße", Mitat Özdemir, beklagt, dass neuerdings fremde Rechtsanwälte in der Geschäftsstraße auftauchten und nach neuen Opfern suchten, um diese zu vertreten.
Gewerbetreibende hätten ihn darauf hingewiesen. "Wir lehnen das ab. Das ist unerhört", sagt Özdemir. "Nicht auf Kosten der Opfer", wirft Nebenkläger Özkan ein. Es sollen bisher etwa sieben Rechtsanwälte aus dem ganzen Bundesgebiet versucht haben, Mandanten für den NSU-Prozess zu rekrutieren.

Abtrennung des Verfahrens wäre "Horrorszenario"


Die bisherigen Anwälte der Nebenkläger sind alarmiert, denn eine zunehmende Zahl an Nebenklägern könnte dazu führen, dass der Anschlag in der Keupstraße abgetrennt und erst nach dem Hauptverfahren behandelt wird. Der Vorsitzende Richter, Manfred Götzl, hat dies in der vergangenen Woche öffentlich ins Gespräch gebracht und dann einstweilen verworfen. "Real heißt das in diesem Fall: Einstellung", sagt Anwalt Reinecke.
Nach seiner Ansicht sei das Bombenattentat jedoch ein "zentraler Teil" des Verfahrens: "Wenn man diesen Teil nicht untersucht, dann untersucht man nur die Hälfte dessen, was typisch für den rechten Terrorismus ist." Unter der Anwälten gilt es als "Horrorszenario", wenn es zu einer Abtrennung käme.
Bei Nebenkläger Abdulla Özkan ist indes fraglich, welche Prozesstage er künftig wahrnehmen kann, weil ihn sein Arbeitgeber braucht und er keine Urlaubstage mehr hat. Auf die Frage, was er gegenüber der Angeklagten Zschäpe empfindet, sagt er nur: "Es nützt nichts, wenn ich sauer bin. Die Frau interessiert das nicht. Aber es wird sie interessieren, wenn der Richter mit den Zeugenvernehmungen beginnt."

No comments:

Post a Comment