Der neue Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbands
(VZBV) Klaus Müller über die komplizierte Geschäftswelt, geprellte
Internetnutzer und zu hohe Dispozinsen
Herr Müller, worüber haben Sie sich in Ihrem Leben als Verbraucher bisher am meisten geärgert?
Über
ein vermeintlich kostenloses Angebot im Internet, bei dem mir jemand
hinterher einen kostenpflichtigen Vertrag unterschieben wollte.
Und haben Sie sich wehren können?
Ja,
ich schon. Aber ich kenne viele Leute, die in die Falle getappt sind,
darunter viele Menschen mit hoher Internetaffinität, die plötzlich für
Abos mit Kochrezepten aus dem Internet fünf Euro im Monat zahlen
sollten.
Sie haben in den vergangenen Jahren mit der VZ Nordrhein-Westfalen die größte Verbraucherzentrale Deutschlands geleitet.
Was lernt man da über den deutschen Verbraucher?
Wir
haben in Nordrhein-Westfalen rund eine Million Verbraucherkontakte im
Jahr. Da lernt man so einiges. Zum Beispiel wie kompliziert die
Verbraucherwelt geworden ist. Ich habe mit Verbrauchern gesprochen, die
kannten sich hervorragend mit Telefontarifen aus, aber beim Strom
blickten sie überhaupt nicht durch. Und man sieht auch, wie hart die
Realität manchmal ist. Es gibt viele Leute, für die es wirklich ein
Problem ist, wenn der Strom im Monat zehn Euro teurer wird.
Kommen die Leute immer erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist?
Ja,
das trifft auf 80 Prozent der Fälle zu. Nur bei der privaten
Altersvorsorge, beim Hauskauf oder der Gebäudesanierung, also
langfristigen Investitionen ist das anders.
Die
Bundesregierung will das Mietrecht verbessern und den Anlegerschutz
erhöhen. Wenn die Regierung selbst der beste Verbraucherschützer ist,
wer braucht dann noch Ihren Verband?
Na ja, wir machen
ja noch eine Menge mehr. Denken Sie mal an die Klagen gegen Facebook,
die wir gewonnen haben, oder an Lebensmittelklarheit.de. Außerdem
überprüfen wir, was aus den wohl klingenden Gesetzesankündigungen
geworden ist und ob die Gesetze in der Praxis etwas taugen.
Und: Tun sie das?
Das
ist unterschiedlich. Nach der Einführung des Internetbuttons, der
kostenpflichtige Onlinebestellungen markiert, sind die Beratungsfälle zu
untergeschobenen Verträgen signifikant zurückgegangen. Aber beim
Urheberrecht, wo Verbraucher massenhaft teure Abmahnungen wegen
vermeintlich illegaler Downloads von Musik oder Filmen bekommen haben,
hat sich überhaupt nichts verändert.
Ihr Vorgänger, Gerd Billen, ist heute Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherministerium. Wie ist Ihr Draht zu ihm?
Wir
kennen und schätzen uns. Aber er ist nicht der Mann des VZBV im
Ministerium, seine Rolle hat sich geändert. Seine Fachkompetenz wird dem
Ministerium aber sicherlich gut tun.
Zahlt sich der gute Draht auch finanziell für den VZBV aus?
Bisher
nicht. Nach dem Haushaltsentwurf sollen wir 2014 genau dieselbe Summe
bekommen wie 2013, also 9,4 Millionen Euro. Ich hoffe, dass sich das im
parlamentarischen Verfahren noch ändert. Immerhin hat die große
Koalition im Koalitionsvertrag zugesagt, dass die Förderung für uns
erhöht werden soll und dass die Marktwächter eingeführt werden sollen.
Die Marktwächter sind Verbraucherzentralen, die – etwa im
Finanzbereich oder der digitalen Welt – überprüfen sollen, was dort im
Argen liegt. Stirbt das Projekt, wenn die Haushaltsmittel nicht doch
noch aufgestockt werden?
Zumindest kann es in diesem
Jahr nicht starten, wenn es nicht noch im Haushalt bedacht wird. Das ist
eine zusätzliche Aufgabe und die müsste zusätzlich finanziert werden.
Wie viel Geld bräuchten Sie?
Es
gibt verschiedene Modelle. Wenn man alle Themen des Finanzmarkts
abdecken möchte, wären es zehn bis zwölf Millionen Euro im Jahr. Wenn
man mit einzelnen Sektoren startet, könnte es weniger sein. Aber dann
müssen wir prüfen, ob es das Etikett Finanzmarktwächter noch verdient.
In welchen Bereichen müsste der Verbraucherschutz dringend verbessert werden?
Was
bisher am wenigsten geregelt ist, ist die digitale Welt. Deshalb
streiten wir ja etwa mit Facebook darüber, ob irisches oder deutsches
Recht gilt. Im Finanzbereich haben wir die kuriose Situation, dass
europäisches Recht teilweise besser ist als deutsches, Stichwort grauer
Kapitalmarkt. Solche Produkte dürfen nach einer europäischen Richtlinie
nicht aktiv an Verbraucher verkauft werden, Deutschland hat eine
Ausnahme gemacht. Auch die hohen Dispozinsen, die Provisionen bei der
Bank- und Versicherungsberatung und die Beratungsprotokolle muss man
sich genauer ansehen. Und das dritte große Thema ist der Energiemarkt.
Hier muss man genau verfolgen, was bei der EEG-Reform herauskommt.
Bisher sind die Zeichen ja nicht sehr hoffnungsvoll. Und ich würde mich
nicht wundern, wenn nach der Reform gleich die nächste käme. Die
Politiker aller Parteien haben mir im Wahlkampf versprochen, dass die
Verbraucher entlastet werden. Nun zahlen wieder die Privatleute und die
kleinen Handwerker. Das ist wirklich ärgerlich.
Reizt Sie als Ex-Minister die Politik? Könnten Sie sich vorstellen, wie Gerd Billen später wieder ins Ministerium zu gehen?
Nein.
Als Verbraucherschützer hat man ganz andere Freiheiten. Ich möchte
diese Möglichkeiten, für Verbraucher einzutreten, nicht eintauschen
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